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Indiens Premierminister Narendra Modi.

© AFP/Ludovic Marin

Ohne Xi und Putin: Der G20-Gipfel wird Indiens Premier Modi schaden

Eigentlich war der G20-Gipfel als Wahlkampfspektakel für Premier Modi gedacht. Doch zwei wichtige Staatschefs wollen nicht anreisen. Was bedeutet das für die Großmacht Indien?

Ein Gastbeitrag von Sushant Singh

Als Gastgeber des G20-Gipfels der Staats- und Regierungschefs in Neu-Delhi sieht sich Indien diese Woche mit einer ungewöhnlichen Herausforderung konfrontiert: Es muss die Affen fernhalten.

Lebensgroße Ausschnitte von grauen Languren – einer besonders aggressiven Affenart – wurden aufgestellt. Die falschen Affen sollen die echten erschrecken; Hilfe bekommen sie von knapp 40 Menschen, die die Tierlaute nachahmen.

Die Organisatoren hoffen, dass diese Maßnahmen echte Affen vom Gipfel fernhalten. Doch es gibt noch andere Störfaktoren für den Gipfel, in den der indische Premierminister Narendra Modi so viel persönliches Kapital investiert hat.

Der an diesem Sonnabend beginnende Gipfel ist der Höhepunkt der einjährigen indischen Präsidentschaft – und soll für Indien Ähnliches bewirken wie die Olympischen Spiele 2008 für China. Auch wenn es sich nur um einen Rotationsjob handelt, hat Modi hart daran gearbeitet, den G20-Vorsitz als eine Errungenschaft darzustellen.

Ich hoffe, er nimmt teil.

US-Präsident Joe Biden über die Teilnahme Xi Jinpings am Gipfel

Eigentlich sollte Indien schon 2020 den Vorsitz übernehmen, doch Modi ließ Italien und Indonesien den Vortritt. So stellt der Premier sicher, dass der Gipfel rechtzeitig stattfindet, ehe er sich im kommenden Jahr zur Wiederwahl stellt.

Das Treffen soll in seine Wahlkampagne eingebunden werden – dazu muss der Gipfel aber erfolgreich abgewickelt werden. Angesichts des anhaltenden russischen Krieges in der Ukraine ist das unwahrscheinlich.

Am Sonnabend beginnt der G20-Gipfel in Indien.

© AFP/PUNIT PARANJPE

Kreml-Chef Wladimir Putin war zwar eingeladen, wird aber nicht anreisen. Schwerwiegender ist aber die Abwesenheit von Chinas Staatschef Xi Jinping. „Ich hoffe, er nimmt teil“, sagte US-Präsident Joe Biden vergangene Woche über Xi. Schon vor Beginn ist Modis Gipfel ins Stocken geraten.

Kaum Hoffnung auf einstimmige Abschlusserklärung

Die Schwierigkeit eines Gipfels ist immer die einstimmige Abschlusserklärung. Oft eine niedrige Messlatte, beim vergangenen G20-Treffen in Bali verurteilte die große Mehrheit der Staats- und Regierungschefs den russischen Angriffskrieg.

Russland und China haben seitdem ihre Haltung verschärft. Peking besteht darauf, dass die G20 ein Wirtschaftsforum ist, auf dem geopolitische Fragen keinen Platz haben. Moskau würde eine Abschlusserklärung nur akzeptieren, wenn sie mit Blick auf die Ukraine „legitime russische Bedenken“ enthalten würde.

40
Prozent der Inder glauben Umfragen des Pew Research Centers zufolge, dass Russlands globaler Einfluss durch den Ukraine-Krieg zugenommen hat.

Doch die Regierungschefs der G7 beharren darauf, dass der Ukraine-Krieg in dem gemeinsamen Kommuniqué Erwähnung findet, und zwar in einer Sprache, die für Russland und China inakzeptabel ist. Diese Gegensätze sind für die indische G20-Präsidentschaft ein Problem – bei keinem bisherigen Treffen auf Ministeriumsebene konnten sich die Teilnehmer auf eine gemeinsame Erklärung einigen.

Neu-Delhi hat deshalb vorgeschlagen, strittige Themen auszuklammern, um stattdessen eine Einigung in Wirtschaftsfragen zu erzielen. Doch selbst hier gibt es zwischen den Teilnehmern erhebliche Differenzen. Letztendlich kann die Geowirtschaft nicht von der Geopolitik isoliert werden. Die globalen Wirtschaftsprobleme – hohe Lebensmittel-, Kraftstoff- und Düngemittelpreise – stehen in direktem Zusammenhang mit Putins Einmarsch in der Ukraine.

Russisch-indische Freundschaft ist „unzerstörbar“

Sollte der Gipfel scheitern, wird das die Beziehungen Indiens zu Russland erneut in den Mittelpunkt rücken. Neu-Delhi hat sich bei allen UN-Erklärungen zum Ukraine-Krieg enthalten, Modi hat Putin nie für den Einmarsch kritisiert. Stattdessen erklärte er, die Freundschaft Indiens mit Russland sei „unzerstörbar“. Tatsächlich wurde Indien in dieser Zeit zum größten Importeur von billigem Rohöl aus Russland.

G20-Gipfel als große Modi-Show: Wie geht Indiens Premier damit um?

© AFP/-

Es ist offensichtlich, dass die geopolitischen Spannungen Indiens Gipfelaufgaben erschweren. War es geschickt von Modi, ausgerechnet in solchen Krisenzeiten Indiens internationales Profil schärfen zu wollen? Ein zurückhaltender G20-Gipfel hätte dem Land besser getan.

Zaubert Indiens Premier in Neu-Delhi nicht auf magische Weise einen Konsens herbei, wird das Scheitern des Gipfels erneut deutlich machen, dass Modis ungezügelte persönliche Ambitionen den geopolitischen Realitäten Indiens vorauseilen. Es wäre auch ein schwerer persönlicher Schlag für Modi selbst, der als großer globaler Führer angesehen werden will.

Doch wenn Indien einen Platz an der Weltspitze anstrebt – einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die Mitgliedschaft in der Gruppe der Nuklearlieferländer und ein größeres Mitspracherecht in der Weltbank – muss es beweisen, dass es in der Lage ist, andere Länder bei der Suche nach Lösungen für drängende Probleme anzuführen.

Das klappt bisher kaum. Denn unter Modi hat Indien versucht, auf zwei diplomatischen Booten gleichzeitig zu fahren. Es ist Mitglied der Vierergruppe mit den USA, Japan und Australien und gleichzeitig BRICS-Mitglied, gemeinsam mit Russland und China.

Beide Boote ziehen stark in entgegengesetzte Richtungen – Indien läuft Gefahr, ins Wasser zu fallen.

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