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Ukrainische Soldaten auf einem Panzer in der russischen Grenzregion Kursk

© AFP/Roman Pilipey

Schützengräben und Truppenverstärkung: So will Russland die ukrainische Offensive in Kursk stoppen

Die Ukraine hat mehrere Hundert Quadratkilometer russischen Staatsgebiets unter ihre Kontrolle gebracht. Putin will die Offensive schnell beenden. Doch wie soll das gelingen?

Stand:

Russland versucht derzeit mit verschiedenen Mitteln den anhaltenden ukrainischen Vormarsch in der Grenzregion Kursk zu stoppen. Die US-Denkfabrik „Institute for the Study of War“ (ISW) sieht mehrere Anstrengungen auf russischer Seite.

Unterdessen gibt es über den ukrainischen Geländegewinn der seit Anfang August laufenden Offensive auf russischem Staatsgebiet unterschiedliche Darstellungen. Die Ukraine kontrolliert dort nach eigener Darstellung inzwischen etwa 1000 Quadratkilometer.

Laut dem amtierenden Gouverneur der russischen Region Kursk, Alexej Smirnow, ist die Fläche deutlich kleiner: Die Ukraine sei auf einer Breite von 40 Kilometern zwölf Kilometer tief in russisches Gebiet vorgedrungen, hatte er am Montag erklärt. Das wären etwa 480 Quadratkilometer.

Zudem habe die Ukraine etwa 30 Ortschaften in dem Gebiet unter ihre Kontrolle gebracht, teilte Smirnow mit. Zehntausende Menschen wurden bereits aus der Region evakuiert.

Zuletzt wurde die Evakuierung des Bezirks Gluschkow angeordnet. Hier leben etwa 20.000 Menschen.

Russlands Machthaber Wladimir Putin hatte am Montag erklärt, die vordringliche Aufgabe sei es nun, die ukrainischen Streitkräfte wieder vom russischen Staatsgebiet zu vertreiben. Das ISW hat mehrere Beobachtungen gemacht, wie Russland nun reagiert:


Russland baut Befestigungen und Schützengräben in Kursk

Die russischen Kräfte, die in der Region Kursk den ukrainischen Vorstoß stoppen sollen, befestigten laut den ISW-Experten zuletzt ihre Stellungen entlang der Autobahn E36 nordwestlich der von der Ukraine zumindest teilweise eroberten Stadt Sudscha. Die Hauptverkehrsroute führt von der russischen Gebietshauptstadt Kursk kommend Richtung Westen in die Ukraine.

Auf Satellitenbildern von Montag seien „mehrere neu ausgehobene Feldbefestigungen, einschließlich Schützengräben und Anti-Fahrzeug-Gräben“, südwestlich von Lgow zu erkennen, erläutern die Experten ihre Beobachtungen. Auch Satellitenaufnahmen, die am Dienstag veröffentlicht wurden, würden neue Befestigungen in dem Gebiet zeigen.

Das Satellitenbild zeigt eine neue Reihe von Verteidigungsgräben, die in der Nähe von Lgow gebaut wurden und sich östlich des Dorfes Selektsionnyi in Richtung des Stadtrandes von Lgow erstrecken.

© REUTERS/Maxar Technologies

Die Stadt liegt etwa 45 Kilometer von der russisch-ukrainischen Grenze entfernt und „etwa 17 Kilometer nördlich der behaupteten äußersten Grenze des ukrainischen Vormarsches im Gebiet Kursk“, heißt es im Lagebericht des ISW.

Die neuen Befestigungsanlagen lassen darauf schließen, „dass die russischen Streitkräfte über ein mögliches weiteres und schnelles mechanisiertes Vorrücken der Ukraine nach Norden im Gebiet Kursk besorgt sind“, erläutern die ISW-Experten. Mit der präventiven Sicherung der E36 sollen demnach ukrainische Manöver verhindert und wichtige Kommunikationslinien offengehalten werden.

„Die laufenden ukrainischen Operationen im Gebiet Kursk haben spürbare Auswirkungen auf die Verteidigung, die Logistik und die Sicherheit in Russland“, halten die Experten des ISW fest.

Das Satellitenbild zeigt eine neue Reihe von Verteidigungsanlagen, die in der Nähe von Lgow gebaut wurden.

© REUTERS/Maxar Technologies


Truppenverlegung in Richtung Kursk per Eisenbahn

Zudem plane Moskau eine „groß angelegte operative Verlegung von Truppen in Richtung des Gebiets Kursk“, zitiert der ISW-Lagebericht die oppositionelle Gemeinschaft der belarussischen Eisenbahner von Belarus. Ziel dürfte sein, die russischen Truppen in der Grenzregion zu verstärken.

Um das zu gewährleisten, soll die staatliche russische Eisenbahngesellschaft die staatliche belarussische Eisenbahngesellschaft bereits am Montag dazu angewiesen haben, keine Güterzüge aus Belarus über die Grenze Richtung Kursk fahren zu lassen. Das berichten die Eisenbahner auch auf ihrer Internetseite. Die Vorgabe bestehe „bis auf Widerruf“.

Neben der Vorgabe, keine belarussischen Güterzüge mehr über die Region Kursk zu leiten, berichtet die Oppositionsgruppe von einer „angespannter Situation bei der Verfügbarkeit von Lokomotiven und Lokomotivführern bei der russischen Eisenbahn“.

Das Problem bestehe zwar schon seit 2023, werde aber laut „Quellen“ durch die „Umgruppierung eines erheblichen Teils der Güterlokomotivflotte der Moskauer Eisenbahn zur Durchführung von Militärtransporten aus dem zentralen Teil Russlands“ verstärkt. Dadurch komme es auch zu Verzögerungen bei der Abfertigung belarussischer Güterzüge am Grenzübergang zur russischen Region Smolensk – nördlich von Kursk.

Die laufenden ukrainischen Operationen im Gebiet Kursk haben spürbare Auswirkungen auf die Verteidigung, die Logistik und die Sicherheit in Russland.

ISW-Lagebericht

Neben der Region Kursk gilt seit Mittwoch auch in der benachbarten Region Belgorod der Ausnahmezustand. Das ermöglicht es den Behörden, „den Verkehr innerhalb der Notstandsgebiete einzuschränken, um entweder die russische logistische Unterstützung (…) oder die russischen Verteidigungsmaßnahmen (…) zu sichern“, erläutern die Experten des ISW.


Moskau will wohl Rekruten nach Kursk schicken

Um die Truppen in der von der Ukraine angegriffenen russischen Region Kursk zu verstärken, setze die russische Regierung zudem ihre Rekrutierungsbemühungen fort, heißt es im ISW-Lagebericht weiter. Zudem könnten Wehrpflichtige und Kriegsdienstverweigerer in das Gebiet geschickt werden.

Wehrpflichtige des Frühjahrsjahrgangs aus den Gebieten Moskau, Leningrad, Kaliningrad, Swerdlowsk, Murmansk und Samara sollen zur Unterstützung der russischen Streitkräfte im Gebiet Kursk entsenden werden“, berichten die Experten unter Berufung auf einen Bericht des russischen Oppositionsmediums „Mobilization“ von Mittwoch.

Der Vorstoß habe zu Reaktionen von Menschenrechtsaktivisten und Angehörigen geführt, die gegen den Einsatz von Wehrpflichtigen im aktiven Kampf protestieren, heißt es.

Zudem würden die russischen Streitkräfte Wehrpflichtige, die die erste grenzüberschreitende ukrainische Offensive überlebt hätten, zwingen, an die Front im Gebiet Kursk zurückzukehren. Das berichtet das ISW ebenfalls unter Berufung auf russische Oppositionsmedien.

In Sankt Petersburg sei zuletzt der Transport von Dutzenden Kriegsdienstverweigerern in die umkämpfte russische Grenzregion Kursk vorbereitet worden, berichtet der unabhängige russische Telegram-Kanal „Astra“. Unter ihnen sollen sich auch „Männer mit schweren gesundheitlichen Problemen“ befinden.

„Einige von ihnen, die zu einem Truppenübungsplatz in der Nähe von Kursk gebracht wurden, sind bereits mit Maschinengewehren in eine unbekannte Richtung geschickt worden“, schreibt „Astra“. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht. Dennoch sollen sie belegen, dass die ukrainische Offensive Moskau relativ unerwartet getroffen hat.

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