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Trumps grenzenloser Wahn: Auf in ein neues Zeitalter des Imperialismus
Grönland, Kanada, Panama-Kanal – mit seinen Herrschaftsfantasien tut es der designierte US-Präsident den Autokraten der Welt gleich. Europa muss dagegenhalten.

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Es klingt zunächst wie der Scherz eines Late-Night-Komikers. Grönland soll amerikanisches Territorium werden und Kanada 51. US-Bundesstaat, Washington soll den Panama-Kanal kontrollieren und der Golf von Mexiko in den Golf von Amerika umbenannt werden.
Doch die Drohungen des designierten US-Präsidenten sind alles andere als lustig. Unabhängig davon, ob und wie weit Donald Trump diese Vorhaben in die Tat umsetzen können wird: Der Schaden, den er mit seiner aggressiven Rhetorik bereits jetzt anrichtet, ist immens und von globaler Tragweite.
Zwar hat die Vergangenheit gezeigt, dass längst nicht alle seiner Äußerungen für bare Münze zu nehmen sind. Es ist auch denkbar, dass Trumps aktuelles Treiben dem Wunsch entspringt, von anderen Nachrichten abzulenken: An diesem Freitag soll das Strafmaß im New Yorker Schweigegeld-Prozess gegen ihn verkündet werden.
Doch sein Säbelrasseln zeichnet ein düsteres Bild der künftigen US-Außenpolitik und weckt Erinnerungen an blutige Kapitel der US-Geschichte. Etwa an die Annexion von Texas 1845, an den Krieg mit Mexiko, durch den sich die USA unter anderem Kalifornien einverleibten, oder an die Monroe-Doktrin, mit der in Washington der brutale Interventionismus in Lateinamerika gerechtfertigt wurde.
Bei seiner Pressekonferenz in Mar-a-Lago am vergangenen Dienstag wollte Trump nicht ausschließen, zur Umsetzung seiner Vorhaben ökonomischen oder sogar militärischen Zwang auszuüben. Von Dänemark forderte er, Grönland freiwillig an die USA abzutreten, „weil wir es für die nationale Sicherheit benötigen“, so Trump wörtlich.
Trump gibt nicht einmal den Anschein […], zur Lösung der drängenden globalen Probleme beitragen zu wollen. Stattdessen setzt er alles daran, ein neues Zeitalter des Imperialismus einzuläuten.
Anja Wehler-Schöck
In erschreckender Klarheit führt Trumps Aussage vor Augen, dass internationale Zusammenarbeit für ihn keinerlei Wert besitzt. Es geht ihm um die Maximierung der eigenen Interessen – unabhängig von vereinbarten Prinzipien und Normen. Mit seinen Gebietsfantasien lässt er koloniale Denkmuster und Verhaltensweisen wieder aufleben.
Es gilt das Recht des Stärkeren. Mächtige Staaten nutzen ihre Position aus, um schwächere auszubeuten und sich deren Territorium und Ressourcen einzuverleiben.
Trump gibt nicht einmal den Anschein, als „leader of the free world“, wie sich US-Präsidenten gerne nennen, zur Lösung der drängenden globalen Probleme beitragen zu wollen. Stattdessen setzt er alles daran, ein neues Zeitalter des Imperialismus einzuläuten. Er räumt den allerletzten Zweifel daran aus, dass er den Autokraten dieser Welt in nichts nachsteht.
Trump sendet fatale Signale
Kaum jemand wird sich von einer zweiten Trump-Amtszeit eine Stärkung des Völkerrechts und multilateraler Zusammenarbeit erhofft haben. Doch gerade in einer Zeit, in der die regelbasierte internationale Ordnung dramatisch geschwächt ist, geht von der fehlgeleiteten Rhetorik des designierten Präsidenten eine fatale Signalwirkung mit weltweiter Strahlkraft aus.
Seine Botschaft an aktuelle und potenzielle Aggressoren lautet: Das Prinzip der staatlichen Souveränität und territorialen Integrität – das Fundament des modernen Völkerrechts – gilt letztlich nichts. Stattdessen signalisiert Trump, dass die buchstäblich grenzenlose Verfolgung eigener Interessen legitim ist.
Vor dem Hintergrund aktueller Krisen und Konflikte wie des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine muten Trumps Äußerungen geradezu grotesk an. Und sie lassen nichts Gutes erwarten. Das Recht des ukrainischen Volkes auf Selbstbestimmung, die Wiedergutmachung des unvorstellbaren Leids, das Putins Angriffskrieg den Menschen in der Ukraine zugefügt hat – all das wird für Trump keine Rolle spielen, wenn er sich daran macht, den Krieg „an Tag eins“ nach seiner Amtsübernahme zu beenden, wie er vollmundig angekündigt hat.
Jegliche Verhandlungen werden für ihn rein interessengeleitet sein. Auch in anderen Konfliktregionen wird man Trumps Botschaft laut und deutlich hören. Etwa in Taiwan, von dessen Annexion der chinesische Machthaber Xi Jinping träumt.
Es ist an Europa, dagegenzuhalten und ein weltweites Zeichen für den Wert internationaler Zusammenarbeit und einer regelbasierten Ordnung zu setzen. Ob der EU das gelingen kann, zu einem Zeitpunkt, an dem radikale Kräfte erstarken und sie zunehmend spalten, ist indes alles andere als gewiss.
Doch für eine Gemeinschaft, die auf diesen Prinzipien gründet, ist das eine existenzielle Frage. Schafft es die EU nicht, dafür einzustehen, wird sie letztlich selbst daran zugrunde gehen. Das klingt dramatisch. Aber das ist es auch.
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