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Wladimir Putin im September 2022 in einer Halle im Kreml.

© imago/ITAR-TASS/IMAGO/Pavel Bednyakov

Putins Wohnung im Kreml: Journalisten analysieren Details aus Propaganda-Film

Anfang Mai hatte Russlands Machthaber anlässlich seines 25-jährigen Dienstjubiläums Einblicke in seine Kreml-Wohnung gegeben. Unabhängige russische Journalisten schauten sich den Film daraufhin genauer an.

Stand:

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine zeigt sich Russlands Machthaber Wladimir Putin weniger in der Öffentlichkeit. In vielen Videos, die sein Pressedienst veröffentlicht, glauben unabhängige Journalisten auch sogenannte Konserven zu erkennen – also Aufnahmen, die bereits älter sind, aber als neu bezeichnet werden.

Der einzige Reporter, der noch regelmäßig in Putins Nähe gelassen wird, ist Pawel Sarubin, ein vor dem Krieg weitgehend unbekannter Mann. Anfang Mai, als Putin sein 25-jähriges Dienstjubiläum beging, hatte der Kreml-treue Sarubin einen Propaganda-Film über den Machthaber veröffentlicht. Ein Teil davon: ein Rundgang durch „Putins Dienstwohnung im Kreml“.

Nachdem der Film erschienen war, hatten sich investigative russische Exil-Journalisten von „Proekt Media“ diesen genauer angeschaut, einen „Film über den Film“ gemacht und besonders auf die kleinen Details jenseits der Propaganda geachtet.

Betonung von nächtlichen Dreharbeiten

Laut Sarubin befindet sich die Kreml-Wohnung Putins in einem Teil des 2. und 3. Stocks des Senatspalastes (im Deutschen wäre dies der 1. und 2. Stock, da es im Russischen kein Erdgeschoss gibt). Besonders hervorgehoben wird in dem Propaganda-Film, dass die Dreharbeiten spät in der Nacht stattfanden, da Putin zuvor mehrere wichtige Auslandsgespräche geführt haben soll. Mit wem er zu nächtlicher Stunde allerdings gesprochen haben sollte, wird nicht klar.

Selbst zwischen Moskau und Washington gibt es lediglich einen Zeitunterschied von sieben Stunden, und aus den Protokollen über die Gespräche zwischen US-Präsident Donald Trump und Putin geht hervor, dass diese meist am frühen Abend Moskauer Zeit stattfinden.

„Proekt Media“ verweist auf ein altes Plakat von Stalin – und zieht einen Vergleich zu Putin.

© Proekt Media

Womöglich wollten die Kreml-Propagandisten hier einen ähnlichen Mythos wie über den angeblichen Workaholic Josef Stalin schaffen. Von diesem gab es damals ein Plakat, dass ihn bei nächtlicher Dunkelheit arbeitend am Schreibtisch zeigte, vor dem Fenster ein rubinrot leuchtender Stern und die Aufschrift „Stalin im Kreml kümmert sich um jeden von uns“.

Ikonen, Fernseher und der berühmte lange Tisch

Der Propaganda-Rundgang durch den Palast beginnt mit Putins Büro, in dem seine Amtseinführungszeremonien beginnen und das recht häufig in den Nachrichten zu sehen ist. Von dort aus gehen Putin und Sarubin an einem runden Saal vorbei, in dem der berühmte lange Tisch steht, an dem der Kreml-Herrscher etwa Altkanzler Olaf Scholz oder den französischen Präsidenten Emmanuel Macron empfangen hatte.

Schnell wurde dieser Tisch zum Gegenstand des Spottes – auch in Russland selbst. Als das Land und die Ukraine im Frühjahr 2025 wieder direkte Verhandlungen in der Türkei aufnahmen, scherzten die Russen, dass Putin zur Teilnahme nicht einmal hinfliegen müsse. Sein Tisch könne einfach nach Istanbul verlängert werden.

Russlands Präsident Wladimir Putin (l.) und der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Februar 2022 am langen Tisch im Kreml.

© dpa/MIKHAIL KLIMENTYEV

Im Anschluss betreten Putin und Sarubin ein kleines Wohnzimmer. Dort, vor Miniaturkopien der Krim-Brücke oder der Hauptkirche der russischen Streitkräfte und vor einem Porträt von Kaiser Alexander III., spricht der Kreml-Chef über Atomwaffen – immer wieder hatte er mit deren Einsatz gedroht.

Zu sehen ist auch ein Bild der Gottesmutter von Kasan, eine der meistverehrten Ikonen in Russland. Solche Abbilder sollen sich nach Recherchen von „Proekt Media“ und dem Ermittlerteam des verstorbenen Kreml-Kritikers Alexej Nawalny in allen Residenzen Putins befinden.

Putin vor einem Porträt von Alexander III.

© Proekt Media

Das Einzige, was der Machthaber noch mehr in seinen Häusern haben soll als Ikonen, sind Fernsehgeräte. Sie stehen demnach im Wohnzimmer, im Büro und sogar im Fitnessstudio. Nur in der Küche und in der Kapelle fehlen sie.

Fitnessgeräte, ein Liebherr-Kühlschrank und Blick auf den Roten Platz

Dann zeigt Sarubin Putins „persönliche Bibliothek“ und geht mit ihm ins „Fitnessstudio“. Auf dem Weg dorthin erzählt der russische Machthaber, dass er angeblich immer noch regelmäßig aufs Eis geht, um in Form zu bleiben, und fast jeden Tag im Pool schwimmt. Auf die Frage von Sarubin, wie oft Putin die Kreml-Wohnung besuche, antwortet Putin: „Ich habe in den letzten drei Jahren meistens hier übernachtet.“

Inwieweit das stimmt, ist fraglich. So hatte sich der russische Machthaber in den Anfangsjahren und in der Mitte seiner Regierungszeit noch regelmäßig bei sportlichen Aktivitäten vor der Kamera gezeigt – beim Tauchen oder beim Reiten ohne Shirt. In den vergangenen Jahren sprach er weiter davon, Foto- oder Videobeweise gibt es allerdings nicht mehr.

Besonders viel Raum nimmt sowohl im Propaganda-Film als auch im „Film über den Film“ die Besichtigung von Küche und Esszimmer ein. Dort erzählt Putin, wie sein Vater ihm aus Sparsamkeitsgründen beigebracht habe, niemals das Licht in einem Zimmer anzulassen.

„Proekt Media“ geht auf Einzelheiten in Putins Küche ein – hier zeigt der Machthaber Sarubin den russischen Kefir.

© Proekt Media

Zugleich spendiert er Sarubin russischen Kefir. In dem Film wird behauptet, dass die Moskauer Bürger die dort gezeigte Marke des Sauermilchgetränks zuhauf kaufen würden – eine Falschmeldung, wie die investigativen Journalisten von „Proekt Media“ feststellten.

Der Kühlschrank ist ganz im Propaganda-Stil mit grundlegenden Produkten aus dem Sortiment einer typischen russischen Supermarktkette gefüllt. Der Kühlschrank selbst ist allerdings ein ausländisches, teures Gerät der Schweizer Marke Liebherr. Das Unternehmen macht nach wie vor Geschäfte mit Russland, wenn auch eingeschränkt.

Ein Hauch von Luxus ist auch am Eingang der Küche zu sehen. Dort sind Flaschen mit Wasser der Marken Perrier und Voss zu sehen – zusätzlich zu einem 5-Liter-Plastikkanister gewöhnlichen Wassers, der in einer anderen Ecke steht.

Der Schmiergeldfall rund um die Kreml-Wohnung

Es wirkt nahezu symbolisch, dass Putin Sarubin 25 Jahre später die Innenräume zeigt, die ihm einst politisch einen Vorteil gebracht haben. Denn 1998 gab der Leiter der Immobilienverwaltung des damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin, Pawel Borodin, eine Generalüberholung der Arbeits- und Wohnräume im Kreml in Auftrag. Bei Schweizer Ermittlungen kam heraus, dass die beauftragte Firma Borodin Schmiergelder in Höhe von mindestens 25 Millionen Dollar dafür zahlte.

Doch der für das Strafverfahren zuständige Generalstaatsanwalt Juri Skuratow wurde wegen kompromittierender Videos entlassen und das Verfahren gegen Borodin letztlich eingestellt. Angeblich soll es Putin selbst gewesen sein, der das kompromittierende Material besorgt haben soll. Und das soll den inneren Kreis um Boris Jelzin beeindruckt haben. Bald darauf wurde er Chef des Geheimdienstes FSB und nur wenige Jahre später Regierungschef.

Wie viele Wohnsitze hat Putin?

Die zweistöckige Wohnung im Senatspalast ist natürlich bei Weitem nicht Putins einziges Zuhause. Offiziell gilt als Hauptwohnsitz des Präsidenten das Anwesen „Nowo-Ogarjowo“ an der Rublewo-Uspenskoje-Autobahn nahe Moskau. In dieser Gegend befinden sich auch viele Anwesen von Putins engsten Freunden, Mitarbeitern und von Milliardären.

In Sotschi am Schwarzen Meer hat der Präsident eine Residenz namens „Botscharow Rutschej, in der er häufig ausländische Staatsoberhäupter empfängt. Und ganz in der Nähe befindet sich der Palast am Kap Idokopas, den Alexej Nawalny im Rahmen seiner Ermittlungen im Jahr 2021 auf Youtube zeigte.

In den vergangenen Jahren gab es vermehrt Hinweise, dass sich Putin die meiste Zeit in einem Waldgut in Waldai, gelegen zwischen Moskau und St. Petersburg, aufhält. Hinzu kommen der Konstantin-Palast in Strelna am Finnischen Meerbusen, wo Putin einst den G8-Gipfel ausrichtete, sowie Residenzen in Karelien und auf der besetzten Krim.

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