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Thank God It’s International Friday 28: Signal-Störung im Weißen Haus
Die Themen der Woche: Kaja Kallas und die baltische Frauen-Power | Putins Versagen in der Ukraine | Wie Europa stark wird | Jeffrey Goldbergs tiefe Einblicke in die US-Kriegsführung

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Tief einatmen und die Luft der Freiheit spüren. Das war es, was Kaja Kallas’ Vater seinen Kindern im Herbst 1988 auftrug, als die Familie der heutigen EU-Außenbeauftragten während eines Berlin-Urlaubs auf dem Pariser Platz stand. Auf der Ostseite des Brandenburger Tors, mit Blick auf die andere Seite der Mauer.
Diese Anekdote hat Kaja Kallas gestern Abend erzählt, als sie gemeinsam mit der lettischen Premierministerin Evika Silina und der ehemaligen litauischen Regierungschefin Ingrida Šimonytė den Kissinger-Preis der American Academy in Berlin verliehen bekam.

© dpa/Christoph Soeder
Der Moment hatte etwas Magisches. Denn der Raum, in dem Kallas ihre Auszeichnung entgegennahm, lag am Pariser Platz – nur wenige Meter von dem Ort entfernt, an dem sie mit ihrer Familie vor 37 Jahren sehnsüchtig auf die Westseite der Mauer in Richtung Freiheit geblickt hatte.
Das baltische Wunder
Als „absolutes Wunder“ bezeichnete Wolfgang Ischinger in seiner Laudatio die Tatsache, dass die drei baltischen Staaten 2004 der Nato beitreten konnten. Noch wenige Jahre zuvor sei das kaum vorstellbar gewesen.
Der ehemalige Diplomat erzählte, wie er im November 1990 mit Bundeskanzler Helmut Kohl und Außenminister Hans-Dietrich Genscher am KSZE-Sondergipfel teilnahm. Damals wurde die „Charta von Paris“ verhandelt, die eine neue Ära in Europa einläuten sollte. Mit ihr sollte die Grundlage einer europäischen Friedensordnung nach der deutschen Wiedervereinigung und dem Ende des Kalten Kriegs geschaffen werden.
Kein einziger Balte sei damals mit am Tisch gewesen, berichtete Ischinger. Denn die sowjetische Delegation habe gedroht, sofort den Raum zu verlassen, wenn auch nur ein Vertreter aus Estland, Lettland und Litauen anwesend sei.
Europa ohne Wenn und Aber verteidigen
Das kommt einem doch irgendwie vertraut vor dieser Tage. Für mich verdeutlicht es auch einmal mehr, worum es gerade geht: das Europa zu verteidigen, das wir seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufgebaut haben. Denn der russische Präsident Wladimir Putin macht keinen Hehl daraus, dass er seine imperialistischen Ambitionen ungetrübt weiterverfolgt.
In meinem Leitartikel habe ich diese Woche argumentiert: Europa muss jetzt zeigen, dass es für die Werte steht, auf die es gegründet wurde. Es ist keine Zeit mehr, auf Viktor Orbáns Erpressungsversuche einzugehen oder langwierige Diskussionen zu führen. Es braucht ein enges Bündnis von Ländern, das Europa jetzt voranbringt. 👇
So kann Europa stark werden
Als der französische Präsident Emmanuel Macron im September 2017 in einer Rede an der Pariser Universität Sorbonne seine Vision der europäischen Souveränität formulierte, wurde dies von vielen als unrealistischer Traum belächelt. Das hat sich seitdem grundlegend geändert. Heute betrachten viele Europäer die Souveränität als unabdingbares Ziel.
Wie gelingt der Weg dorthin? Darüber haben meine Kollegen und ich diese Woche bei der EUROPE 2025, der Konferenz der vier DvH-Medien Die ZEIT, Handelsblatt, WirtschaftsWoche und Tagesspiegel, unter anderem mit Außenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius diskutiert. Lesen Sie hier den Bericht meines Kollegen Christopher Ziedler. 👇
Meine Kolleginnen Hannah Wagner und Maxi Beigang haben am Rande der Konferenz mit dem estnischen Außenminister Margus Tsakhna gesprochen. „Putin hat in der Ukraine völlig versagt“, ist seine These. Lesen Sie das ganze Interview hier. 👇
Ein historischer Sieg für Lettland
Ein mit Wasser überfluteter Tisch. Ich hatte mein Glas umgestoßen. So begann gestern mein Interview mit der lettischen Premierministerin Evika Silina, einer der drei Empfängerinnen des Kissinger-Preises. Mir war es natürlich sehr peinlich, sie fand es lustig. Und nutzte es gleich als Aufhänger, um mir beim Aufwischen vom jüngsten Erfolg ihres Landes zu erzählen.
Ein Lette hat vor kurzem zum ersten Mal einen Oscar gewonnen: Gints Zilbalodis für seinen Animationsfilm „Flow“. Er erzählt die Geschichte einer Gruppe von Tieren, die vor einer riesigen Flut fliehen.
Zwei Dinge finde ich daran besonders spannend: Der Film wurde mit einer kostenlosen Open-Source-Software hergestellt. Und er kommt komplett ohne Dialog aus. Er zeigt, wie die Tiere über „Sprachbarrieren“ und Unterschiede hinweg zusammenarbeiten, um zu überleben. Welch passende Botschaft in diesen Zeiten.
„Können wir mit den USA nach dem Signal-Skandal diese Woche eigentlich noch vertraulich kommunizieren?“, habe ich Evika Silina gefragt. Da musste sie erst einmal lachen. Was sie dann darauf geantwortet hat, können Sie in den kommenden Tagen im Tagesspiegel lesen.
Wie man einen weltweiten Shitstorm verursacht
Apropos „Signal Gate“. Eines vorweg: Ich bin ein großer Fan des Magazins The Atlantic. Ich lese es seit langem und bin immer wieder beeindruckt von der journalistischen Leistung der Kolleginnen und Kollegen dort.
Die Arbeit von Jeffrey Goldberg, dem Chefredakteur des Atlantic, verfolge ich seit vielen Jahren. Genau genommen seit April 2013. Denn damals erschien Goldbergs legendäres Interview mit dem jordanischen König Abdullah II. Ich lebte und arbeitete damals in Jordanien. Und ich kann Ihnen sagen: Das Interview hat derartige Wellen geschlagen, dass man kurz dachte, das ganze Land könnte darüber ins Wanken geraten. Bis heute wird daraus zitiert. Eine journalistische Meisterleistung höchster Güte.
Und auch diese Woche hat Goldberg bewiesen, dass er ein Ausnahmejournalist ist. Dass ausgerechnet er einer Signal-Chatgruppe hinzugefügt wurde, in der sich Trumps engster Beraterkreis, darunter US-Vizepräsident Vance, Verteidigungsminister Hegseth und der Nationale Sicherheitsberater Waltz über die US-Kriegsführung im Jemen austauschten, wirkt wie eine feine Ironie der Geschichte.
Das Beben, das die Vorgänge in Washington ausgelöst haben, beschreibt Juliane Schäuble, die US-Korrespondentin des Tagesspiegels in der aktuellen Ausgabe ihres Newsletters Washington Weekly. Müssen Verteidigungsminister Pete Hegseth und der Nationale Sicherheitsberater Michael Waltz nun gehen? Juliane Schäuble skizziert drei mögliche Szenarien. Lesen Sie hier. 👇
Lust auf Diskussion?
Warum ein Krieg mit Russland droht und wie die Bundesregierung ihn verhindern kann –darüber hat mein Kollege Christoph von Marschall gerade ein Buch geschrieben. Sie wollen ihm dazu gerne ein paar Fragen stellen? Dann seinen Sie beim nächsten „High Noon“-Talk des Tagesspiegels mit dabei.
Mit Christoph und dem CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter diskutiere ich am kommenden Dienstag, dem 1. April, über die aktuellen Gefahren für Europa und die Aufgaben der neuen Bundesregierung. Hier können Sie sich anmelden.
Das war’s von mir für heute. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Herzlich
Ihre Anja Wehler-Schöck
P.S.: Vielen Dank an Johannes Altmeyer fürs Feedback und an Maria Glage für die Graphik!
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