zum Hauptinhalt
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M.) und Gitanas Nauseda (r.), Präsident von Litauen, besuchen auf dem Truppenübungsplatz Pabrade während einer Übung die Panzerbesatzungen des multinationalen eFP-Gefechtsverbandes Litauen.

© dpa/Soeren Stache

Steinmeier in Litauen : Wie stark muss sich Deutschland an der Nato-Ostflanke engagieren?

Für den Bundespräsidenten war es kein Routine-Besuch an der Nato-Ostflanke. Die Staaten wünschen sich noch mehr Unterstützung von Deutschland und der Nato.

Der Wind trägt das Dröhnen der Panzer über den Übungsplatz im litauischen Pabrade, zusammen mit Wolken aus gelbem Staub. Gerade hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen Marder-Panzer zeigen lassen. Jetzt steht er gemeinsam mit seinem litauischen Amtskollegen Gitanas Nauseda in einem Zelt einer Gruppe von deutschen Soldaten und ihren Angehörigen gegenüber.

Der Truppenübungsplatz ist von der belarussischen Grenze nur wenige Kilometer entfernt. Hier an der Ostflanke der Nato ist die Bedrohung durch Russland deutlich spürbar. „Ihr seid nicht hier für den Krieg, ihr seid hier für den Frieden“, sagt Nauseda zu den deutschen Soldatinnen und Soldaten. Doch ihnen ist klar: Sie sind im Ernstfall zur Verteidigung hier. Und so ist auch Steinmeiers Besuch in Litauen an diesem Dienstag mehr als nur Routine.

Der Bundespräsident will die Unterstützung der Bundesrepublik für die Staaten an der Nato-Ostflanke bekräftigen. Steinmeier weiß: Sie wünschen sich eigentlich ein noch größeres Engagement von Deutschland und der Nato.

Steinmeier ist am Vorabend in Litauens Hauptstadt Vilnius gelandet. Ungewöhnlich: Er hat in seiner Maschine auch zwölf Angehörige der im litauischen Rukla stationierten Deutschen an Bord. Ein halbes Jahr jeweils bleiben die Soldatinnen und Soldaten vor Ort. Für die Familien ist das hart.

Ein mit grüner Flagge gekennzeichneter Schützenpanzer „Marder“ fährt auf dem Truppenübungsplatz Pabrade während eines Besuchs von Bundespräsident Steinmeier.
Ein mit grüner Flagge gekennzeichneter Schützenpanzer „Marder“ fährt auf dem Truppenübungsplatz Pabrade während eines Besuchs von Bundespräsident Steinmeier.

© dpa/Soeren Stache

Eine Frau berichtet, dass ihr Sohn in dieser Zeit einen schweren Autounfall gehabt habe – ihr in Litauen stationierter Mann wäre gern für die Familie da gewesen. Bereits seit mehreren Monaten hat sie ihn nicht gesehen. Als die Präsidentenmaschine in Vilnius landet, wartet ihr Mann mit den anderen im Sonnenuntergang auf dem Rollfeld. Es sind Bilder wie gemacht für die Abendnachrichten. Die politischen Gespräche warten auf Steinmeier erst am nächsten Tag.

Unterschiedliche Auslegungen von Brigade-Zusagen

2017 startete die Nato wegen des zunehmenden Bedrohungspotentials aus Russland mit der Verlegung von Soldaten nach Polen und in die baltischen Staaten. Die Mission Enhanced Forward Presence sollte die Sicherheit der osteuropäischen Nato-Mitgliedsstaaten erhöhen.

Deutschland hat die Führung der „Battlegroup“ in Litauen inne, die in Rukla stationiert ist, gut eine Autostunde von Vilnius entfernt. Etwa 800 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind vor Ort. Insgesamt 1500 Soldaten aus verschiedenen Nationen.

Deutschland hatte Litauen im Sommer 2022 zudem versprochen, eine deutsche Brigade für die Verteidigung Litauens bereitzustellen. In Litauen verstand man das so, dass die ganze Brigade in Litauen stationiert werden soll. Das kleine Land, das sich selbst nicht gegen Russland verteidigen könnte, hätte die Kräfte gern im eigenen Land.

Deutschland hingegen legte die Zusage so aus, dass nur ein Gefechtsstand der Bundeswehr – das sogenannte Forward Command Element – in Litauen dauerhaft vor Ort sein soll. Dazu gemeinsame Übungen. In einer Bedrohungssituation, so die Idee, soll innerhalb von zehn Tagen die in Deutschland bereit gehaltene Brigade an die Ost-Flanke verlegt werden. Die unterschiedlichen Auslegungen der deutschen Zusage sorgten für Irritationen. Der „Spiegel“ schrieb von einer „Geisterbrigade“.

Steinmeier irritierte früher im Baltikum

Im April reiste Präsident Gitanas Nauseda nach Berlin und traf Kanzler Olaf Scholz. Hinterher sagte Nauseda, Scholz und er hätten sich darauf geeinigt, dass eine deutsche Brigade nach und nach in Litauen stationiert werden solle. „Es gibt darüber keinen Streit zwischen der politischen Führung in Deutschland und in Litauen“, erklärt auch Steinmeier nach einem Gespräch mit Nauseda am Dienstagvormittag in Vilnius. Doch einen Zeitplan, wann wie viele deutsche Soldaten nach Litauen verlegt werden, gibt es auch nicht.

Nauseda betont, Litauen werde die Infrastruktur für die deutschen Soldaten bereitstellen, beschleunige diesen Prozess sogar. Bis 2026 soll alles stehen. Der Litauer wird bei der Pressekonferenz recht deutlich: „Wir bauen keine Infrastruktur nur dafür, dass dann Kasernen leer stehen. Da müssen Soldaten untergebracht werden.“ Nun müssen die Verteidigungsminister der beiden Staaten miteinander aushandeln, wie es weitergeht.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (2.v.r) besucht auf dem Truppenübungsplatz Pabrade während einer Übung.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (2.v.r) besucht auf dem Truppenübungsplatz Pabrade während einer Übung.

© dpa/Soeren Stache

Am Dienstag in Vilnius betont Steinmeier: „Deutschland steht zu seiner Verantwortung in der Nato, in Europa. Gemeinsam werden wir jeden Quadratzentimeter des Nato-Bündnisgebietes verteidigen“. In den baltischen Staaten wurde Steinmeier nicht immer unkritisch gesehen.

Zu seiner Zeit als Außenminister versuchte er den Spagat zwischen Abschreckung und einem Dialog mit Russland. Das führte auch zu Verärgerung bei den baltischen Partnern. 2016 noch kritisierte Steinmeier Nato-Manöver in Osteuropa. „Was wir jetzt nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen“, sagte er damals. Bei den Balten war der Ärger groß.

Mit Litauens Präsident Nauseda zeigt sich Steinmeier bei seinem Besuch in Vilnius einmütig. Die Balten wissen das deutsche Engagement zu schätzen. Nauseda macht dennoch klar, dass es aus seiner Sicht eine noch größere Präsenz der verbündeten Streitkräfte in der Region bräuchte.

Am Nachmittag fahren die beiden Präsidenten zum Truppenübungsplatz nach Pabrade. Hierher kommen die Soldatinnen und Soldaten immer wieder für Schießübungen. Doch besichtigen kann Steinmeier diese Übungen nicht. In einem nahegelegenen Waldstück brennt es - zu viele Schüsse könnten die Löscharbeiten behindern. Damit der Bundespräsident etwas zu sehen bekommt, fahren Marder- und Leopard-2-Panzer für ihn auf.

Interessant ist aber noch eine andere Beobachtung. Als sich Steinmeier auf den Weg zurück zum Flughafen macht, fährt seine Kolonne an zahlreichen Sandhügeln vorbei. Wer nachfragt, erfährt: Die Infrastruktur wird auch hier ausgebaut. Damit bald noch mehr Truppen vor Ort sein können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false