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Ukraine-Invasion Tag 362: Eine erste Bilanz der russischen Großoffensive
Biden überraschend in Kiew, China dementiert Plan für Waffenlieferungen an Moskau, Ukraine ruft nach Munitionsnachschub. Der Überblick am Abend.
Stand:
Nach knapp drei Wochen der russischen Winteroffensive ist es Zeit für eine erste Bilanz. Und die fällt für Moskau ernüchternd aus. Ein großer Durchbruch ist bisher ausgeblieben. Russland hat vor allem im südlichen Teil der Front seine Angriffe verstärkt, in Bachmut gehen die Kämpfe unvermindert weiter. Weiter nördlich versuchen die russischen Truppen an drei Stellen, die Ukrainer zurückzudrängen.
Tatsächlich lief die Offensive von Beginn an schlecht, als große Teile einer russischen Elitebrigade bei Wuhledar im Süden aufgerieben wurden. Mehrere Teile der Einheiten gerieten wiederholt in ukrainische Minenfelder und wurden außerdem von der ukrainischen Artillerie getroffen. Das führte in der Folge zu vielen Toten und hohen Verlusten bei Panzern und gepanzerten Fahrzeuge.
Dass eine der besseren russischen Einheiten auf diese Weise scheitert, hat Beobachter durchaus überrascht. Weder scheint die Truppen über Minenräumpanzer verfügt zu haben, noch über entsprechende Aufklärung. Alle weiteren Vorstöße auf Wuhledar in der Folge sind gescheitert.
In Bachmut dagegen ist die Situation unverändert und die russischen Truppen kommen weiter sehr langsam voran. Auch im Nordosten bei Kreminna scheinen ukrainische Einheiten etwas zurückgedrängt worden zu sein. Beobachter sehen vor allem die schlecht ausgebildeten Soldaten und den Mangel an mobilen Fahrzeugen als Grund für die Schwierigkeiten der Russen. Hinzu kommen womöglich Munitionsengpässen.
Was das alles nun bedeutet? Noch nicht viel. Wie viele Einheiten Russland noch hat, um den Druck aufrechtzuerhalten, ist weitgehend unbekannt. Das gilt auch für Fahrzeuge und Munition. Sicherer ist: Kann die Ukraine die Frontlinie halten - mit der Ausnahme von Bachmut sieht es aktuell danach aus - hätte Kiew im Frühjahr eine gute Ausgangsbasis für eine eigene Offensive. Die dann auf geschwächte russische Truppen treffen würde.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages:
- Nach Warnungen der USA: Bundesregierung hat keine Kenntnis über chinesische Waffenlieferungen an Russland. Mehr hier.
Blinken hatte am Samstag vor einer möglichen Waffenlieferung Chinas an Russland gewarnt. Peking wirft den USA deshalb „Fehlinformationen“ vor. Mehr hier. - Selenskyj kritisiert Macrons Verhandlungsgesuche mit Putin: Der Westen und die Ukraine könnten die russische Haltung nicht verändern, mahnt Selenskyj. Russland habe entschlossen, sich zu isolieren. Mehr hier.
- Estlands Außenminister fordert dringend Nachschub für Kiews Truppen: Die EU will die Ukraine weiter unterstützen. Vorrangig gehe es um Artilleriemunition, so Reinsalu. Ziel sollte sein, zunächst eine Million Geschosse zu liefern. Mehr hier.
- Putins redet am Dienstag zur Lage der Nation: Erklärt er der Ukraine offiziell den Krieg? Mehr hier.
- Der russischen Söldnertruppe Wagner, die in der Ukraine Seite an Seite mit der regulären Armee Russlands kämpft, fehlt es offenbar an Munition. Und das, obwohl „es Munition gibt“, klagt der Chef der Gruppe, Jewgeni Prigoschin. „Die Industrie hat das erforderliche Produktionsniveau erreicht“, heißt es in einer siebenminütigen Audiobotschaft, die über einen Prigoschin nahestehenden Telegram-Kanal verbreitet wurde. „Die Industrie gibt das, was das Land braucht, und hat sogar noch etwas übrig.“ Nur seine Wagner-Söldner würden leer ausgehen. Mehr in unserem Newsblog.
- Ein Misserfolg der russischen Offensive in der Ukraine dürfte nach Einschätzung britischer Geheimdienstexperten Spannungen in der russischen Führung verstärken. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg des Verteidigungsministeriums in London hervor. Demnach ist Russland weiterhin an mehreren Frontabschnitten in der Offensive, unter anderem in den ostukrainischen Städten Bachmut und Wuhledar - unter teils hohen Verlusten.
- Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat der Ukraine umfassende Unterstützung bei der Ausbildung von Soldaten im Krieg gegen Russland zugesichert. Neben der Lieferung von Waffen sei die Ausbildung „sehr wichtig für die ukrainischen Streitkräfte“, sagte Pistorius am Montag auf dem Truppenübungsplatz Munster in Niedersachsen, wo ukrainische Soldaten am Kampfpanzer Leopard 2 und am Schützenpanzer Marder geschult werden.
- Die Bundesregierung hat die Ukraine-Reise des US-Präsidenten Joe Biden als „gutes Signal“ bezeichnet. Weiter wollte Regierungssprecher Steffen Hebestreit den Besuch Bidens in der ukrainischen Hauptstadt Kiew am Montag nicht bewerten.
- Ein russisches Schiff hat einem hochrangigen niederländischen Geheimdienstler zufolge versucht, Windparks in der Nordsee auszukundschaften. „Wir haben in den vergangenen Monaten den Versuch russischer Akteure bemerkt, die Organisation unserer Energieversorgung in der Nordsee zu verstehen, mit der Absicht, sie zu stören“, erklärte Jan Swillens, Direktor des niederländischen Militärgeheimdienstes, am Montag. Der Versuch sei nicht geglückt.
- In Litauen hat die Bundeswehr mit Vorbereitungen für eine Übung zum verstärkten Schutz des Nato-Partners begonnen. Nach Angaben des litauischen Militärs sollen dazu in dieser Woche etwa 600 Soldaten der deutschen Brigade samt Ausrüstung für ein Manöver mit der Armee des baltische EU- und Nato-Landes eintreffen. Ein Bundeswehr-Sprecher in Rukla bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass die ersten Soldaten am Montag aus Deutschland nach Litauen aufgebrochen sind.
- Japan will die von Russland angegriffene Ukraine mit weiteren 5,5 Milliarden Dollar (4,7 Milliarden Euro) unterstützen. Das kündigte der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida am Montag an. Zudem plant Kishida für Freitag, den ersten Jahrestag des Beginns des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, ein Online-Treffen mit den Partnern der Gruppe der G7 westlicher Wirtschaftsmächte. Hierzu wolle er auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit einladen.
- Die Ukraine hat russische Angaben über eine Eroberung des Dorfes Hrianykiwka in der nordöstlichen Region Charkiw zurückgewiesen. Die ukrainischen Streitkräfte hätten russische Angriffe in der Umgebung des Dorfes zurückgeschlagen, teilte der Generalstab mit.
- Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn hat vor einer Zuspitzung des Ukraine-Kriegs durch chinesische Waffenlieferungen an Russland gewarnt. „Das wäre eine Wende - und nicht zum Guten“, sagte Asselborn im Deutschlandfunk vor einem Treffen mit den anderen EU-Außenministern in Brüssel.
- Russland leitet einem Bericht zufolge Ermittlungen gegen Hunderte ukrainische Regierungsvertreter und Soldaten wegen Kriegsverbrechen ein. „Derzeit laufen Strafverfolgungsverfahren gegen 680 Personen“, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur Tass den Leiter des russischen Ermittlungskomitees, Alexander Bastrykin. „Zu den Beschuldigten zählen 118 Personen aus dem Kreis der Kommandeure und der Führung der ukrainischen Streitkräfte sowie des Verteidigungsministeriums.“
- DIW-Präsident Marcel Fratzscher erwartet durch den Ukraine-Krieg weiter steigende Kosten für die deutsche Wirtschaft und hohe Wachstumsverluste. „Der Ukraine-Krieg und die damit verbundene Explosion der Energiekosten hat Deutschland im Jahr 2022 knapp 2,5 Prozent oder 100 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung gekostet“, sagte Fratzscher der „Rheinischen Post“. Diese Kosten würden in den kommenden Jahren weiter zulegen.
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