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Ukraine-Invasion, Tag 1338: Experte sieht „Eskalationsspirale“ in Trumps Sanktionen gegen Russland
Eine tschechische Organisation finanziert „Flamingo“-Marschflugkörper per Crowdfunding und warum die US-Sanktionen einen Wendepunkt im Verhältnis zwischen Trump und Putin darstellen.
Stand:
Während sich die Regierungschefs der EU am Donnerstag nicht zu einem Ukraine-Darlehen aus eingefrorenem russischem Vermögen durchringen konnten, verhängten die USA harte Sanktionen gegen die beiden größten russischen Ölkonzerne Rosneft und Lukoil.
Für Bojan Pancevski, Deutschland-Korrespondent des „Wall Street Journal“, zeigt das vor allem zwei Dinge: Zum einen hat Donald Trump viel weniger Angst vor den Folgen seiner Entscheidungen als sein Vorgänger Joe Biden – beispielsweise vor den Auswirkungen auf den Ölpreis, der nach der Ankündigung um fünf Prozent stieg.
Zum anderen seien die Europäer als außen- und sicherheitspolitische Macht nicht mehr ernst zu nehmen. Das sagte der Journalist, der selbst viel über den Ukrainekrieg berichtet hat, im Podcast des Springer-Reporters Paul Ronzheimer.
Mit 19 Sanktionspaketen in drei Jahren habe die EU „rein gar nichts hinbekommen“, so Pancevski. „Die Europäer sind nur in Erscheinung getreten als eine Partei, die den amerikanischen Präsidenten die ganze Zeit um etwas bittet, statt eine Lösung anzubieten und ihre eigene Stärke und Kraft zu formulieren. (…) Die Europäer trauen sich einfach nicht.“
Dann fragte er provokativ: „Ist Berlin, die Hauptstadt Deutschlands, abhängig von einer russischen Raffinerie? Und vielleicht auch von russischem Öl?“ Pancevski spielte damit auf die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt an, die mehrheitlich im Besitz einer Tochterfirma von Rosneft ist und über die russische Druschba-Pipeline offiziell mit Öl aus Kasachstan beliefert wird. Die Bundesregierung bemüht sich offenbar um eine Ausnahme von den Sanktionen.
Pancevski nennt Trumps Russlandpolitik der letzten zwei Monate „eine doppelte Wende“: Zunächst habe der US-Präsident seinen Geheimdiensten angeordnet, die Ukraine mit Informationen zu versorgen, die diese für Angriffe auf russische Energieinfrastruktur nutzen könnten. Und jetzt die Sanktionen.
„Jetzt haben wir diese Eskalationsspirale. Die Sanktionen sind da, und es werden wahrscheinlich noch mehr kommen, denn Trump will einen Deal, Trump will eine Feuerpause, und Putin will das nicht geben“, sagte Pancevski.
Er glaube nicht, dass die jüngsten Sanktionen Putin an den Verhandlungstisch zwingen würden. Sie machten den Krieg für Russland teurer und komplizierter, weil Moskau wieder neue Wege finden muss, um sie zu umgehen. Von seinen Zielen werde Putin aber wahrscheinlich nicht ablassen – ebenso wenig wie Trump. Pancevski fügte hinzu: „Insofern befürchten einige, dass die Eskalation von beiden Seiten geführt wird und nichts Gutes bringen wird.“
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- Zwei russische Militärflugzeuge sind am Donnerstagabend in den Luftraum von Litauen eingedrungen. Die beiden Maschinen seien etwa 700 Meter tief in litauisches Gebiet eingeflogen und hätten sich etwa 18 Sekunden lang darin aufgehalten, teilte die litauische Armee mit. Mehr hier.
- Nach stundenlangen Verhandlungen über die mögliche Verwendung von eingefrorenen russischen Vermögen für die Ukraine haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU nur auf einen Minimalkompromiss geeinigt. In einer Gipfelerklärung beauftragten sie am Donnerstagabend die EU-Kommission lediglich damit, Optionen für die finanzielle Unterstützung der Ukraine zu prüfen. Mehr hier.
- Der Linken-Abgeordnete Christian Görke fürchtet Konsequenzen der US-Sanktionen gegen Russland für das PCK Schwedt. Erste Firmen sollen sich bereits aus dem Geschäft mit der Raffinerie zurückgezogen haben. Mehr hier.
- Eine Organisation aus Tschechien hat online zu Spenden aufgerufen, um Kiews Armee einen Marschflugkörper vom Typ Flamingo zu kaufen. In nicht mal zwei Tagen sollen mehr als 500.000 Euro zusammengekommen sein. Mehr hier.
- CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann will den Zuzug junger Männer aus der Ukraine nach Deutschland stoppen. „Es braucht ukrainische Soldaten, die ihr Land verteidigen“, sagte Carsten Linnemann dem „Stern“. Mehr hier.
- Bei einer Sprengstoffexplosion im Bahnhof der Stadt Ovruch in der nördlichen Ukraine sind nach Angaben der Polizei vier Menschen getötet und zwölf weitere verletzt worden. Ein Mann hat offenbar eine Granate gezündet, als Grenzschutzbeamte in einem Zug im Gebiet Schytomyr die Papiere von Passagieren kontrolliert haben. Mehr im Newsblog.
- Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat der Ukraine zusätzliche Hilfen in Aussicht gestellt. Bei einem Besuch in Kiew sagte die CDU-Politikerin zu Journalisten, Anfang Oktober sei rund 60 Prozent der Gasversorgung der Ukraine durch russische Angriffe zerstört worden.
- Laut einer Enthüllung der „Washington Post“ hat Russland über Jahre hinweg Sanktionen und Exportkontrollen umgangen, um über Tarnfirmen westliche Unterwassertechnologie zu beschaffen. Mit diesen Komponenten habe das russische Militär demnach das geheime Überwachungssystem „Garmonija“ aufgebaut, das die strategische U-Boot-Flotte in der Arktis schütze – insbesondere Träger interkontinentaler Atomraketen.
- Eine Brigade der ukrainischen Streitkräfte hat im Juli eine beispiellose Operation im Raum Charkiw ausgeführt, wie jetzt bekannt wurde. Die „Washington Post“ berichtet, dass ein ferngesteuerter Bodenroboter mit 62 Kilogramm Sprengstoff zwei russische Soldaten zur Aufgabe gezwungen habe.
- Russland ist nach den Worten des Top-Bankers German Gref auf die millionenfache Einwanderung qualifizierter Fachkräfte angewiesen. Dies sei notwendig, um ein Wachstumsziel von mindestens 3,2 Prozent zu erreichen, sagte der Chef des größten russischen Finanzhauses Sberbank.
- In der Moskauer Vorstadt Krasnogorsk sind nach Behördenangaben fünf Menschen durch einen ukrainischen Drohnenangriff verletzt worden, darunter auch ein Kind. Die Drohne schlug in eine Wohnung im 14. Stock eines Hochhauses ein, schrieb Gouverneur Andrej Worobjow bei Telegram.
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