zum Hauptinhalt
Menschen nehmen im März an der zentralen Feier in Frankfurt zum kurdischen Neujahrsfest «Newroz»  teil und schwenken dabei Fahnen.

© dpa/Andreas Arnold

Update

Inhaftierter PKK-Anführer: Öcalan ruft zur Beendigung des bewaffneten Kampfes gegen die Türkei auf

Abdullah Öcalan ruft seine verbotene kurdische Arbeiterpartei zur Beendigung des bewaffneten Kampfes in der Türkei auf.

Stand:

Der inhaftierte PKK-Gründer und Anführer Abdullah Öcalan ruft seine verbotene kurdische Arbeiterpartei zur Beendigung des bewaffneten Kampfes in der Türkei auf. Dies erklärte Öcalan, der seit 1999 in einem türkischen Gefängnis sitzt, am Donnerstag.

Die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) führt seit vier Jahrzehnten einen blutigen Kampf gegen den türkischen Staat, etwa 45.000 Menschen sind dabei bisher ums Leben gekommen. Die Gruppe wird von der Türkei, der EU und den USA als Terrorgruppe eingestuft. Öcalan sitzt seit 1999 wegen Hochverrats auf der Insel Imrali nahe Istanbul in Haft.

Der aus Südostanatolien stammende Öcalan gründete die PKK im Jahr 1978 in der Provinz Diyarbakir im Südosten der Türkei als marxistisch inspirierte Organisation. Ihr ursprüngliches Ziel war der Aufbau eines sozialistischen Kurdenstaats für das in der Türkei unterdrückte Volk, dessen Angehörige auch in Syrien, im Irak und im Iran leben. Die Kurden sind der Bundeszentrale für politische Bildung zufolge mit über 30 Millionen Menschen weltweit eines der größten Völker ohne eigenen Nationalstaat.

1980 zwang der Militärputsch in der Türkei die PKK und ihren Anführer ins Exil nach Syrien und in den Libanon. 1984 rief Öcalan zur Durchsetzung seiner Ziele zum bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat auf. Die PKK agierte dabei vor allem über Guerillagruppen in der Türkei und im Norden des Irak und Syriens. Es begann eine Spirale der Gewalt zwischen PKK-Kämpfern und türkischen Kräften, durch die zehntausende Menschen getötet wurden, darunter auch viele Zivilisten.

PKK-Demonstration im Nordwesten Syriens.

© AFP/DELIL SOULEIMAN

Als der ins Exil geflohene Öcalan 1999 in Kenia vom türkischen Geheimdienst festgenommen, in die Türkei gebracht und dort zum Tode verurteilt wurde, versetzte das der Gruppe einen schweren Schlag. Öcalan entging der Hinrichtung durch die Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei, er verbüßt seither eine lebenslange Haftstrafe auf der Gefängnisinsel Imrali bei Istanbul.

Die PKK rückte später von ihrem ursprünglichen Ziel eines eigenen Kurdenstaats ab. Heute will sie politische und kulturelle Rechte für die Kurden innerhalb des türkischen Staatsgebietes durchsetzen.

Seit 1993 ist die PKK in Deutschland verboten

Öcalans Ansehen bei den Kurden und sein Einfluss auf die PKK mit ihren mehreren tausend Kämpfern sind jedoch ungebrochen. Sowohl die PKK-Kommandeure, die sich im nordirakischen Kurdengebiet verschanzen, als auch die führenden politischen Vertreter der PKK im europäischen Exil erkennen Öcalan nach wie vor als höchste Instanz an.

In Deutschland ist die PKK mit tausenden Anhängern laut Verfassungsschutz mit Abstand die größte nicht-islamistische, extremistische Ausländerorganisation. Nach mehreren gewaltsamen Aktionen der PKK auf deutschem Gebiet und auf türkisches Drängen hin erließ das Innenministerium im Jahr 1993 ein Betätigungsverbot.

Die Bundesregierung begrüßte den Aufruf Öcalans als „historische Chance“. „Wir begrüßen den heutigen Aufruf Abdullah Öcalans an die PKK und die mit ihr verbundenen Gruppierungen, die Waffen niederzulegen und die PKK aufzulösen“, erklärte das Auswärtige Amt am Donnerstag in Berlin. Damit biete sich „die historische Chance, die jahrzehntelange Spirale von Terror, Gewalt und Vergeltung zu durchbrechen, die zehntausende Menschen das Leben gekostet hat“.

Ein Ende der Gewalt sei „der wichtige erste Schritt“, erklärte das Auswärtige Amt. Es seien aber „noch weitere Schritte erforderlich auf dem Weg zu einer tragfähigen Lösung für die Menschen in der Türkei“. Dazu gehöre „vor allem auch, kulturelle und demokratische Rechte der Kurdinnen und Kurden in der Türkei zu respektieren und zu gewährleisten“.

Dem türkischen Parlament komme eine zentrale Rolle dabei zu, „diesen politischen Prozess zu gestalten und einmal vereinbarte Kompromisslösungen verbindlich zu verankern“. Die Bundesregierung stehe bereit, „zu tun, was wir können, um einen solchen Prozess zu unterstützen“.

Kurdenmilizen in Syrien sehen sich nach eigenen Aussagen nicht von dem Aufruf Öcalans zur Auflösung der Partei betroffen. „Das hat nichts mit uns hier in Syrien zu tun“, sagte der Oberkommandeur der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Maslum Abdi, in einer Online-Pressekonferenz.

„Wenn dieser Prozess erfolgreich ist, wird er auch für uns positive Auswirkungen haben“, sagte Abdi. Die Türkei werde dann keine Ausreden mehr haben, Gebiete unter dem Vorwand der PKK-Bekämpfung anzugreifen.

Über die Jahrzehnte hinweg verkündete die PKK mehrfach Waffenruhen, die jedoch nie lange hielten. Am 21. März 2013 rief Öcalan anlässlich des kurdischen Neujahrsfestes die PKK auf, die Waffen niederzulegen - während Abgeordnete der pro-kurdischen Partei HDP - heute DEM - Verhandlungen mit der islamisch-konservativen Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan aufnahmen.

Untergrundkämpfer der PKK in ihrem Versteck in den Bergen des Nordiraks im Jahr 2007.

© Imago/IMAGO/ABC MEDYA

Öcalan forderte den Rückzug der 1500 bis 2000 Kurdenkämpfer aus der Türkei, um dem Friedensprozess eine Chance zu geben. Es war der erste richtige Waffenstillstand - doch auch dieser hielt nicht lange. Bereits 2015 endete die Waffenruhe wieder - nach einem tödlichen Anschlag auf kurdische Ziele nahe der syrischen Grenze.

Danach verstärkte die türkische Luftwaffe ihre Angriffe auf PKK-Ziele - es folgten verheerende Kämpfe im Südosten des Landes. Die PKK-Kämpfer zogen sich in den Nordirak und nach Syrien zurück. Die türkische Armee richtete in Nordsyrien eine international kritisierte „Sicherheitszone“ ein. Im Dezember 2024 räumt sie die Präsenz von 16.000 bis 18.000 Soldaten in dem Gebiet ein.

Im Oktober ging der ultrarechte, nationalistische MHP-Vorsitzende Devlet Bahceli auf die PKK zu. Er schlug vor, Öcalan solle im Parlament die Auflösung der PKK und einen Gewaltverzicht verkünden. Erdogan unterstützte den Vorschlag. Danach durfte eine Delegation der pro-kurdischen Partei DEM Öcalan erstmals einen Besuch im Gefängnis abstatten. (AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })