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Ukraine-Invasion, Tag 1086: Heftigste Kämpfe nicht in der Ukraine, sondern in Russland?
Europäer dringen auf Beteiligung an Verhandlungen zur Ukraine. Russland will mit Trump auch Gespräche über „Sicherheit in Europa“ führen. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
Stand:
Wenn wir an dieser Stelle von der Front berichten, dann kommen in der Regel ukrainische Soldaten zu Wort. Die „New York Times“ (Quelle hier) hat jetzt hingegen russische Soldaten interviewt. Und zwar durfte ein für das Medium arbeitender Fotograf Ende vergangenen Jahres russische Soldaten in einem Krankenhaus und in der Nähe der Frontlinie sowie Zivilisten interviewen und fotografieren.
Dem Bericht zufolge soll ein russischer Spezialkräftekommandeur gesagt haben, dass die heftigsten Kämpfe, die er je erlebt habe, sich in seiner Heimat abspielen würden. Dabei geht es um die besetzte russische Stadt Sudscha in der Region Kursk. Sie liegt nahe der Grenzen zwischen beiden Ländern und hat sich unerwartet als einer der Brennpunkte herausgestellt.
„Das sind die brutalsten Kämpfe – so etwas habe ich während der gesamten militärischen Spezialoperation noch nie erlebt“, sagte der Kommandant, der etwa 200 in Kursk kämpfende Männer befehligen soll. „Spezialoperation“ – so wird der Angriffskrieg gegen die Ukraine in Russland offiziell genannt. Die befragten russischen Soldaten gehen sogar davon aus, dass die Kämpfe noch blutiger werden. „Wir erwarten Bachmut 2.0“, sagte ein anderer. In Bachmut in der Ukraine hatten die Kämpfe besonders lange angehalten und waren mit sehr hohen Verlusten auf beiden Seiten einher gegangen.
In den Interviews sollen die Soldaten jedoch erzählt haben, im eigenen Land zu kämpfen, sei ein zusätzlicher Anreiz, sich einem Krieg anzuschließen. „Das ist unser Land, das sind unsere Leute und unsere Werte“, sagte ein Mann namens Alexander, obwohl er bei einem Granatenangriff in Kursk verletzt wurde. „Wir müssen für sie kämpfen.“
Der „New York Times“ zufolge sollen sich in der Region noch schätzungsweise einige tausend russische Zivilisten befinden, die sich jetzt gewissermaßen in der Falle befinden. So müssten sie den russischen Winter offenbar mit schwindenden Nahrungsmittelvorräten, ohne Heizung oder Elektrizität überstehen.
Zoya und ihrem Mann etwa sei das Essen ausgegangen. Sie hätten sich gelegentlich von gefrorenen Kartoffeln ernährt, die sie aus ihrem Garten ausgruben. Ihr Mann lebe inzwischen nicht mehr. Eine Drohne sei in seiner Nähe explodiert. Er sei Minuten später in ihren Armen gestorben.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:
- Mit Blick auf offenbar anstehende Verhandlungen über eine Beendigung des Ukraine-Kriegs hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Abstimmung mit den USA vor Gesprächen mit Russland gefordert. „Die ukrainisch-amerikanischen Treffen haben für uns Priorität“, erklärte Selenskyj am Donnerstag und fügte an: „Und erst nach solchen Treffen, nachdem ein Plan ausgearbeitet wurde, um Putin zu stoppen, halte ich es für fair, mit den Russen zu sprechen.“
- Nach dem Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem russischen Kollegen Wladimir Putin haben die Außenminister mehrerer europäischer Staaten auf die Beteiligung Europas an den Friedensverhandlungen zur Ukraine gepocht. „Die Ukraine und Europa müssen Teil jeglicher Verhandlungen sein“, erklärten die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Polens, Großbritanniens, Spaniens, Italiens sowie der Europäische Auswärtige Dienst und die EU-Kommission in einer gemeinsamen Mitteilung. Mehr dazu lesen Sie hier.
- Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat zurückhaltend auf von US-Präsident Donald Trump angekündigte Verhandlungen mit Kremlchef Wladimir Putin für ein Ende des russischen Kriegs gegen die Ukraine reagiert. „Wir werden sehen, wie sich das jetzt entwickelt“, sagte er am Rande eines Nato-Verteidigungsministertreffens in Brüssel. Entscheidend sei, dass die Ukraine eng in alles eingebunden werde, was über die Ukraine entschieden werde.
- Die Ukraine soll nach Angaben des Kreml an Gesprächen mit US-Präsident Donald Trump beteiligt werden, wie die amtliche Nachrichtenagentur RIA meldet. Die Vorbereitungen für ein Treffen der Präsidenten Russlands und der USA könnten aber Wochen oder sogar Monate in Anspruch nehmen. Als Ort des Treffens wäre die saudische Hauptstadt Riad für beide Seiten passend.
- Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius mahnt eine Beteiligung der Europäer bei möglichen Gesprächen zur Beendigung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine an. „Dass wir nicht am Katzentisch sitzen können, dürfte allen einleuchten“, sagte Pistorius vor einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister am Donnerstag in Brüssel. Es müsse aber auch klar sein, dass eine Präsenz der USA in Europa erforderlich sei, um eine wirksame Abschreckung Russlands zu gewährleisten.
- US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hat Trumps geplante Verhandlungen mit Putin verteidigt. „Das ist kein Verrat“, sagte er am Rande eines Nato-Verteidigungsministertreffens in Brüssel. Hegseth betonte, kein Land habe die Ukraine mehr unterstützt als die USA. Doch auf der ganzen Welt und auch in den USA gebe es Interesse an einem Ende des Konflikts, um das Töten zu beenden, wie Trump es gesagt habe.
- China hat sich für die in Aussicht gestellten Gespräche ausgesprochen. „Russland und die USA sind beide einflussreiche Mächte, und China begrüßt es, dass sie ihre Kommunikation und ihren Dialog zu einer Reihe internationaler Themen stärken“, sagte ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums.
- Russland will nach Angaben des Kreml mit den USA nicht nur Gespräche über die Situation in der Ukraine, sondern auch über die „Sicherheit in Europa“ und russische „Bedenken“ führen. „Alle Themen, die in Verbindung mit der Sicherheit auf dem europäischen Kontinent stehen, vor allem diejenigen, die unser Land, die Russische Föderation, betreffen, sollten umfassend besprochen werden“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Mehr dazu in unserem Newsblog.
- Die Ukraine und Europa dürfen nach den Worten des ukrainischen Außenministers Andrij Sybiha bei künftigen Friedensgesprächen nicht ausgeschlossen werden. „Über die Ukraine kann man nicht ohne die Ukraine diskutieren, und über Europa kann man nicht ohne Europa diskutieren“, sagt Sybiha der Zeitung „Le Monde“. Die Nato-Mitgliedschaft seines Landes sei für das transatlantische Bündnis nach wie vor der kostengünstigste Weg, seine eigene Sicherheit zu gewährleisten.
- Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat sich in Bezug auf die Entsendung deutscher Soldaten zur Friedenssicherung in der Ukraine zurückhaltend geäußert. Zur Sicherung von Frieden brauche es „unterschiedliche Elemente“, sagte sie im Deutschlandfunk. Es habe schon Stimmen gegeben, die eine UN-Blauhelmmission ins Spiel gebracht hätten, allerdings brauche es in erster Linie „Sicherheitsgarantien, die tragen“, sagte die Ministerin.
- Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält die Debatte über eine Ukraine-Friedenstruppe unter Beteiligung der Bundeswehr für verfrüht. „Jeder weiß, dass das kein Thema jetzt ist“, sagte Scholz im „Berlin Playbook Podcast“ des Nachrichtenportals Politico. Scholz pochte gleichzeitig auf eine Einbeziehung der USA und warnte vor zu großer Nachgiebigkeit gegenüber Moskau. Es dürfe „keinen Diktatfrieden“ auf Kosten der Ukraine geben.
- Russland hat die Ukraine in der Nacht erneut massiv aus der Luft angegriffen - nach Angaben aus Kiew mit 140 Drohnen. Davon seien 85 abgeschossen worden und von 52 sei die Ortung verloren gegangen, erklärte das ukrainische Militär. Das ist zumeist auf elektronische Abwehrmittel zurückzuführen. In den Regionen Charkiw und Odessa gab es demnach Schäden.
- Die russischen Truppen haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau eine weitere Ortschaft im Osten der Ukraine eingenommen. Wodjane in der Region Donezk sei unter russischer Kontrolle, teilt das Ministerium mit. Russland meldet fast täglich die Einnahme von Siedlungen und Dörfern, was die Ukraine in der Regel nicht kommentiert. Unabhängig überprüfen lassen sich solche Berichte über das Kampfgeschehen nicht.
- Das deutsche Rüstungsunternehmen Helsing produziert für die Ukraine 6.000 weitere Kampfdrohnen vom Typ HX-2. Dies folge auf eine bereits abgeschlossene Lieferung von 4.000 Kampfdrohnen, teilte das Unternehmen in München mit.
- Annalena Baerbock
- Bachmut
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