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Ukraine-Invasion, Tag 1092: „Jeder amerikanische Präsident der letzten 80 Jahre würde Präsident Trump widersprechen“
Selenskyj weist Trumps Vorwürfe zurück + EU verschärft Russland-Sanktionen + Der Nachrichtenüberblick am Abend.
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Er hat es wieder geschafft: Man müsste meinen, bei den Aussagen, die wir von Donald Trump gewöhnt sind, kann nicht mehr viel schockieren. Doch nun hat der US-Präsident doch tatsächlich den ukrainischen Präsidenten faktisch für die russische Invasion in der Ukraine verantwortlich gemacht.
„Ihr hättet nie damit anfangen sollen“, sagte Trump, nachdem Wolodymyr Selenskyj kritisiert hatte, nicht an Gesprächen in Saudi-Arabien über die Ukraine beteiligt worden zu sein. „Ich bin sehr enttäuscht“, sagte Trump daraufhin in seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida. Er habe gehört, dass Kiew sich darüber empöre, „keinen Platz“ am Gesprächstisch bekommen zu haben, sagte Trump. „Nun, ihr seid seit drei Jahren dort (...) Ihr hättet nie damit anfangen sollen. Ihr hättet einen Deal machen können.“ Für Russland hingegen gab es Lob von ihm: „Russland will etwas tun. Sie wollen die wilde Barbarei stoppen.“
Der US-Kurs im Ukraine-Krieg und auch das Verhältnis zu Europa haben sich mit Trump deutlich verändert. Das steht spätestens nach diesen Aussagen eindeutig fest. Die „New York Times“ (Quelle hier) spricht daher von einer der „atemberaubendsten Kehrtwenden in der amerikanischen Außenpolitik“.
„Es ist eine beschämende Kehrtwende in 80 Jahren amerikanischer Außenpolitik“, sagt Kori Schake, Direktorin für Außen- und Verteidigungspolitik am American Enterprise Institute und nationale Sicherheitsberaterin von Präsident George W. Bush, im Gespräch mit der „New York Times“.
„Während des Kalten Krieges weigerten sich die USA, die sowjetische Eroberung der baltischen Staaten zu legitimieren, und gaben den Menschen Mut, die für ihre Freiheit kämpften“, sagt sie weiter. „Jetzt legitimieren wir Aggression, um Einflusssphären zu schaffen. Jeder amerikanische Präsident der letzten 80 Jahre würde Präsident Trumps Aussage widersprechen.“
Trumps offensichtliches Vertrauen in seine Fähigkeit, einen Deal mit Putin abzuschließen, gibt erfahrenen nationalen Sicherheitsbeamten, die im Laufe der Jahre mit Russland zu tun hatten, Rätsel auf. „Wir sollten mit ihnen auf die gleiche Weise reden, wie wir während des Kalten Krieges mit den sowjetischen Führern gesprochen haben“, sagte Celeste A. Wallander, die sich als stellvertretende Verteidigungsministerin unter Joe Biden mit Russland- und Ukraine-Fragen befasste. „Nämlich: Man sollte ihnen nicht vertrauen.“
Ian Bond, stellvertretender Direktor des Centre for European Reform in London, schreibt auf der Plattform Bluesky: „Das sind einige der beschämendsten Kommentare, die ein Präsident zu meinen Lebzeiten gemacht hat.“ Und weiter: „Trump ergreift Partei für den Aggressor und gibt dem Opfer die Schuld. Im Kreml müssen sie vor Freude in die Luft springen.“
Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:
- US-Präsident Donald Trump hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj praktisch die Schuld dafür gegeben, dass der Krieg weiterhin andauert. Der Krieg hätte längst enden sollen, mahnte er - und warf den Ukrainern Versäumnisse vor: „Ihr hättet es nie anfangen sollen. Ihr hättet einen Deal machen können.“ Es gebe in Kiew „eine Führung, die einen Krieg zugelassen hat, den es nie hätte geben dürfen“. Selenskyj wies die Vorwürfe zurück. Mehr dazu lesen Sie hier.
- Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat US-Präsident Donald Trump dafür gelobt, dass dieser den Ukraine-Konflikt auf eine frühere US-Unterstützung für einen Nato-Beitritt der Ukraine zurückgeführt hat. Trump sei der erste und bislang einzige westliche Führungspolitiker, der öffentlich gesagt habe, dass „eine der Grundursachen der Ukraine-Situation der penetrante Kurs der früheren (US-)Regierung war, die Ukraine in die Nato hineinzuzerren“, sagte Lawrow im russischen Parlament.
- Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat Äußerungen von US-Präsident Donald Trump über die Ukraine scharf zurückgewiesen. Zu Trumps Darstellung, die Regierung in Kiew trage eine Mitschuld am russischen Angriffskrieg und hätte selbst längst Frieden schaffen können, sagte Merz: „Das ist im Grunde genommen eine klassische Täter-Opfer-Umkehr.“ Dies entspreche dem russischen Narrativ von Präsident Wladimir Putin.
- Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat die US-Regierung davor gewarnt, sich im Alleingang auf eine Regelung mit Russland zum Ende des Ukraine-Kriegs einzulassen. „Mit einem Scheinfrieden, der Russland nur eine Atempause für neue Kriegszüge verschaffen würde, wäre niemanden geholfen: nicht der Ukraine, nicht Europa und nicht den USA“, erklärte Baerbock in Berlin.
- US-Präsident Donald Trump wird sich nach eigenen Angaben „wahrscheinlich“ noch vor Ende des Monats mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin treffen. Zudem sei er nach den Gesprächen zwischen Vertretern der USA und Russlands in Riad zum Ende des russischen Angriffskrieges „sehr zuversichtlich“, sagte Trump vor Reportern in seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida.
- Der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine und Russland, Keith Kellogg, hat Verständnis für das Bedürfnis der Ukraine nach Sicherheitsgarantien bekundet. „Wir verstehen das Bedürfnis nach Sicherheitsgarantien. Uns ist vollkommen klar, dass dies für die Souveränität dieser Nation wichtig ist“, sagte er laut Aufnahmen des ukrainischen Senders Suspilne bei einem Besuch in Kiew.
- Ein US-Vorschlag für ein Abkommen zur Ausbeutung von Mineralstoffen wie Seltenen Erden muss dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zufolge noch überarbeitet werden. Es seien keinerlei Sicherheitsgarantien enthalten, wird Selenskyj in türkischen Medien zitiert. „Ich habe gesagt, dieses Dokument ist nicht fertig, wir werden das nicht unterschreiben. Ihr müsst daran noch arbeiten.“
- Die ukrainische Armee hat Präsident Wolodymyr Selenskyj zufolge genug Kraft. „Die Armee ist ziemlich widerstandsfähig, sie ist die widerstandsfähigste in Europa, und sie garantiert uns die Möglichkeit, mit Würde und auf Augenhöhe mit Partnern zu sprechen“, sagte Selenskyj im ukrainischen Fernsehen.
- Russische Angriffe auf die südukrainische Hafenstadt Odessa haben nach ukrainischen Angaben zu großflächigen Stromausfällen geführt. „Mindestens 160.000 Einwohner von Odessa sind jetzt ohne Heizung und Strom“, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Onlinenetzwerken.
- Verteidigungsminister Boris Pistorius hat eine deutsche Beteiligung an einer möglichen europäischen Friedenstruppe für die Ukraine nicht ausgeschlossen, hält eine öffentliche Diskussion darüber jedoch für verfrüht. „Weder der Bundeskanzler noch ich haben das jemals ausgeschlossen. Im Gegenteil, wir haben beide gesagt, der Zeitpunkt darüber öffentlich zu diskutieren, ist nicht da“, sagte der SPD-Politiker auf eine entsprechende Frage im Deutschlandfunk.
- Die Kosten für die Umsetzung eines neuen EU-Vorschlags für zusätzliche Militärhilfen für die Ukraine werden auf rund sechs Milliarden Euro beziffert. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus EU-Kreisen erfuhr, werden für die Lieferung von 1,5 Millionen Artilleriegeschossen Investitionen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro für notwendig gehalten. Zudem sollen 500 Millionen Euro für Luftverteidigungssysteme und zwei Milliarden Euro für die Ausrüstung und Ausbildung von zwei ukrainischen Brigaden zur Verfügung gestellt werden.
- Die Europäische Union verschärft ihre Russland-Sanktionen. Die ständigen Vertreter der Mitgliedsländer billigten in Brüssel das 16. Sanktionspaket seit der russischen Invasion am 24. Februar 2022. Es umfasst ein Importverbot für Aluminium und ein härteres Vorgehen gegen die sogenannte Schattenflotte, mit deren Hilfe Moskau das Ölembargo umgeht.
- Knapp drei Jahre nach dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine arbeiten in Deutschland fast 300.000 Ukrainer. Wie die Bundesagentur für Arbeit bekanntgab, waren im November rund 296.000 von ihnen beschäftigt, davon 245.000 Personen in einem sozialversicherungspflichtigen Job. Vor Kriegsausbruch im Februar 2022 seien es etwa 65.500 gewesen.
- Annalena Baerbock
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