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Wahlplakat der FPÖ im Landtagswahlkampf in Niederösterreich.

© IMAGO/SEPA.Media/IMAGO/Johann Schwarz

Nach der Wahl in Österreich: Das FPÖ-Ergebnis muss Deutschland eine Warnung sein

In Österreich ist viel schiefgegangen im Umgang mit den Rechtspopulisten. Die Lehre muss sein: Wer sie an der Macht beteiligt, macht sie nicht sanft, sondern ihre Hetze salonfähig.

Sandra Lumetsberger
Ein Kommentar von Sandra Lumetsberger

Stand:

Österreich sieht nach diesem Sonntag anders aus – dichte, blaue Farbkleckse sind auf der Wahlkarte der Meinungsforscher verteilt. Die rechte FPÖ hat ihr bisher bestes Ergebnis erreicht. Es war absehbar. Seit fast zwei Jahren klebte sie in den Umfragen auf Platz eins, bei Landtagswahlen und zuletzt bei der Europawahl konnte sie diese Prognose in echte Ergebnisse verwandeln.

Dass die von Altnazis gegründete und unter Herbert Kickl weiter radikalisierte Partei bei dieser Nationalratswahl von fast 30 Prozent gewählt wurde, ist nur die Konsequenz einer langen Entwicklung. Und sollte Deutschland im Umgang mit der AfD eine Warnung sein.

„Entzaubern“ hat nicht funktioniert

Der Versuch, die Rechten mit Zusammenarbeit zu „entzaubern“ oder „zähmen“, hat in Österreich nicht funktioniert – weder 1999 noch 2017. Die wiederholte Regierungsbeteiligung durch die ÖVP hat sie nicht sanft, sondern salonfähig gemacht.

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Nicht mal die Skandale und das Chaos, das sie in diesen kurzen Episoden der Verantwortung (keine Koalition mit ihnen dauerte länger als eineinhalb Jahre) verursachte, haben der FPÖ geschadet. Ganz im Gegenteil: Ihre Ideen sind zunehmend in den Diskurs integriert und normalisiert worden.

Rechte Inhalte in die Mitte getragen: Sebastian Kurz führte die ÖVP mit einem FPÖ-Programm zu neuen Höhenflügen.

© dpa/Georg Hochmuth

Auch, weil sie etwa vom ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kopiert und in die Mitte getragen worden sind. Mit dieser Strategie führte er seine Partei kurzzeitig zum Erfolg, der Preis aber war hoch. Migration wurde rauf- und runtergetrommelt, als gäbe es kein anderes Thema mehr im Land: politischer Islam und Kopftuchverbot bei Kindern dominierten die Agenda. Selbst die Wahlsprüche („Einer, der unsere Sprache spricht“) waren fast identisch. Schon Jörg Haider, der den Nährboden für all die hetzerischen Parolen bereitete, warb mit diesem Slogan.

Mit Kurz‘ Abgang aus der Politik kehrten der ÖVP die blauen Wählerinnen und Wähler wieder den Rücken. Obwohl die Konservativen versuchten, das Thema zu halten, konnten sie die Lücke nicht mehr füllen. Die Menschen gingen zurück zum Original – zum Schmied und nicht zum Schmiedl, wie die Österreicher sagen.

Das Extreme ist normal geworden

Auch jetzt wieder. Kickl und Co. schüren gezielt Ängste, spielen alles, was mit Asyl und Migration zu tun hat, rauf- und runter. Sie stellen Forderungen auf, die für andere Parteien kaum tragbar sind. Diese steigen meist in die Debatte ein, wirken dann aber so, als würden sie den Blauen nur hinterherlaufen.

Ein Beispiel: Kickl stellt schon lange die Genfer Flüchtlingskonvention infrage. Er kündigt an, sie ändern zu wollen, was rechtlich nicht möglich ist. Die ÖVP springt irgendwann auf die Debatte auf, spricht aber vom „Weiterentwickeln“. Am Ende wollen die in sozialen Medien aufgepeitschten Menschen lieber das, was Kickl verspricht: schnelle, einfache Lösungen. Recht und Regeln scheren den FPÖ-Chef dabei nicht. Gleichzeitig verschiebt er die Grenzen des Sagbaren munter weiter.

Herbert Kickl im Wahlkampf. Er will Österreich zu einer „Festung“ machen.

© IMAGO/Alex Halada/IMAGO/ALEX HALADA

Wenn er etwa über das „System“ herzieht, das nichts anderes als die Demokratie mit ihren Institutionen ist, die er umbauen will. In der blauen FPÖ-Welt könnte das Recht auf Asyl per Notgesetz abgeschafft werden, das Volk per Abstimmung entscheiden, ob eine unfähige Regierung abgesetzt gehört, oder „politisierende Lehrer“ gemeldet werden.

Eine Zusammenarbeit mit einer solchen Partei sollte keine Option sein. Die ÖVP müsste es eigentlich wissen – und könnte sich der FPÖ diesmal entschieden entgegenstellen. Dennoch koaliert sie immer wieder mit ihr, aktuell in drei Bundesländern.

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Aus diesem Grund bleibt die Abgrenzung vor und nach den Wahlen nur halbherzig: Herbert Kickl wurde zwar als „Sicherheitsrisiko“ bezeichnet und eine Koalition mit ihm ausgeschlossen, aber nicht mit den anderen in seiner Partei. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) will unter den Blauen „viele Vernünftige“ ausgemacht haben.

Wo keine Brandmauer existiert, bleibt der Aufschrei aus

Dabei ist die FPÖ, die am Sonntag von fast einem Drittel gewählt wurde, radikal wie nie. Nicht nur Kickl, auch das Personal hinter ihm, wie eine Analyse des „Standard“ und der Rechercheplattform „Stopp die Rechten“ zeigt: Auf der Wahlliste standen Personen, die mit rechtsextremen und rassistischen Aussagen auffallen, in NS-affinen Kreisen verkehrt sind oder Verbindungen zu den Identitären haben, welche Kickl als „NGO von rechts“ verharmlost.

Erst am Freitag ging ein Video viral, das FPÖ-Kandidaten bei einem Begräbnis zeigt – ein „Treuelied“ der SS singend. Sie wurden wegen des Verdachts auf Wiederbetätigung angezeigt.

Doch selbst diese Umtriebe scheinen niemanden mehr groß zu erschüttern. Offenbar genauso wenig wie Kickls Vorstellungen von einer „Festung Österreich“, in der sich alles um Abschottung und „Remigration“ dreht.

Wegen dieser Umsiedelungsfantasien, die nach einem Treffen Rechtsextremer in Potsdam publik wurden, gingen in Deutschland Millionen Menschen auf die Straße. In Österreich blieb die Zahl der Protestierenden überschaubar. Man hat sich offenbar an vieles gewöhnt. Vermutlich auch bald an ein FPÖ-Ergebnis von fast 30 Prozent.

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