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Mitglieder der Regierungstruppen feiern die Einnahme des Präsidentenpalastes in Khartum.

© dpa/-

Regierung erobert Hauptstadt Khartum zurück: Ist Sudans Bürgerkrieg nun zu Ende?

Nach knapp zwei Jahren Bürgerkrieg hat die Armee die sudanesische Hauptstadt wieder unter ihre Kontrolle gebracht. Millionen Sudanesen sind vertrieben, müssen hungern. Können sie nun hoffen?

Stand:

Die sudanesische Hauptstadt Khartum ist nach knapp zwei Jahren Bürgerkrieg wieder unter Kontrolle der Armee von Militärchef Abdel Fattah Al-Burhan. Die Menschen in Khartum feiern und die Regierungstruppen zeigen sich in Siegerposen im zerstörten Präsidentenpalast.

In dem Krieg wurden zehntausende Menschen getötet, mehr als zwölf Millionen sind auf der Flucht und fast 25 Millionen leiden nach UN-Angaben unter akutem Hunger – das ist etwa die Hälfte der Bevölkerung. Die Hilfsorganisation International Rescue Committee spricht von der größten humanitären Krise aller Zeiten.

Begonnen hatte der Krieg im April 2023. Auslöser war ein Konflikt zwischen dem obersten Armee-General Burhan und seinem damaligen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo – auch Hemeti genannt – über die Frage der Integration der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) in die Armee.

Nun feiert sich Burhan als Sieger. Aber ist der Krieg damit beendet?

Die Region Darfur bleibt weiter umkämpft

Der ehemalige UN-Sonderbeauftragte für Sudan, Volker Perthes, sieht mit Blick auf das gesamte Land weder den Krieg noch den Konflikt beendet. „Aber wenn die Regierungstruppen ihre Kontrolle stabilisieren können, ist der Krieg im Norden, Osten und im Zentralsudan vorbei.“

Dafür werden die Kämpfe im Westen des Landes, einschließlich der Region Darfur, weitergehen. „Von dort kommt die Mehrheit der RSF-Kämpfer, das ist ihre Heimat. Hier werden sie sich der Kontrolle durch Khartoum widersetzen“, sagt Perthes dem Tagesspiegel.

Daher ist Perthes skeptisch, dass die Armee den Westen des Landes auch erobern kann. Obwohl sie derzeit die große Stadt Al-Fashar beherrsche, die die RSF belagere.

Auch die Sudan-Forscherin Anette Hoffmann von der niederländischen Denkfabrik Clingendael sieht in der Zurückeroberung der Hauptstadt nur einen „großen strategischen Erfolg“ für die Regierungsarmee.

„Trotz all der Hoffnung, die diese Entwicklung unter vielen Sudanesen weckt, befeuert sie den Krieg“, glaubt die Expertin. Denn keine der beiden Kriegsparteien zeige Bereitschaft, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Solange die Waffenlieferungen der Vereinigten Arabischen Emirate an die Rebellenarmee weiter „auf Hochtouren“ liefen, werde die Regierungsarmee sie kaum besiegen können. Europa und die USA müssten daher auf Verhandlungen drängen.

Armeechef Abdel Fattah al-Burhan feiert sich als Sieger, aber die Region Darfur kontrolliert er nicht.

© REUTERS/Sudan Transitional Sovereignty Council

„Dies ist aber nur dann möglich, wenn sich der Westen traut, die Emiratis auf ihre Rolle im Konflikt anzusprechen.“ Ansonsten droht laut Hoffmann gar eine regionale Ausbreitung des Konflikts: Die Nachbarländer Tschad und Südsudan könnten in den Konflikt gezogen werden.

Teilung des Landes

Ansonsten sehen beide Experten die De-facto-Zweiteilung des Sudans verfestigt: In weiten Landesteilen herrsche dann ein islamistisches Militärregime – ähnlich wie jahrzehntelang unter Präsident Omar al-Bashir, der 2019 abgesetzt wurde. Mit Iran als Partner.

Und die gegnerische Armee beherrsche mehr oder weniger die Regionen Darfur und östlich davon Kordofan. RSF-Chef Hemeti habe bereits eine Regierung ausgerufen. „Allerdings gibt es außer Kenia und Libyen keine öffentlichen Unterstützer dieser Parallelregierung“, sagt Hoffmann.

Perthes geht davon aus, dass das Militärregime Burhans absehbar die internationale Anerkennung als rechtmäßige Regierung des Landes erhalten werde. Bisher habe man bei den UN von zwei Kriegsparteien gesprochen.

Der Politikwissenschaftler sagt, die Lage erinnere an die Jahre des Darfur-Konfliktes, der 2003 ausgebrochen war – nur mit veränderten Vorzeichen: Als tribale Milizen damals den Aufstand gegen das Regime in Khartoum wagten, nutzten dieses arabisch-stämmige Milizen zur Niederschlagung. Heute kämpfte die von arabisch-stämmigen Kämpfern dominierte RSF gegen die Regierungsarmee.

Leid der Bevölkerung

Für die sudanesische Bevölkerung insbesondere in der Region Darfur ist voraussichtlich kaum Erleichterung in Sicht. Hier leben laut UN-Schätzungen allein 1,6 Millionen Menschen, die aus dem Norden der Region vertrieben wurden.

Millionen Sudanesen sind auf der Flucht.

© REUTERS/ZOHRA BENSEMRA

Hoffmann erklärt, dass die RSF nicht in der Lage ist, die von ihr kontrollierten Landesteile zu verwalten. „Außer der Kriegswirtschaft – die vor allem aus dem Export von Vieh, Gold und Arabischem Gummi besteht – gedeihen nur Gewalt und der Hunger.“ Die RSF-Truppen „töten, vergewaltigen, plündern und hungern komplette Städte, Dörfer und Flüchtlingscamps aus“. 

Nach Ansicht von Perthes, wird es leichter werden, Hilfe nach Khartum zu bringen, aber möglicherweise wird es noch schwieriger, dass sie in Darfur ankommt. Denn der größte Teil der Hilfe komme über die Hafenstadt Port Sudan ins Land. „Es kommt darauf an, welche Hilfe zugelassen wird“, sagt Perthes.

Schlange am Wasserhahn in Wad Madani.

© AFP/-

Auch nach Angaben der Nothilfe-Sprecherin des UN-Kinderhilfswerks Unicef, Christine Kahmann, ist die Lage besonders in Darfur besorgniserregend: „Aktuell sind 825.000 Kinder in Nord-Darfur in Camps für Vertriebene in Al-Faschir und Zamzam vom Nötigsten abgeschnitten.“ Die Zugangswege seien durch Kämpfe blockiert.

„Es ist extrem schwierig, im Sudan Hilfe zu leisten“, sagt Hoffmann. Bürokratische Hürden und die vielen Kontrollpunkte verzögerten die Lieferung von Hilfsgütern oft enorm.

Verstümmelungen und Vergewaltigungen

Dabei sei der Bedarf an humanitärer Hilfe im Vergleich zu 2024 um 22 Prozent gestiegen, sagt die Unicef-Sprecherin. „Mehr als 16 Millionen Kinder, weitaus mehr Kinder, als in ganz Deutschland leben, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.“

Kahmann zeigt sich schockiert von den Eindrücken, die sie beim Besuch im Sudan vor wenigen Monaten bekam. Es komme zu Entführungen und Vergewaltigungen durch bewaffnete Männer – auch von Kleinkindern. „Allein im Januar und Februar dieses Jahres wurden bereits 221 Fälle sexualisierter Gewalt gegen Kinder dokumentiert.“

In Al-Faschar in Darfur wurden laut Hoffmann „in weniger als drei Monaten mehr als 70 Kinder getötet oder verstümmelt – und dies sind nur die verifizierten Fälle“. 

Daher fordert die Unicef-Sprecherin die künftige Bundesregierung auf, sich dringend für die Beendigung des Konfliktes und den Zugang für Hilfe einzusetzen. „Aber es scheint, als hätte die Welt den Sudan vergessen.“

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