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Kritik, aber kein offener Streit. Scholz ist besorgt über die Justizreform, Netanjahu verteidigt sie.

© action press/Chris Emil Janssen

Netanjahus Besuch bei Scholz: Was den Kanzler besorgt und Israels Premier erwidert

Israels rechte Regierung treibt eine umstrittene Justizreform voran. In Berlin kritisiert der Kanzler das Vorhaben von Benjamin Netanjahu. Wie reagiert Israels Premier?

Normalerweise gehören die Besuche des Regierungschefs eines befreundeten Staates in die Kategorie Routineangelegenheit. Man tauscht sich über ein paar Themen von beiderseitigem Interesse aus, spricht bei der Gelegenheit – hinter verschlossenen Türen – auch Heikles an. Das war’s.

Aber wenn sich der israelische Premier mit dem Bundeskanzler trifft, dann ist das immer etwas Besonderes. Deutschlands historische Verantwortung prägt das Verhältnis zum jüdischen Staat.

Zu spüren war das auch am Donnerstag bei Benjamin Netanjahus Berlin-Besuch – ein Treffen, das für Olaf Scholz eine diplomatische Herausforderung bedeutete. Das liegt vor allem am israelischen Premier. Als Chef einer extrem weit rechts stehenden Koalition versucht er, gegen großen Widerstand eine Justizreform durchzudrücken, die nach Auffassung vieler den Rechtsstaat aushebeln würde.

Als demokratische Wertepartner und enge Freunde Israels verfolgen wir diese Debatte sehr aufmerksam und, das will ich nicht verhehlen, mit großer Sorge

Olaf Scholz, Bundeskanzler

Zudem wird das besetzte Westjordanland seit Monaten von massiver Gewalt erschüttert. Wie soll Scholz dem Amtskollegen aus Jerusalem zeigen – ohne belehrend und maßregelnd zu wirken –, dass Deutschland über all diese Probleme nicht hinwegsehen kann?

Scholz nutzt eine Pressekonferenz im Kanzleramt, um die Kritik der Bundesregierung am geplanten Umbau des israelischen Justizwesens deutlich zu machen. Er ist aber zugleich darauf bedacht, Netanjahu nicht zu brüskieren.

„Als demokratische Wertepartner und enge Freunde Israels verfolgen wir diese Debatte sehr aufmerksam und, das will ich nicht verhehlen, mit großer Sorge“, sagt der Kanzler. Er betont, dass es sein Wunsch sei, dass „Israel eine Demokratie bleibt“. Über den von Israels Präsident Izchak Herzog vorgelegten Kompromissvorschlag sei hoffentlich noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Netanjahu macht die Opposition dafür verantwortlich, dass es keinen Kompromiss gibt

Für Netanjahu stellt sich die ganze Debatte um die Justizreform anders dar. Das zeigt sich auch in Berlin, wo er versucht, die Gemüter zu beruhigen – ohne von seinem Vorhaben Abstand zu nehmen. „Israel ist eine liberale Demokratie und wird es auch bleiben“, betont er.

Israel ist eine liberale Demokratie und wird es auch bleiben.

Benjamin Netanjahu, israelischer Regierungschef

Die Unabhängigkeit der Justiz werde nicht infrage gestellt. Doch diese dürfe nicht allmächtig sein. Es brauche ein besseres Gleichgewicht zwischen den Gewalten. Aber die Opposition verweigere das Gespräch, die Bereitschaft zum Konsens fehle.

Auch Kanzler Scholz warnt vor einem atomar aufgerüsteten iran

Ohnehin treibt Israels Regierungschef etwas anderes um: der Iran und dessen nukleare Aufrüstung. Seit Jahren warnt Netanjahu vor der Gefahr, sollte Teheran in den Besitz von Atomwaffen kommen.

Er tut es auch in Berlin. Irans Führung rufe immer wieder dazu auf, Israel zu zerstören. Doch das jüdische Volk werde keinen zweiten Holocaust zulassen. Israel werde sich mit allen Mitteln zur Wehr setzen.

Scholz sieht in Irans Anreicherung von Uran auf fast waffentaugliche 90 Prozent ebenfalls eine Bedrohung. Der Konflikt müsse rasch mithilfe der Diplomatie gelöst werden, sagt der Kanzler und fordert Teheran auf, sein „destruktives Verhalten“ in der Region zu beenden. Worte, die Netanjahu gefallen haben dürften.

Denn auch davon ist beim Besuch des israelischen Premiers in Berlin immer wieder die Rede: Der jüdische Staat und Deutschland seien Partner, Verbündete und Freunde. Daran wird wohl auch die Justizreform wenig ändern.

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