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Polizisten und Forensiker stehen nach dem Anschlag in Brüssel in einer abgesperrten Straße am Tatort.

© IMAGO/Belga

Update

Nach Anschlag in Brüssel mit zwei Toten: Terrorverdächtiger soll über Lampedusa nach Europa gekommen sein

Der mutmaßliche Attentäter von Brüssel kam laut italienischer Regierung mit einem Flüchtlingsboot aus Tunesien. Die belgische Polizei hatte den Mann einen Tag nach der Tat erschossen.

| Update:

Der mutmaßliche Attentäter von Brüssel ist nach Angaben der italienischen Rechtsregierung 2011 mit einem Flüchtlingsboot aus Tunesien über die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa nach Europa gekommen.

Der 45-Jährige, der am Dienstag nach dem Anschlag mit zwei Toten erschossen wurde, sei dann nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Schweden 2016 von den italienischen Behörden als radikaler Islamist eingestuft und auch beobachtet worden, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf die Regierung. Später sei er nach Belgien gegangen.

Der Vize-Ministerpräsident der amtierenden Rechtsregierung, Matteo Salvini, wertete dies am Mittwoch als Beweis dafür, dass er mit Warnungen vor der Landung islamistischer Terroristen auf Lampedusa richtig gelegen habe. „Man hat mich beschuldigt, Hass zu schüren. Aber ich hatte Recht“, sagte der ehemalige Innen- und heutige Verkehrsminister von der Rechtspartei Lega.

Die kleine Insel Lampedusa gehört wegen ihrer Nähe zu Tunesien seit vielen Jahren zu den Knotenpunkten der Immigration aus Afrika nach Europa.

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In diesem Sommer kamen dort nach einer gefährlichen Überfahrt mit kleinen Booten übers Meer zeitweise täglich mehrere Tausend Migranten an. Aktuell sind es meist einige Dutzend pro Tag. Die Zahl der Ankünfte hängt stark von den Wetterbedingungen ab. Immer wieder kommt es bei den Überfahrten auch zu tödlichen Unglücken.

Bei dem Anschlag in Brüssel wurden am Montagabend am Rande eines Fußballspiels zwischen Belgien und Schweden zwei schwedische Fans erschossen. Die beiden Schweden starben rund fünf Kilometer entfernt vom Brüsseler Fußballstadion. Inzwischen reklamierte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Tat für sich.


Was weiß man über die Opfer?

Nach Angaben des schwedischen Außenministeriums war der eine Tote ungefähr 60 Jahre alt, der andere ungefähr 70. Der Ältere habe demnach im Großraum Stockholm gelebt – das jüngere Opfer hatte laut Schweizer Angaben sein Wohnsitz offenbar im Alpenland. Ein drittes Opfer im Alter von etwa 70 Jahren ist inzwischen außer Lebensgefahr.

Dem Sprecher der Staatsanwaltschaft, Eric van Duyse, zufolge sollen Polizisten während der Festnahme des Tatverdächtigen das Feuer auf den mutmaßlichen Attentäter eröffnet haben. Auch Brüssels Bürgermeister Philippe Close bestätigte die Festnahme und ergänzte gegenüber der Nachrichtenagentur Belga: „Der Täter ist neutralisiert“.

Zunächst hatte der von der Polizei niedergestreckte Mann noch identifiziert werden müssen, hieß es zuvor von der Bundesstaatsanwaltschaft. Die Polizei habe eine Waffe bei ihm gefunden, die eventuell die Tatwaffe vom Anschlag sein könne.


Was weiß man über den mutmaßlichen Attentäter?

Justizminister Vincent van Quickenborne berichtete am frühen Dienstagmorgen, dass der mutmaßliche Attentäter bereits polizeibekannt sei. Es handele sich um einen 45-jährigen Tunesier, der im November 2019 in Belgien Asyl beantragt habe, so der Justizminister.

Er sei der Polizei im Zusammenhang mit Menschenhandel, illegalem Aufenthalt und Gefährdung der Staatssicherheit aufgefallen.

In Brüssel wurde am Dienstag eine Straße abgesperrt, nachdem ein bewaffneter Verdächtiger von der Polizei niedergeschossen wurde.
In Brüssel wurde am Dienstag eine Straße abgesperrt, nachdem ein bewaffneter Verdächtiger von der Polizei niedergeschossen wurde.

© picture alliance/dpa/Belga

Im Juli 2016 wurden von einer ausländischen Polizeibehörde – offenbar aus Italien – unbestätigte Informationen übermittelt, wonach der Mann ein radikalisiertes Profil habe und in ein Konfliktgebiet in den Dschihad ziehen wolle, wie van Quickenborne sagte.

Alles deutet darauf hin, dass das ein Terroranschlag ist, der sich gegen Schweden und schwedische Mitbürger richtet, nur weil sie Schweden sind.

Ulf Kristersson, schwedischer Ministerpräsident

Solche Informationen gebe es zuhauf. Sie sei entsprechend ohne Ergebnis überprüft worden. „Darüber hinaus gab es, soweit unseren Diensten bekannt, keine konkreten Hinweise auf eine Radikalisierung.“


Nach Bluttat in Brüssel: Mutmaßliches Bekennervideo auf Social Media

In sozialen Netzwerken wurde nach Angaben der Bundesanwaltschaft ein Beitrag einer Person geteilt, die sich als der Angreifer ausgegeben habe und behauptet habe, von der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) inspiriert zu sein und ihr seine Treue schwört.

Auch der schwedische öffentlich-rechtliche Sender SVT berichtet von so einem Video. Darin sagt der mutmaßliche Täter, er habe die Schweden getötet, um „Muslime zu rächen“. Weiterhin berichtet er, dass „wir für unsere Religion sterben“ und dass er „Rache für Muslime nimmt“.

Nach den Anschlägen in Brüssel sperren belgische Polizeibeamten eine Straße ab.
Nach den Anschlägen in Brüssel sperren belgische Polizeibeamten eine Straße ab.

© IMAGO/Photo News

Zudem wird derzeit im Internet ein Video geteilt, das die Tat zeigen soll. Der Sender SVT berichtet, dass darin der Täter auf einem Moped gezeigt werde. Er trägt demnach eine orangefarbene Jacke und einen weißen Mopedhelm, jagt Menschen und schießt aus nächster Nähe auf sie.

In diesem Jahr hatten Menschen in Schweden und später auch in Dänemark mehrmals Koran-Exemplare verbrannt und damit wütende Reaktionen unter Muslimen ausgelöst. Für die skandinavischen Länder hatte all das diplomatischen Ärger nach sich gezogen.


Anschlag in Brüssel: Was weiß man zum Tathergang?

Für die belgische Hauptstadt war am Montagabend die höchste Terrorstufe ausgerufen worden. Wegen eines „potenziell terroristischen Motivs“ zog die Bundesstaatsanwaltschaft die Ermittlungen an sich.

Am frühen Abend war laut Nachrichtenagentur Belga ein bewaffneter Mann im Norden der Innenstadt von einem Roller abgestiegen und hatte auf der Straße Schüsse abgegeben.

Als mehrere Menschen in einen Hauseingang flohen, soll er sie verfolgt und auf sie geschossen haben. Die Polizei bestätigte diese Angaben zunächst nicht. Ein drittes Opfer, ein Taxifahrer, ist laut Staatsanwaltschaft inzwischen außer Lebensgefahr.


Nach Anschlag in Brüssel: Fußball-Fans mussten im Stadion ausharren

Das EM-Qualifikationsspiel zwischen Belgien und Schweden im König-Baudouin-Stadion wurde nach Rücksprache mit beiden Teams und den Sicherheitsbehörden beim Stand von 1:1 nach der ersten Halbzeit abgebrochen. Mehrere Tausend Menschen mussten aus Sicherheitsgründen zunächst im Brüsseler Fußballstadion ausharren, bis sie evakuiert werden konnten.

Fans verlassen das Stadion.
Fans verlassen das Stadion.

© dpa/Bruno Fahy

Nach Auflösung der Veranstaltung wurden die schwedischen Fußball-Fans in der Nacht zu ihren Hotels eskortiert. Ihnen wurde nahegelegt, keine schwedischen Flaggen in der Öffentlichkeit zu zeigen. Gleichzeitig erhielten sie das Angebot, bei ihrer Rückreise zum Flughafen eskortiert zu werden.

Am Montagabend hatte die schwedische Fußball-Nationalmannschaft die belgische Hauptstadt bereits verlassen. Wie das schwedische Fernsehen SVT berichtete, wurde das Team von Trainer Janne Andersson in der Nacht per Charterflieger ausgeflogen.


Die Reaktionen auf den Anschlag in Brüssel

Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson rief nach dem Anschlag zu mehr Wachsamkeit auf. Bei einer Pressekonferenz in Stockholm am Dienstag sagte er: „Wir in Schweden und in der EU müssen unsere Grenzen besser kontrollieren.“ 

Ulf Kristersson, Ministerpräsident von Schweden, gibt im Rosenbad, dem Sitz der schwedischen Regierung, eine Erklärung zu den Schüssen auf zwei Schweden ab.
Ulf Kristersson, Ministerpräsident von Schweden, gibt im Rosenbad, dem Sitz der schwedischen Regierung, eine Erklärung zu den Schüssen auf zwei Schweden ab.

© picture alliance/dpa/TT News Agency/AP

Zudem bezeichnete Kristersson den Anschlag als kaltblütig. „Alles deutet darauf hin, dass das ein Terroranschlag ist, der sich gegen Schweden und schwedische Mitbürger richtet, nur weil sie Schweden sind“, so der Ministerpräsident auf der Pressekonferenz.

Der belgische Premierminister Alexander De Croo drückte Kristersson sein aufrichtiges Beileid aus: „Als enge Partner ist der Kampf gegen den Terrorismus ein gemeinsamer Kampf.“ Der Sprecher der Bundesstaatsanwaltschaft stellte allerdings klar, dass es bislang keine Verbindung zwischen dem Anschlag und dem israelisch-palästinensischen Konflikt gebe.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem „feigen Anschlag“ und drückte den Menschen in Schweden ihr Beileid aus.

Der belgische EU-Ratspräsident Charles Michel schrieb auf X (vormals Twitter): „Das Herz Europas wird von Gewalt getroffen. Mein Mitgefühl gilt den Familien der Opfer des tödlichen Anschlags im Zentrum von Brüssel.“

Polizisten stehen am Tatort. In Brüssel starben zwei Menschen durch Schüsse.
Polizisten stehen am Tatort. In Brüssel starben zwei Menschen durch Schüsse.

© dpa/HATIM KAGHAT

Der belgische Königspalast zeigte sich „schockiert“ und drückte seine „Unterstützung für die Sicherheitskräfte aus, die alles tun, um den Urheber der Taten zu fassen“, hieß es auf X.

Der Rat der Muslime in Belgien verurteilte das Attentat. Er forderte die Behörden „zu größter Entschlossenheit auf, um unsere nationale Gemeinschaft zu schützen und so schnell wie möglich Licht ins Dunkel zu bringen“.


Brüssel nicht das erste Mal Ziel von Anschlägen

Es ist nicht das erste Mal, dass in Brüssel Menschen Opfer eines Anschlags werden. Im November 2022 hatte ein Mann auf zwei Streifenpolizisten nahe dem Bahnhof Gare du Nord im Stadtteil Schaerbeek eingestochen. Ein Beamter starb.

Erst vor rund vier Wochen endete der Prozess zu den Brüsseler Terroranschlägen von 2016. Drei Selbstmordattentäter der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hatten damals Bomben am Brüsseler Flughafen Zaventem sowie in einer U-Bahn-Station im Herzen der belgischen Hauptstadt gezündet.

Sie töteten über 30 Menschen, 340 wurden verletzt. Für Fassungslosigkeit bei den Hinterbliebenen sorgten damals auch Medienberichte, wonach mehrere der Angeklagten vor den Anschlägen von den belgischen Sicherheitsbehörden überwacht worden waren – und später dennoch ihre Bluttaten verüben konnten. (dpa, AFP, Tsp)

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