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Die Nato entsendet rund 600 zusätzliche britische Soldaten in die ehemalige serbische Provinz

© Reuters/Laura Hasani

Update

Kosovo warnt vor Balkan-Krieg: Nato stockt Truppen auf – auch mehr Soldaten der Bundeswehr?

Nach der Attacke aus Serbien wird die KFOR-Schutztruppe zunächst um 600 britische Soldaten verstärkt. Belgrad will einen Teil seiner Truppen wieder abgezogen haben.

| Update:

Nach den schweren Kämpfen zwischen serbischen Paramilitärs und kosovarischen Polizisten am 24. September und den daraus resultierenden neuen Spannungen warnt die kosovarische Außenministerin Donika Gervalla-Schwarz vor einer Eskalation auf dem Balkan. „Toleriert die internationale Gemeinschaft das Vorgehen Serbiens, wird es einen Krieg geben“, sagte die Ministerin im Deutschlandfunk am Montag.

Serbien wolle Tatsachen schaffen, um das Kosovo dazu zu zwingen, in Brüssel über territoriale Fragen zu verhandeln. „Zum Glück ist der Versuch vor acht Tagen gescheitert, aber wir wissen nicht, was die Pläne für die Zukunft sind.“ Sie forderte deshalb die EU auf, den serbischen Status als Beitrittskandidat einzufrieren und Geldzahlungen zu stoppen.

 Kosovos Außenministerin Donika Gervalla-Schwarz warnt vor einer Eskalation auf dem Balkan.
 Kosovos Außenministerin Donika Gervalla-Schwarz warnt vor einer Eskalation auf dem Balkan.

© Imago/photothek/Janine Schmitz

Kosovos Präsidentin Vjosa Osmani hatte am Donnerstag seinen nördlichen Nachbarn Serbien und dessen Präsidenten Aleksandar Vucic für die Gewalteskalation im Norden des Landes verantwortlich gemacht. Serbien erhebe nach wie vor territoriale Ansprüche auf das Kosovo und versuche, ein „Krim-Modell“ zu verwirklichen, sagte sie mit Anspielung auf das russische Vorgehen in der Ukraine.

Vor etwa einer Woche hatten 30 bewaffnete und maskierte Männer in einem Dorf unweit der Grenze zu Serbien das Feuer auf kosovarische Polizisten eröffnet. Nach Polizeiangaben wurden bei den Schusswechseln ein Polizist und drei Angreifer getötet. Seit dem Zwischenfall hatte es Berichte über eine serbische Truppenkonzentration an der Grenze gegeben.

EU fordert Serbien zu Truppen-Reduzierung an der Grenze zum Kosovo auf

Angesichts der angespannten Lage zwischen dem Kosovo und Serbien fordert die EU nach den Worten von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die serbische Regierung auf, ihre Soldaten von der Grenze zum Nachbarland abzuziehen.

Baerbock sagte, es dürfe „keine weiteren Spannungen zwischen Serbien und Kosovo geben“. Die Reduzierung der serbischen Soldaten an der Grenze sei „auch der eindringliche Appell heute hier von unserem gemeinsamen Treffen in Kiew“, hob sie mit Blick auf das Außenminister-Treffen hervor.

Serbien will Truppen teils abgezogen haben

„Die Truppen an der Grenze müsse von Seiten Serbiens reduziert werden“, sagte Baerbock am Rande eines Sondertreffens der EU-Außenminister in Kiew am Montag. Unterdessen sprachen sich Vertreter von SPD, Grünen und FDP für eine verstärkte Bundeswehr-Präsenz bei der Nato-geführten KFOR-Friedenstruppen im Kosovo aus.

Serbien will nach Angaben von Armeechef General Milan Mojsilovic einige in der Nähe der Grenze zum Kosovo stationierte Truppen abgezogen haben. „Serbien hatte 8350 Soldaten in der Nähe der Grenze zum Kosovo stationiert und hat diese derzeit auf 4500 reduziert“, sagte der Armeechef am Montag in Belgrad.

Mojsilovic fügte hinzu, dass die Armeepräsenz in der sogenannten Bodensicherheitszone, einem fünf Kilometer breiten Streifen innerhalb Serbiens entlang der Grenze zum Kosovo, „zur Normalität zurückgekehrt“ sei.

Großbritannien entsendet britische Soldaten

Als Reaktion auf die neuen Spannungen entsendet die Nato nun rund 200 zusätzliche britische Soldaten in die ehemalige serbische Provinz.

Sie würden gemeinsam mit den 400 britischen Soldaten, die sich bereits zu Übungen im Kosovo befänden, dort im Rahmen der KFOR-Friedenstruppe stationiert, kündigte Nato-Sprecher Dylan White an. Auch andere Verbündete würden ihre KFOR-Kontingente aufstocken, sagte er.

Angesichts der angespannten Lage im Kosovo sprechen sich auch Vertreter von SPD, Grünen und FDP für eine Stärkung der Nato-geführten KFOR-Friedenstruppe aus und regen dazu die Entsendung zusätzlicher Bundeswehrkräfte an.

„Deutschland sollte in Absprache mit den Verbündeten schnell prüfen, ob das KFOR-Mandat komplett ausgefüllt wird, und weitere Soldaten in den Kosovo entsenden“, sagte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag, dem Magazin „Spiegel“.

Sollte es also erforderlich werden, werden wir auch mehr dorthin verlegen.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag (FDP)

Hofreiters Fraktionskollege Philip Krämer sagte, auch Deutschland solle prüfen, inwiefern weitere Kräfte der Bundeswehr im Rahmen des geltenden Mandats bereitgestellt werden können. Aus den Reihen der SPD forderte Außenpolitiker Adis Ahmetovic, das KFOR-Mandat mit mehr Streitkräften zu versehen.

Die Bundeswehr hat derzeit 85 Soldaten im Kosovo stationiert. Das zuletzt im Mai vom Bundestag verlängerte Mandat sieht bis zu 400 Einsatzkräfte vor. „Da ist also, ohne das Mandat verändern zu müssen, noch deutlich Luft nach oben“, sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, dem „Magazinl“. Der Verteidigungsausschuss behalte die Kosovo-Frage im Blick. „Sollte es also erforderlich werden, werden wir auch mehr dorthin verlegen.“

Die Unionsfraktion warf der Ampelregierung eine Mitschuld an der Eskalation im Streit zwischen Belgrad und Pristina vor. „Die Ampel hat die langjährige und erfolgreiche Führungsrolle Deutschlands auf dem Westbalkan ohne Not aufgegeben“, sagte ihr verteidigungspolitischer Sprecher Florian Hahn (CSU) dem Magazin.

Jetzt und heute definitiv nein. Es sei denn, es passiert etwas.

Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister (SPD) zur Truppen-Aufstockung

„Wir haben die Lage im Auge und werden reagieren, wenn es nötig ist“, sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Montag in Braunschweig. Ihm zufolge kommt jetzt es drauf an, dass alle Verantwortlichen deeskalierend und ruhig die Lage bewerten und entscheiden.

Eine personelle Aufstockung deutscher Soldaten für die Nato-geführte Friedensmission Kfor schloss Pistorius am Montag nicht aus, sagte aber weiter: „Jetzt und heute definitiv nein. Es sei denn, es passiert etwas.“ Am Rande eines Besuchs in Niedersachsen betonte der Verteidigungsminister, dass man „sehr sehr schnell handlungsfähig“ sei, wenn es notwendig werden sollte.

Am Sonntag hatten die Regierungen in Berlin und Washington den sofortigen Abzug von serbischen Truppen von der Grenze zum Kosovo gefordert. Es dürfe „keine weitere Eskalation“ geben, erklärte das Auswärtige Amt in Berlin am Wochenende.

US-Außenminister Blinken telefoniert mit Serbiens Präsident Vucic

Es sei wichtig, dass Serbien „unverzüglich Truppen an der Grenze reduziert“, erklärte das Auswärtige Amt im Onlinedienst X, vormals Twitter. Berlin stehe in intensivem Kontakt mit allen Seiten. „Der politische Prozess muss fortgesetzt werden“, hieß es.

Zuvor hatte schon die US-Regierung vor einer „großen serbischen Militärpräsenz entlang der Grenze zum Kosovo“ gewarnt und eine „sofortiger Deeskalation“ von Belgrad verlangt.

An der Grenze zum Kosovo gebe es „eine noch nie dagewesene Stationierung von fortgeschrittener serbischer Artillerie, Panzern und mechanisierten Infanterieeinheiten“, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Die Entwicklung sei „sehr destabilisierend“.

Die überwiegende Mehrheit der 1,8 Millionen Einwohner im Kosovo sind ethnische Albaner. Dazu kommen 120.000 Serben, die vor allem im Norden des Landes leben.
Die überwiegende Mehrheit der 1,8 Millionen Einwohner im Kosovo sind ethnische Albaner. Dazu kommen 120.000 Serben, die vor allem im Norden des Landes leben.

© dpa/dpa-infografik GmbH

Der Zweck der serbischen Aufrüstung sei noch nicht klar, aber besorgniserregend. US-Außenminister Antony Blinken habe in einem Telefonat mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic die Notwendigkeit einer „sofortigen Deeskalation und einer Rückkehr zum Dialog“ betont.

Am Samstag berichtete ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP, dass in der südserbischen Stadt Raska nahe der Grenze zum Kosovo keine besonderen Truppenbewegungen oder eine verstärkte Präsenz der serbischen Streitkräfte zu beobachten sei.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur könnte die Verstärkung von Großbritannien gestellt werden. Das Verteidigungsministerium in London hatte erst vor wenigen Monaten mitgeteilt, dass das Vereinigte Königreich noch bis mindestens 2026 einen „entscheidenden Beitrag“ zur Schutztruppe leisten wolle.

Nato erhöhte bereits im Mai KFOR-Kontingent im Kosovo

Bereits im Mai hatte das Bündnis eine Aufstockung seiner Präsenz im Kosovo um 700 Mann beschlossen. Damit hatte es auf schwere Ausschreitungen serbischer Mobs gegen KFOR-Soldaten im Nord-Kosovo reagiert. Damals hatten 30 italienische und ungarische Soldaten sowie mehr als 50 Serben Verletzungen erlitten.

Die Regierung in Pristina beschuldigte Belgrad direkt nach der Attacke, die Paramilitärs ausgebildet, ausgestattet, finanziert und ins Kosovo geschickt zu haben, um das Land zu destabilisieren. Die serbische Führung bestreitet die Vorwürfe, blieb aber bisher eine schlüssige Erklärung über Herkunft und Kommandoverantwortung des Trupps schuldig.

Kosovo zeigt Videos der serbischen Paramilitärs

Am Montag teilte Kosovos Ministerpräsident Albin Kurti im Kurznachrichtendienst Plattform X (vormals Twitter) mit, die serbischen Paramilitärs, die vor einer Woche kosovarische Polizisten überfielen, sollen zuvor auf serbischem Territorium trainiert haben. Er postete dort auch Drohnenaufnahmen, die diese Übungen zeigen sollen. „Die Angriffe geschahen mit voller Unterstützung und Planung des serbischen Staats“, schrieb Kurti.

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Die Drohnenaufnahmen hätten die serbischen Aggressoren selber gemacht und Kosovos Polizei habe diese zusammen mit Waffen sichergestellt, erläuterte Innenminister Xhelal Svecla nach Angaben der kosovarischen Zeitung „Koha Ditore“. Die Übungen hätten an der grenznahen serbischen Militärbasis Kopaonik stattgefunden sowie in Pasuljanske Livade, einem der größten Truppenübungsplätze Serbiens.

Kosovo-serbischer Spitzenpolitiker bekennt sich zu Überfall

Zudem hätten Übungen auf einem Grundstück stattgefunden, das dem kosovo-serbischen Politiker und Geschäftsmann Milan Radoicic gehört, der sich zu dem Überfall auf die kosovarischen Polizisten bekannt hatte.

„Ich habe mich zu dieser Tat entschieden, weil alle bisher angewandten Widerstandsmethoden keine Verbesserung des Lebens des serbischen Volkes (im Kosovo) brachte“, hatte er in einer Erklärung geschrieben, die sein Anwalt am Freitag vor der Presse in Belgrad verlas.

In seiner Erklärung behauptete Radoicic, die Aktion auf eigene Faust ausgeführt und keine offiziellen Stellen in Serbien darüber informiert zu haben. Zugleich teilte er mit, als Vize-Vorsitzender der Serbischen Liste, der Partei der Kosovo-Serben, zurückzutreten. Wo sich Radoicic derzeit aufhält, ist unbekannt. (AFP, dpa, Reuters)

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