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Proteste gegen Erdogan: „Die Türkei ähnelt allmählich Putins Russland“
Widerstand aus der Zelle: Trotz Haft treibt Erdogan-Widersacher Ekrem Imamoglu die Proteste in der Türkei an. Unterstützung bekommt er von seiner Partei – die jetzt Neuwahlen fordert.
Stand:
Die Proteste in der Türkei gehen in eine neue Runde. An diesem Mittwoch beginnt eine Reihe von Kundgebungen der Opposition gegen die Inhaftierung von Präsidentschaftskandidat Ekrem Imamoglu und gegen die Regierung von Staatschef Recep Tayyip Erdogan.
Zweimal die Woche will Imamoglus Partei CHP möglichst viele Menschen auf die Straße bekommen, dazu kommen tägliche Veranstaltungen anderer regierungskritischer Gruppen – die Opposition habe einen „langen Atem“, sagt die CHP.
Allerdings können die Erdogan-Gegner bisher nur ihre eigenen Anhänger motivieren: Die Türkei ist gespalten.
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Opposition fordert Neuwahlen
Nach Imamoglus Festnahme am 19. März hatten Hunderttausende zehn Tage lang in Istanbul und anderen Städten gegen Erdogan protestiert. Der Präsident ließ seinen Widersacher Imamoglu nach Meinung vieler Türken unter fadenscheinigen Korruptionsvorwürfen von der regierungstreuen Justiz hinter Gitter bringen.
Ende März wurden die Proteste durch die Ferien am Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan unterbrochen, die viele Türken für einen Strandurlaub oder Familienbesuche nutzten.
Die Ferien endeten am Montag, und die CHP will nun wieder Druck auf Erdogan machen. Sie fordert Imamoglus Freilassung und Neuwahlen vor dem regulären Termin 2028.

© dpa/Tunahan Turhan
Die Oppositionspartei will ihre neuen Kundgebungen im Wechsel mittwochs in Istanbul und samstags in einer anderen Stadt organisieren. Der Auftakt soll am Mittwoch im Istanbuler Stadtteil Sisli stattfinden, einer Hochburg der CHP im europäischen Teil der Metropole.
Als Schauplatz der ersten Samstagskundgebung am kommenden Wochenende wählte die CHP die Stadt Samsun am Schwarzen Meer. Samsun war nach dem Ende des Ersten Weltkrieges der Startpunkt des Kampfes von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk für die Schaffung der türkischen Republik.

© Reuters/Murad Sezer
Studentengruppen und die türkische kommunistische Partei rufen diese Woche außerdem zu Kundgebungen und Boykottaktionen in der Hauptstadt Ankara, in der nordwesttürkischen Industriestadt Bursa, im westtürkischen Izmir und im zentralanatolischen Konya auf.
Imamoglu feuert die Regierungsgegner aus seiner Gefängniszelle heraus an. In einem Beitrag für die Oppositionszeitung „Sözcü“, der sich wie ein Wahlkampfmanifest las, warf er Erdogans Regierung vor, jeden Herausforderer und Andersdenkenden als Feind zu betrachten. Unter diesen Bedingungen „wird nichts besser, alles wird schlimmer“. Die regierende „Oligarchen-Struktur“ setze die Zukunft des Landes aufs Spiel.
Imamoglu spreche die Wähler der politischen Mitte in der Türkei an, sagt der ehemalige türkische Diplomat Ömer Murat, der im deutschen Exil lebt. Das sei der Grund, warum Erdogan seinen Rivalen aus dem Verkehr gezogen habe, sagte Murat dem Tagesspiegel.
An diesem Freitag werden zwei Prozesse gegen Imamoglu fortgesetzt, die bereits vor seiner Festnahme begonnen hatten. In einem Verfahren geht es um den Vorwurf der Manipulation von Ausschreibungen, in dem anderen um eine angebliche Beleidigung eines Staatsanwalts. „Die Türkei ähnelt allmählich dem Russland von Wladimir Putin“, sagte Ex-Diplomat Murat.
Die Opposition hofft, bei den neuen Protesten auch Anhänger des Regierungslagers auf ihre Seite ziehen zu können. Die AKP hat seit Imamoglus Festnahme in den Umfragen an Boden verloren, während die CHP selbst in Befragungen regierungsfreundlicher Institute zugelegt hat.
Allerdings halten viele AKP-Wähler weiter zu Erdogan. Nach einer Befragung des renommierten Instituts Konda finden 34 Prozent der Türken die Vorwürfe gegen Imamoglu falsch, 28 Prozent finden sie richtig, die restlichen 38 Prozent äußerten keine Meinung dazu.
An der Polarisierung zwischen Erdogan-Gegnern und -Anhängern hat sich durch Imamoglus Inhaftierung bisher nichts geändert.
Als die Opposition vorige Woche zu einem eintägigen Konsumentenstreik aufrief und Erdogans Regierung den Appell als wirtschaftsschädlich kritisierte, verzeichneten Einkaufszentren in Hochburgen der Opposition einen deutlichen Kundenrückgang, wie die regierungskritische Zeitung „Karar“ berichtete.
In Einkaufszentren in Gegenden mit AKP-Mehrheit nahm die Zahl der Kunden dagegen zu.
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