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„Sehr produktives Treffen“: Europäer legen Gegenvorschlag für Ukraine-Kriegsende vor – Rubio kündigt Änderungen am Trump-Plan an
Den ganzen Sonntag verhandelten Vertreter Washingtons, Kiews und Europas über den US-Plan für ein Ende des Ukrainekrieges. US-Außenminister Rubio spricht hinterher von einem „sehr guten Arbeitsergebnis“.
Stand:
US-Außenminister Marco Rubio hat nach Verhandlungen mit der Ukraine und ihren europäischen Unterstützern Änderungen des Friedensplans zur Beendigung des Ukraine-Krieges angekündigt.
Man habe ein „sehr gutes Arbeitsergebnis erzielt, das auf den Beiträgen aller beteiligten Parteien“ basiere, sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Verhandlungsführer Andrij Jermak. Nun sollen die Differenzen zu Russland verringert und eine Lösung ausgearbeitet werden, mit der sowohl die Ukraine als auch die USA zufrieden wären.
Jermak sprach von einem „sehr produktiven“ ersten Treffen, bei dem gute Fortschritte erzielt worden seien. Man bewege sich auf einen gerechten und dauerhaften Frieden zu. Endgültige Entscheidungen werden seinen Angaben nach „unsere Präsidenten“ treffen. Er bedankte sich bei den USA und US-Präsident Donald Trump – der Kiew zuvor erneut mangelnde Dankbarkeit vorgeworfen hatte.
Rubio zeigte sich zuversichtlich, dass am Ende US-Präsident Donald Trump sein Einverständnis für den neuen Plan geben werde.
Der US-Außenminister sagte, er werde zu einem späteren Zeitpunkt am Sonntag erneut vor die Presse treten. Sie beabsichtigten, „in wenigen Minuten, vielleicht in ein oder zwei Stunden“ wiederzukommen, sagte der Amerikaner zu Beginn eines kurzen Auftritts. „Wir melden uns in Kürze mit weiteren Informationen bei Ihnen. Ich weiß, Sie haben Fragen“, sagte er. Er stellte in Aussicht, am Abend Fragen von Journalisten zu beantworten.
In Genf hatte es am Sonntag den ganzen Tag über Gesprächsrunden zwischen Vertretern der Ukraine, der USA und europäischer Staaten über den zuvor von Washington vorgelegten Plan gegeben. US-Präsident Donald Trump hatte Selenskyj eine Frist bis Donnerstag gesetzt, dem Plan grundsätzlich zuzustimmen. Die Unterstützer der Ukraine hatten schon im Vorfeld klargemacht, dass sie den Plan in der US-Fassung ablehnen.
Der ursprüngliche 28-Punkte-Plan kommt Moskau in zentralen Forderungen weit entgegen und überschreitet von Kiew seit langem formulierte rote Linien. So verlangt er von der Ukraine schmerzhafte Zugeständnisse wie die Abtretung großer Gebiete in der Ostukraine an Russland, eine Begrenzung der Truppenstärke und den Verzicht auf einen Nato-Beitritt.
Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten deshalb am Sonntag einen Gegenvorschlag zum US-Friedensplan für die Ukraine vorgelegt, der zentrale Punkte des ursprünglichen Plans von Washington ablehnt. Dies geht aus einem Dokument der sogenannten E3-Staaten hervor, das der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag vorlag.
So soll die ukrainische Armee in Friedenszeiten auf 800.000 Soldaten begrenzt werden und nicht pauschal auf 600.000, wie es der US-Plan vorsieht. Zudem sollen Verhandlungen über einen Gebietsaustausch an der derzeitigen militärischen Kontaktlinie beginnen. Damit wird die US-Forderung zurückgewiesen, bestimmte Gebiete als „faktisch russisch“ anzuerkennen.
Auch bei der Verwendung der im Westen eingefrorenen russischen Vermögenswerte wurden die ursprünglichen US-Vorschläge deutlich abgeändert. Die Europäer wollen, dass die Gelder eingefroren bleiben, bis Russland den Schaden in der Ukraine kompensiert hat. Der US-Plan sieht dagegen vor, 100 Milliarden Dollar in einen von den USA geführten Wiederaufbaufonds zu investieren, wobei die USA die Hälfte der Gewinne erhalten würden. Die Ukraine soll Sicherheitsgarantien der USA in Anlehnung an Artikel 5 der Nato erhalten.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hoffte am Sonntagnachmittag auf eine neue Dynamik in den Bemühungen um eine Beendigung des Ukraine-Kriegs. „Wir formulieren jetzt im Augenblick eine Verhandlungsposition. Und ich hoffe, dass sie so ausfällt, dass sie nicht nur auf der europäischen Seite mit der Ukraine und Amerika zusammen abgestimmt ist, sondern dass sie vor allem die russische Seite dazu bringt, jetzt an den Verhandlungstisch zu kommen“, sagte Merz am Sonntag im ZDF mit Blick auf die Verhandlungen über den von den USA vorgelegten Ukraine-Plan in Genf.
„Wir versuchen jetzt hier ein gemeinsames Paket zu bekommen, mit dem wir dann auch auf die russische Regierung zugehen können. Es wird nicht einfach“, sagte Merz laut Vorabmeldung im „Heute Journal“ des ZDF. „Entscheidend ist jetzt, dass in der Sache Fortschritte erzielt werden und dass Russland vor allem irgendwann endlich wieder an den Verhandlungstisch kommt.“
Zuvor kritisierte Merz außerdem zentrale finanzielle Aspekte des US-Plans als „nicht akzeptabel“. Die Amerikaner könnten über das in der EU festgesetzte russische Zentralbankgeld nicht verfügen, sagte der CDU-Politiker in einem ARD-Interview nach dem Ende des G20-Gipfels in Johannesburg. Auch die Forderung, noch einmal 100 Milliarden Dollar (87 Mrd. Euro) aus Europa draufzulegen, sei nichts, was aus deutscher Sicht zustimmungsfähig sei.
Merz verwies zudem darauf, dass die EU derzeit plane, das in der Europäischen Union festgesetzte russische Vermögen für ein Darlehen an die Ukraine zu nutzen, um dieser weitere Waffenkäufe zu ermöglichen. Nach internen Brüsseler Dokumenten wurde in der EU wegen des Ukraine-Kriegs theoretisch nutzbares russisches Staatsvermögen im Wert von etwa 210 Milliarden Euro festgesetzt. In anderen Staaten außerhalb der EU waren es demnach nur rund 42 Milliarden Euro.
Der Kanzler zeigte sich zugleich skeptisch, dass es wie von US-Präsident Donald Trump zuletzt gefordert bis Donnerstag zu einer Einigung kommen könne. Eine Einigung bis Donnerstag sei zwar nicht völlig ausgeschlossen, sagte Merz. „Ich bin aber skeptisch, ob angesichts der gegenwärtigen Differenzen ein solches Ergebnis möglich ist.“
Deutschland war bei dem Treffen in Genf nach Angaben des Bundeskanzlers durch den außenpolitischen Berater im Kanzleramt, Günter Sautter, und weitere Regierungsmitarbeiter vertreten.
Trump warf der Ukraine derweil erneut Undankbarkeit vor und gab Europa eine Mitschuld am Fortbestehen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. „Die ukrainische „Führung“ hat keinerlei Dankbarkeit für unsere Bemühungen gezeigt, und Europa kauft weiterhin Öl aus Russland“, schrieb er in Großbuchstaben auf seinem Online-Sprachrohr Truth Social.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte daraufhin den USA und Trump für dessen Bemühungen. Selenskyj schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Telegram, die Ukraine sei allen Amerikanern und „insbesondere Präsident Trump für die Hilfe dankbar“, die das Leben von Ukrainern rette.
Bereits in der Vergangenheit hatte Trump behauptet, die Ukraine würde die Unterstützung der Vereinigten Staaten nicht ausreichend anerkennen. So warf er dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Februar bei einem Treffen im Weißen Haus Undankbarkeit vor. Vor laufenden Kameras wiesen Trump und sein Vize JD Vance den ukrainischen Staatschef zurecht. Das Gespräch endete in einem beispiellosen Eklat.
Der Europäischen Union hingegen warf Trump bereits mehrfach vor, den Krieg indirekt weiter zu finanzieren, indem der Staatenbund weiterhin Öl von Russland beziehe. Infolge des Angriffskrieges Moskaus hatte die EU weitgehende Einfuhrverbote für russische Energieträger wie Kohle und Öl erlassen, es gelten aber noch Ausnahmeregelungen.
Als Vertreter der USA in Genf nahm außer Rubio der Sondergesandte Steve Witkoff teil. „Wir hoffen, die letzten Details auszuarbeiten und ein für die Ukraine vorteilhaftes Abkommen zu erzielen“, sagte ein US-Regierungsvertreter am Vormittag.
„Es wird keine Einigung geben, bevor die beiden Präsidenten nicht zusammenkommen“, fügte er mit Blick auf US-Präsident Donald Trump und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hinzu. Vor Rubios Abflug nach Genf hatte Trump seinen 28-Punkte-Plan wieder relativiert und betont, dies sei nicht sein endgültiges Angebot.
Seit der Bekanntgabe des ursprünglichen US-Plans herrscht erhebliche Verwirrung darüber, wer an seiner Ausarbeitung beteiligt war. Die europäischen Verbündeten kritisieren, nicht konsultiert worden zu sein. Kanzler Friedrich Merz hatte Freitag mit Trump telefoniert und dabei die Beratungen in Genf vereinbart. Er hatte die US-Regierung am Samstag gewarnt, dass die USA keine Vereinbarung ohne die Ukraine und die Europäer treffen können.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte indes ihrerseits Bedingungen für einen Friedensschluss in der Ukraine. Die Grenzen der Ukraine könnten nicht mit Gewalt verändert werden, sagte sie. Zudem dürfe die ukrainische Armee nicht so verkleinert werden, dass das Land für künftige Angriffe anfällig werde.
Drittens müsse die EU eine zentrale Rolle bei einem Friedensabkommen spielen. „Die Ukraine muss die Freiheit und das souveräne Recht haben, über ihr eigenes Schicksal zu bestimmen. Sie hat sich für einen europäischen Weg entschieden“, sagte von der Leyen. (AFP/Reuters/dpa)
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