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In Mekka versammeln sich Hunderttausende Menschen um die Kaaba, das heiligste Heiligtum des Islam.

© dpa/Saudi Press Agency/Uncredited

Tödliche Pilgerfahrt: Wie Saudi-Arabien Mekka mit KI und Apps sicherer machen will

Der Golfstaat setzt beim Hadsch auf künstliche Intelligenz. Sie soll die Überwachung der Massen erleichtern – und womöglich Leben retten. 2024 starben mehr als Tausend Menschen in der Hitze.

Stand:

Saudi-Arabien holt die islamische Pilgerfahrt Hadsch ins 21. Jahrhundert – mithilfe von Drohnen und künstlicher Intelligenz.

Beides wollen die Behörden des Königreiches ab diesem Mittwoch einsetzen, um die knapp zwei Millionen Pilger aus aller Welt in den heiligen Städten Mekka und Medina lenken und potenzielle Gefahren frühzeitig erkennen zu können.

Der Hadsch gehört neben dem Glaubensbekenntnis, den täglichen Gebeten, dem Fasten im Ramadan und der Mildtätigkeit zu den fünf Grundpflichten im Islam. Diesmal trafen nach Medienberichten vor dem Beginn der Feiertage bereits 1,2 Millionen Menschen in Saudi-Arabien ein.

Für das Königreich ist die Wallfahrt vom 4. bis zum 9. Juni eine wichtige Einnahmequelle und eine Gelegenheit, sich als hochmoderner Staat in Szene zu setzen. Es ist Teil der Politik von Kronprinz Mohammed bin Salman. Auch bei der kürzlichen Nahost-Reise von US-Präsident Donald Trump spielten KI-Projekte bereits eine große Rolle.

„Grundsätzlich ist das Geschäftsfeld für die Golf-Staaten deshalb so interessant, weil man damit die eigene Innovation, die eigene Kreativität, die eigene Dynamik zeigen kann“, sagt Sebastian Sons, Experte für die Golf-Region bei der Denkfabrik Carpo in Bonn, im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Beim Hadsch ist die saudische Selbstdarstellung mit Hightech deshalb ein wichtiger Teil des Konzepts. Das Hadsch-Ministerium veröffentlichte ein Video, das eine Kommandozentrale wie bei einem Raketenstart zeigt: Großbildschirme, Lagepläne und Mitarbeiter an Laptops, die einen störungsfreien Ablauf des Großereignisses sichern sollen.

Das Ministerium hat eine Internet-Plattform und eine App namens Nusuk, auf Deutsch Ritual, entwickelt. Mit der können die Pilger ein Reisepaket für die Wallfahrt buchen. In Mekka werden „Fatwa-Roboter“ mithilfe von KI religiöse Fragen der Pilger in bis zu 20 Sprachen beantworten.

Die saudische Behörde für Daten und künstliche Intelligenz will während der Wallfahrt die Informationen aus Tausenden Überwachungskameras nutzen, um die Bewegung der Besuchermassen zu analysieren und zu lenken.

Drohnen, KI-Systeme zur Gesichtserkennung sowie elektronische Armbänder und digitale Pilgerausweise sollen bei der Überwachung der Besucher helfen.

An neuralgischen Punkten wie der Großen Moschee in Mekka mit der Kaaba, dem wichtigsten Heiligtum im Islam, soll die Zahl der Wallfahrer mit Sensoren im Boden und an Durchgängen gemessen werden. KI-Systeme sollen Bewegungsmuster erkennen. Notfalls sollen dann Helfer einschreiten, um Pilger zu stoppen oder umzulenken.

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Minuten sollen Medikamente bei einem medizinischen Notfall nur noch brauchen – dank Drohnen.

Drohnen sollen zudem Medikamente transportieren, wenn es medizinische Notfälle gibt. Bisher konnte der Transport wegen der Menschenmassen bis zu 90 Minuten dauern, wie die saudische Zeitung „Arab News“ meldete – die Drohnen reduzieren die Lieferzeit auf sechs Minuten.

Auch in Mina, südöstlich von Mekka, wo sich die Pilger zum Ritual der „Teufelssteinigung“ versammeln, könnte die moderne Technologie zur Überwachung der Besuchermassen lebensrettend werden.

Vor zehn Jahren starben mehr als 2000 Pilger bei einer Massenpanik im Gedränge während des Rituals, bei dem drei Säulen symbolisch mit Steinen beworfen werden.

Die Hitze kann bei der Pilgerfahrt lebensgefährlich werden.

© dpa/Amr Nabil

Drohnen und KI sollen zudem nach Pilgern suchen, die als Touristen nach Saudi-Arabien kommen und sich unter die Wallfahrer mischen. Schon vor dem diesjährigen Hadsch stoppten Polizisten laut Medienberichten fast 270.000 Menschen, die ohne Hadsch-Anmeldung nach Mekka fahren wollten.

Die saudischen Behörden wollen sie aussieben, weil sie die Wallfahrt unberechenbarer machen. Hadsch-Gäste ohne Anmeldung sind der Hitze oft schutzlos ausgesetzt, weil sie keinen Zugang zu klimatisierten Zelten haben.

Im vergangenen Jahr starben mehr als tausend Pilger an Hitzschlag. Unter den Todesopfern waren viele unregistrierte Pilger.

Auch diesmal könnte die Hitze lebensgefährlich werden. In den Vereinigten Arabischen Emiraten, einem Nachbarstaat von Saudi-Arabien, erreichten die Temperaturen in den Tagen vor Beginn des Hadsch fast 52 Grad. Für Mekka werden diese Woche bis zu 47 Grad vorausgesagt.

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