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Benjamin Netanjahu, Regierungschef von Israel, liest eine frühere Erklärung vor.

© dpa/Richard Drew

Update

Schwere Gefechte zwischen Israel und Hisbollah: Netanjahu droht pro-iranischer Miliz mit weiteren Angriffen

Israel bombardierte in den vergangenen Tagen Hunderte Ziele im Libanon. Die Hisbollah schoss Raketen, die so weit reichen wie nie seit. Nun äußert sich Netanjahu zu den schweren Gefechten.

Stand:

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat sich zu den Schlägen gegen die pro-iranische Hisbollah-Miliz im Libanon der vergangenen Tage geäußert und mit weiteren Angriffen gedroht. „In den vergangenen Tagen haben wir der Hisbollah eine Reihe von Schlägen zugefügt, die sie sich niemals hätte vorstellen können“, erklärte Netanjahu am Sonntag.

„Wenn die Hisbollah die Botschaft nicht verstanden hat, verspreche ich, sie wird die Botschaft verstehen.“

Israels Armee und die Hisbollah-Miliz im Libanon haben sich in der Nacht erneut schwere Gefechte geliefert. Die proiranische Miliz feuerte in der Nacht Dutzende Raketen auf den Norden Israels ab, die so weit reichten wie noch nie seit Beginn der Angriffe der Hisbollah auf Israel vor fast einem Jahr.

Rettungskräfte arbeiten an einem Haus, das nach einem Raketenangriff aus dem Libanon beschädigt wurde.

© REUTERS/SHIR TOREM

Die meisten seien abgefangen worden, teilte die israelische Armee mit. Berichte über Tote gab es nicht. Sanitäter meldeten sechs Verletzte. Nachdem die israelische Luftwaffe nach eigenen Angaben seit Samstagnachmittag rund 400 Ziele im Libanon attackiert hatte, flog sie am Morgen weitere Angriffe gegen Stellungen der Hisbollah im Libanon, wie die Armee mitteilte.

In den vergangenen Stunden habe die Hisbollah aus der Luft etwa 115 Angriffe auf zivile Gebiete im Norden Israels durchgeführt, hieß es. Die Streitkräfte seien zur Verteidigung in dem Gebiet im Einsatz und befänden sich in höchster Bereitschaft, um die Bedrohungen zu vereiteln. Israels Armee werde ihre Angriffe gegen die Miliz fortsetzen „und intensivieren“, hieß es weiter.

Sorge vor Bodenoffensive Israels

Es herrschte die Sorge vor einer möglichen Bodenoffensive Israels im Süden des Nachbarlands. Israel will die Hisbollah wieder aus dem Grenzgebiet verdrängen, um die Sicherheit seiner Bürger im Norden zu gewährleisten.

Angesichts der Eskalation verschärfte die Armee am frühen Morgen die Einschränkungen für Bewohner im Norden Israels. Unter anderem auf den Golanhöhen und in der Küstenstadt Haifa durfte kein Unterricht stattfinden.

Die Regierung habe die Kriegsziele aktualisiert und um die „sichere Rückkehr der Bewohner des Nordens in ihre Häuser“ erweitert, erklärte Netanjahus Büro.

In seiner nun veröffentlichten Erklärung bekräftigte Netanjahu am Sonntag das Ziel seiner Regierung, die Hisbollah-Angriffe auf den Norden Israels zu stoppen, damit die von dort vertriebenen Menschen zurückkehren können.

„Wir sind entschlossen, dies so zu tun, dass die Bewohner im Norden in völliger Sicherheit zu sich nach Hause zurückkehren können“, erklärte er. „Kein Land kann Angriffe auf seine Bürger, Angriffe auf seine Städte hinnehmen. Und wir, der Staat Israel, werden das auch nicht hinnehmen.“

USA rufen Staatsbürger zum Verlassen des Libanons auf

Die USA rufen angesichts der Eskalation ihre Staatsbürger zum Verlassen des Libanons auf. Aufgrund der unvorhersehbaren Entwicklung „und der jüngsten Explosionen im gesamten Libanon“ einschließlich der Hauptstadt Beirut rate die US-Botschaft ihren Landsleuten „dringend, den Libanon zu verlassen, solange noch kommerzielle Optionen verfügbar sind“, teilte das US-Außenministerium mit. Noch gebe es Flüge, aber mit reduzierter Kapazität. 

Israelische Soldaten drangen unterdessen nach Angaben des arabischen TV-Senders Al-Dschasira im frühen Morgen in die Büros des Unternehmens im besetzten Westjordanland ein und verfügten die vorläufige Schließung. Schwer bewaffnete und maskierte israelische Soldaten hätten das Gebäude betreten und eine 45-tägige Schließung verhängt, hieß es.

Einen Grund für diese Entscheidung hätten sie nicht genannt. Die israelische Regierung hatte bereits im Mai ein Notfallgesetz genutzt, den Betrieb des Senders in Israel einzustellen.

Dieses Bild aus einem von Al-Dschasira English zur Verfügung gestellten Video zeigt eine Razzia israelischer Truppen in ihrem Büro in Ramallah, Westjordanland.

© dpa/AP/Al-Dschasira

Bericht: Israel schließt Al-Dschasira-Büro im Westjordanland

Das sogenannte Al-Dschasira-Gesetz ermöglicht Israels Regierung eine Schließung ausländischer TV-Sender, wenn diese als Risiko für die Sicherheit des Staats eingestuft werden. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte den arabischen Sender als „Sprachrohr“ der islamistischen Hamas bezeichnet, das der Sicherheit Israels geschadet habe. Al-Dschasira hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und von einem „kriminellen Akt“ gesprochen.

Die ohnehin gespannte Lage im Westjordanland hat sich seit dem Massaker der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel und dem dadurch ausgelösten Gaza-Krieg deutlich verschärft. Seitdem wurden dort nach Behördenangaben in Ramallah bei israelischen Militäreinsätzen, bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschlägen von Extremisten Hunderte Palästinenser getötet.

Pro-iranische Hisbollah-Kämpfer tragen den Sarg eines der drei Kommandeure der Elitebrigade al-Radwan, die bei einem israelischen Luftangriff auf einen südlichen Vorort von Beirut getötet wurden.

© dpa/Marwan Naamani

Derweil wächst die Sorge, dass sich der Konflikt zwischen Israels Streitkräften und der mit der Hamas verbündeten Hisbollah im Libanon zum Flächenbrand entwickelt. Man habe im Süden des Nachbarlandes „umfangreiche Angriffe durchgeführt“, nachdem Vorbereitungen der Hisbollah für einen Beschuss israelischen Gebiets festgestellt worden seien, teilte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am Abend mit. Die etwa 400 im Libanon getroffenen Raketenwerfer der Hisbollah hätten Tausende Raketenabschussrohre umfasst. 

Bericht: USA hoffen auf diplomatische Lösung 

Am Freitag hatte Israels Armee einen Angriff auf einen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut ausgeführt und dabei nach eigenen Angaben 16 Hisbollah-Mitglieder getötet, darunter der ranghohe Hisbollah-Militärkommandeur Ibrahim Akil, dem der Angriff nach Angaben des israelischen Militärs gegolten hatte. Auch mehrere andere ranghohe Hisbollah-Kommandeure wurden dabei getötet.

Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums kamen bei dem Angriff insgesamt mindestens 45 Menschen ums Leben, darunter auch drei Kinder.

Die US-Regierung sei nach Aussagen von Beamten „äußerst besorgt“ über das Risiko eines umfassenden Krieges zwischen Israel und dem Libanon, berichtete das Nachrichtenportal „Axios“. Washington hoffe aber, den zunehmenden militärischen Druck Israels auf die Hisbollah nutzen zu können, um eine diplomatische Einigung zu erzielen, damit Zivilisten auf beiden Seiten der israelisch-libanesischen Grenze in ihre Häuser zurückkehren können.

Mit diplomatischem und zunehmendem militärischem Druck möchte Israel erreichen, dass die Hisbollah sich aus dem Grenzgebiet zurückzieht, so wie es eine UN-Resolution vorschreibt. Sobald die grenznahe Region wieder sicher ist, sollen 60.000 geflüchtete Israelis in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehren. 

Die proiranische Schiiten-Miliz will ihre Angriffe auf Israel jedoch erst einstellen, wenn es zu einer Waffenruhe zwischen Israel und der mit ihr verbündeten islamistischen Hamas im Gazastreifen kommt. Israel und die USA suchten nach Möglichkeiten, die Hisbollah-Miliz von der Hamas abzukoppeln, berichtete „Axios“ weiter.

Erneut Massenproteste in Israel

Die Bemühungen um eine Waffenruhe in Gaza und die Freilassung der dort weiter festgehaltenen Geiseln in der Gewalt der Hamas drehen sich seit Wochen im Kreis. In Israel gingen am Abend nach örtlichen Medienberichten erneut Zehntausende Menschen auf die Straße, um eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln zu fordern. Die Organisatoren hätten sogar von Hunderttausenden Teilnehmer in Tel Aviv und anderen Städten gesprochen.

In Israel gingen erneut zehntausende Menschen auf die Straße.

© REUTERS/Amir Cohen

„Beendet das Blutvergießen“, war auf einem Protestschild zu lesen. „Liri - entschuldige“, sagte der Vater einer entführten Frau auf einer Kundgebung in Tel Aviv. Vor allem einige rechtsextreme Minister seien schuld, dass noch immer kein Abkommen mit der Hamas für ein Ende des Kriegs und die Freilassung der Geiseln zustande gekommen sei, sagte der Vater.

Kritiker von Regierungschef Netanjahu werfen ihm vor, die indirekten Verhandlungen mit den Islamisten zu sabotieren. Netanjahu regiert mit ultra-religiösen und rechtsextremen Koalitionspartnern, die Zugeständnisse an die Hamas ablehnen. Netanjahu, gegen den ein Korruptionsprozess läuft, ist für sein politisches Überleben auf diese Partner angewiesen. (dpa/AFP)

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