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Kreml spricht von „unverantwortlicher“ Aussage: Selenskyj droht russischer Führung mit Angriff auf Moskau
Der ukrainische Präsident droht mit direkten Attacken auf den Kreml. Moskau reagiert scharf. Aber wie realistisch wäre ein ukrainischer Angriff überhaupt?
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Bisher hat sich die Ukraine hauptsächlich im eigenen Land gegen die russische Invasion gewehrt, dazu kamen Angriffe auf Militärstandorte und die fossile Produktion in Russland. Nun jedoch verändert der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Ton. Für den Fall einer Fortsetzung des russischen Angriffskrieges hat er mit Attacken auf den Kreml gedroht.
„Sie müssen wissen, wo ihre Bombenkeller sind. Wenn sie den Krieg nicht beenden, werden sie diese in jedem Fall brauchen“, sagte der Staatschef in einem Interview für The Axios Show in New York.
Es soll keine Angriffe auf zivile Ziele geben
Dabei hofft Selenskyj auf die Lieferung von nicht näher bezeichneten Waffen mit großer Reichweite aus den USA. Gleichzeitig schloss er aber Angriffe auf zivile Ziele aus. „Wir sind keine Terroristen“, sagte der Ukrainer. Er hatte sich schon in der Vergangenheit in seinem Amtssitz auch vor einem Gemälde, das den Kreml in Flammen zeigt, demonstrativ fotografieren lassen.
Seit Beginn der Invasion im Februar 2022 greift Russland auch die Zivilbevölkerung in der Ukraine aus der Luft mit Drohnen und Raketen an. Bei ukrainischen Gegenangriffen auf russische Infrastruktur hat es auch zivile Opfer gegeben, allerdings deutlich weniger.
Kreml-Sprecher nennt Drohung „unverantwortlich“
Moskau hat Selenskyjs Drohung als „unverantwortlich“ zurückgewiesen. Der ukrainische Präsident stoße im Zuge seiner „verzweifelten Bemühungen“ ständig Drohungen aus, „was ziemlich unverantwortlich ist“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag bei einer Pressekonferenz in Moskau. Russland hatte Anfang September bei seinen bisher schwersten Luftangriffen auf die Ukraine zum ersten Mal den Regierungssitz in der Hauptstadt Kiew attackiert.
Auch Medwedew keilt zurück
Vor Peskow meldete sich bereits der frühere Kremlchef Dmitri Medwedew zu Wort. Er warnte Selenskyj scharf und drohte mit einem Schlag gegen Kiew. „Was der Freak wissen muss, ist, dass Russland Waffen anwenden kann, gegen die kein Bomben-Bunker Schutz bietet. Die Amerikaner sollten das auch im Hinterkopf behalten“, schrieb Medwedew auf X mit Blick auf Selenskyjs Bitten, die USA mögen solche Waffen zur Verfügung stellen.
Medwedew fällt immer wieder mit extremen Drohungen oder Beleidigungen auf, er gehört zu den bekanntesten Scharfmachern des Moskauer Regimes.
Wie realistisch ist es, dass die Ukraine den Kreml angreift? Aus politischer Sicht erscheint eine Attacke wenig sinnvoll, birgt sie doch die Eskalationsgefahr eines massiven russischen Gegenschlags. Schaut man auf das Waffenarsenal der Ukraine, zeichnet sich die Fähigkeit zu so einem weit reichenden Angriff jedoch mehr und mehr ab – auch ohne Unterstützung der USA.
Welche Waffen könnte die Ukraine auf den Kreml feuern?
Im Mai 2023 explodierten zwei Drohnen über dem Gelände des Moskauer Kreml, dem Sitz des russischen Präsidenten. Kiew stritt damals jedoch eine Beteiligung ab. Inzwischen verfügt das ukrainische Militär nach Aussage von Selenskyj über Kampfdrohnen, die bis zu 3.000 Kilometer weit fliegen.
Der Kreml ist nur gut 450 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Damit ist er auch in Reichweite bestimmter Raketen und Marschflugkörper, die deutlich mehr Schaden anrichten können als Drohnen.
Die Ukraine hat die Entwicklung eigener ballistischer Raketen angekündigt und sie baut bereits „Mini-Marschflugkörper“ namens Ruta und Peklo, die nach Angaben des Waffenexperten Fabian Hoffmann Distanzen von 500 bis 800 Kilometern überbrücken können.
Außerdem hat Kiew jüngst einen Marschflugkörper namens „Flamingo“ vorgestellt, der bis zu 3000 Kilometer weit fliegt. Er ist zwar nicht so präzise wie der deutsche Taurus, den die Ukraine bisher offenbar nicht bekommen hat, die Zerstörungskraft des Flamingos ist jedoch auch groß.
Darüber hinaus wurde die Ukraine von ihren Verbündeten mit weit reichenden Marschflugkörpern beliefert. Wie viele davon noch im Arsenal sind, ist nicht bekannt. Ohnehin ist bei den Modellen aus Frankreich und dem Vereinigten Königreich fraglich, ob sie den Kreml erreichen könnten, auch weil beim Start von Kampfflugzeugen aus ein Sicherheitsabstand zur russischen Flugabwehr beachtet werden müsste.
Sowieso hängt es von der russischen Abwehr ab, ob die Ukraine den Kreml treffen könnte. Sie dürfte rund um den Moskauer Regierungssitz sehr gut sein. (mit dpa/AFP)
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