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Kritik an Trumps bizarrer Tanzeinlage: Harris wirbt um Schwarze Wähler und verteidigt ihre Bilanz
Nachdem Trumps Team mutmaßlich Desinformationen über sie verbreitet hat, kämpft Harris um Schwarze Wähler. Und sie zweifelt erneut die geistige Gesundheit ihres Rivalen an.
Stand:
Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris hat am Dienstag in einem seltenen Radiointerview ihre Bilanz als Staatsanwältin verteidigt und sich für die Entkriminalisierung von Marihuana und eine Polizeireform ausgesprochen.
„Es ist einfach nicht wahr“, sagte Harris auf die Frage, ob sie in ihrer Zeit als Bezirksstaatsanwältin von San Francisco überproportional viele afroamerikanische Männer habe verhaften lassen.
Harris will Marihuana entkriminalisieren
In Bezug auf Marihuana-Fälle sei sie sogar „als eine der fortschrittlichsten Staatsanwältinnen“ bezeichnet worden. Sie werde sich als Präsidentin für die Entkriminalisierung des Marihuana-Konsums einsetzen, da sie wisse, wie sehr das Gesetz bestimmten Bevölkerungsgruppen geschadet habe.
Zum Thema Polizeibrutalität sagte Harris, sie werde sich für die Verabschiedung des „George Floyd Policing Act“ einsetzen, der 2021 im Kongress auf Eis gelegt wurde. Das Gesetz zielt auf eine Reform der Polizeiarbeit ab.
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Floyd war ein 46-jähriger Afroamerikaner, dessen Tod bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis am 25. Mai 2020 weltweite Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst hatte.
Trump sei „schwach und ungeeignet“
Auf die Befürchtungen einiger Anrufer, die US-Wahlen könnten nicht frei und fair verlaufen oder Trump könnte versuchen, ein weiteres Ereignis wie das vom 6. Januar zu provozieren, ging Harris nicht direkt ein.
Sie vermied es, diese Befürchtungen als unbegründet zu bezeichnen, und warf Trump stattdessen vor, sich nicht für die Verfassung einzusetzen. „Dieser Mann ist schwach und ungeeignet“, sagte sie.
Harris stellt nach Tanz-Wahlkampfauftritt erneut Trumps geistige Gesundheit infrage
Nach einem bizarren Wahlkampfauftritt von Donald Trump mit Musik- und Tanzeinlage in Pennsylvania haben die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris und ihr Wahlkampfteam erneut den geistigen Zustand ihres republikanischen Rivalen sowie dessen Tauglichkeit fürs Präsidentenamt infrage gestellt. Ihr Wahlkampfteam erklärte, Trump habe bei dem Auftritt auf der Bühne am Montag „verloren, verwirrt und erstarrt“ gewirkt. Trump hingegen verteidigte die Veranstaltung als „so anders, aber am Ende war es ein großartiger Abend“.
Als Trump in einem überhitzten Saal seine Rede hielt, erlitten zwei seiner Anhänger einen Schwächeanfall – woraufhin die Organisatoren des Abends das „Ave Maria“ einspielten, das vielfach bei Beerdigungen erklingt. Später wurde die ganze Veranstaltung in ein Musik-Event umgewidmet.
Die erste halbe Stunde der Veranstaltung am Montagabend in einem Vorort von Philadelphia verlief reibungslos, Trump beantwortete Fragen von Anhängern, während die Gouverneurin des Bundesstaats South Dakota, Kristi Noem, die Veranstaltung moderierte. Dann gab es zweimal Unterbrechungen, weil zwei Anhänger zusammenbrachen und medizinische Hilfe benötigten.
Im ersten Fall rief Trump einen Arzt und sagte dann: „Das sieht nicht so gut aus.“ Schließlich wurde ein beleibter Mann mit nacktem Oberkörper aus dem Saal getragen, während aus den Lautsprechern Luciano Pavarotti mit dem „Ave Maria“ von Franz Schubert ertönte. Als der Mann seinen Arm in die Höhe reckte, rief Trump ihm hinterher: „Wir lieben diesen Mann.“
Nachdem dann ein weiterer Mensch behandelt werden musste, sagte Trump: „Möchte noch jemand umfallen? Bitte melden.“ Dann ließ der 78-Jährige keine weiteren Fragen mehr zu und ließ stattdessen mehr als eine halbe Stunde lang seine Lieblingsmusik abspielen, während er auf der Bühne dazu leicht hin und her wippte. Zum Schluss wurde wie oft bei Trumps Auftritten der Disco-Hit „Y.M.C.A.“ von den Village People von 1978 gespielt.
Harris schrieb später im Onlinedienst X ironisch: „Ich hoffe, es geht ihm gut.“ Das Harris-Team stellt im Wahlkampf immer wieder die Frage nach der geistigen Fitness des 78-Jährigen.
Trumps Kampagnen-Sprecher Steven Cheung sagte hingegen, an diesem Abend sei „etwas sehr Besonderes“ zwischen Trump und seinen Anhängern passiert. Auch Trump selbst verteidigte die Veranstaltung im hart umkämpften Bundesstaat Pennsylvania. „Es war unglaublich!“, schrieb er in seinem Onlinedienst Truth Social.
Die Fragerunde sei fast beendet gewesen, als „die Leute vor Aufregung und Hitze in Ohnmacht fielen“, erklärte Trump. Daraufhin hätten sie beim Warten Musik gespielt. „So anders, aber am Ende war es ein großartiger Abend“.
Trump griff Harris an, die am Samstag ein medizinisches Gutachten ihres Arztes Joshua Simmons veröffentlicht hatte. Dieses bescheinigte der Vizepräsidentin eine „ausgezeichnete“ Gesundheit. Harris hatte Trump aufgefordert, es ihr nachzutun und erklärte, Trumps fehlende Bereitschaft, gesundheitliche Details offenzulegen, sei „ein weiteres Beispiel seines Mangels an Transparenz“.
„Bei all den Problemen, die sie hat, stellt sich wirklich die Frage, ob sie für das Amt des Präsidenten kandidieren sollte oder nicht!“, schrieb Trump nun. „Mein Bericht ist perfekt – keine Probleme!“
Drei Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl am 5. November schießt sich Harris zusehends auf Trumps Alter und Gesundheitszustand ein. Darauf kam sie auch zum Schluß eines Radiointerviews am Dienstag zu sprechen: „Ich werde darauf hinweisen, was jeder weiß, nämlich dass die Leute, die am engsten mit Donald Trump zusammengearbeitet haben, als er Präsident war, (...) alle gesagt haben, dass er gefährlich ist und ungeeignet, sein Amt zu bekleiden“, sagte Harris.
Der amtierende US-Präsident Joe Biden erklärte indes, dass Harris im Falle ihrer Wahl „ihren eigenen Weg gehen“ würde. „Jeder Präsident muss seinen eigenen Weg gehen. Das habe ich auch getan“, erklärte Biden bei einem Abendessen der Demokratischen Partei in Philadelphia am Dienstag. „Ich war Barack Obama gegenüber loyal, aber als Präsident bin ich meinen eigenen Weg gegangen.“ Dies werde Harris auch tun: „Bisher war sie loyal, aber sie wird ihren eigenen Weg gehen.“
Harris Sicht auf die Dinge werde „frisch und neu sein. Donald Trumps Sichtweise ist alt und gescheitert und, ehrlich gesagt, durch und durch verlogen“, sagte Biden. Biden war von 2009 bis 2017 Vizepräsident gewesen, während Barack Obama US-Präsident war.
Weniger Schwarze Wähler
Umfragen zeigen, dass weniger Schwarze Wähler Harris unterstützen als US-Präsident Joe Biden bei der Wahl 2020 gegen Donald Trump. Ihre Kampagne und Verbündete wie Barack Obama arbeiten daran, diese Unterstützung in Michigan und anderen wichtigen Bundesstaaten mit knappen Mehrheiten zurückzugewinnen.
Eine der größten Herausforderungen sei die Desinformation des Trump-Teams, die sich gegen Schwarze Wähler richte, sagte Harris. „Sie versuchen, den Menschen Angst zu machen, weil sie wissen, dass sie sonst nichts haben, worauf sie setzen können.“
In den kommenden Tagen stehen für Harris weitere wichtige Medientermine an. Am Mittwoch wird sie von Fox News interviewt. Der konservative Sender musste kürzlich 787 Millionen Dollar an eine Wahlmaschinenfirma zahlen, die wegen falscher Behauptungen einiger Fox-Moderatoren über Wahlmanipulationen bei den Präsidentschaftswahlen 2020 geklagt hatte.
Ein möglicher Auftritt von Harris in der Podcast-Sendung von Joe Rogan, die ein Millionenpublikum vorwiegend männlicher Zuhörer aus dem gesamten politischen Spektrum erreicht, wird derzeit noch diskutiert. Rogan hatte nach der Fernsehdebatte zwischen Harris und Trump gewitzelt, hinter Harris’ starkem Auftritt stecke ein „Puppenspieler“.
Harris ist nach Hillary Clinton die zweite Frau, die für das Präsidialamt der Vereinigten Staaten kandidiert. Sie wäre nach Barack Obama die zweite afroamerikanische Person an der Spitze der USA und hat zudem asiatische Vorfahren. (Reuters, AFP)
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