
© REUTERS/VIOLETA SANTOS MOURA
Ukraine-Invasion Tag 399: Wie Bewohner von Lyman seit einem Jahr im Keller leben
Prigoschin als Widersacher von Putin? + Schweden bestellt russischen Botschafter ein + Spanien liefert Leopard-Panzer. Der Überblick am Abend.
Stand:
als die ostukrainische Stadt Lyman im April vergangenen Jahres unter russischen Beschuss geriet, flüchteten viele Bewohner eines Wohnblocks, der das „Dreieck“ genannt wird, in ihre Keller und beschlossen, dort zu leben. Heute, Monate nach der Befreiung der Stadt, tun sie das noch immer. Die „Washington Post“ hat die Menschen dort nun besucht (Quelle hier).
Das Leben der Einwohner finde weitgehend im Dunkeln statt, schreiben die „Post“-Journalisten. Erst vor Kurzem, sagen sie, sei der Strom wiederhergestellt worden. Wasser liefert lediglich eine Pumpe im Innenhof des Wohnblocks. Weil es nur wenige staatliche Hilfe geben, hätten sich die Bewohner zusammengetan, um sich gegenseitig zu helfen.
Gemeinsames Kochen, Putzen, Trösten – „wir feiern Silvester zusammen, Feiertage, Geburtstage“, sagt die 68-jährige Nadya, die mit ihrer Familie in dem Keller lebt, der Zeitung. „Es vereint uns, ob hart oder nicht, wir mussten uns daran gewöhnen. Wir konnten nirgendwo anders hin.“
In den ersten Tagen hätten sie und ihre Familie gar nicht schlafen können, berichtet wiederum Zoya. „Jetzt schlafe ich ganz gut, aber es gibt Momente, in denen man Granaten hört, und das macht mir wieder Angst.“ Zoya ist pensionierte Briefträgerin, jetzt hilft sie in der Küche und verteilt Essen an die Bewohner. An das Leben im Keller habe sie sich inzwischen gewöhnt, „es ist entspannter für mich, im Keller zu sein“.
Was an das alte Leben erinnert, ist die Kette, die sie trägt. Daran baumeln die Schlüssel einiger Nachbarn, von denen sie hofft, dass sie zurückkehren werden. Doch die Bevölkerung von Lyman ist geschrumpft: 22.000 Einwohner waren es laut dem Bürgermeister vor der russischen Invasion, etwa 6000 sind jetzt noch da.
Gespräche über einen Wiederaufbau, so schreibt die „Washington Post“, halten die Bewohner des „Dreiecks“ für verfrüht, das Leben bleibe in der Schwebe. „Es herrscht eine gewisse Leere, eine gewisse Wut, es gibt kein Glück mehr“, sagt auch Nadya. „Wir warten auf Frieden. Wir warten auf das Ende der Sache.“
Die Nachrichten des Tages im Überblick:
- Wird Jewgenij Prigoschin der Widersacher von Wladimir Putin? In einem Interview lässt sich der Wagner-Chef ähnlich in Szene setzen wie der russische Staatschef. Prigoschins Kritik am Staat wird hingegen immer schärfer. Mehr dazu erfahren Sie hier.
- Irans und Russlands Außenminister haben in Moskau über die Zukunft der Atomverhandlungen gesprochen. Dies berichtete die iranische Nachrichtenagentur ISNA nach einem Treffen des iranischen Chefdiplomaten Hussein Amirabdollahian mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow. Dies und mehr im Newsblog.
- Russland hat nach eigenen Angaben jegliche Unterrichtung der USA über seine Atom-Aktivitäten ausgesetzt. Dabei gehe es um jedwede Form von Informationen aus diesem Bereich, sagt der stellvertretende Außenminister Sergej Ryabkow. Dazu gehörten auch Atomtests.
- Der Chef der UN-Atomaufsicht IAEA, Rafael Grossi, ist beim umkämpften Kernkraftwerk Saporischschja im Südosten der Ukraine eingetroffen. Grossi wolle sich vor Ort einen Überblick über die Lage verschaffen, teilt ein IAEA-Sprecher mit.
- Nach Einschätzung internationaler Militärexperten hat Russland im Kampf um die Stadt Bachmut in der Ostukraine zuletzt Boden gutgemacht. Russische Kräfte hätten in den vergangenen sieben Tagen zusätzlich etwa fünf Prozent von Bachmut eingenommen und kontrollierten aktuell knapp 65 Prozent des Gebiets, hieß es.
- Spanien wird der Ukraine nach Medienberichten schon bald sechs Leopard-Panzer des älteren Typs 2A4 liefern. Die Lieferung werde unmittelbar nach Ostern erfolgen, berichtete unter anderem die gut informierte Zeitung „El País“ unter Berufung auf die linke Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez.
- Nach Drohungen des russischen Botschafters in Schweden gegen den geplanten Nato-Beitritt Stockholms will Schweden diesen einbestellen. Damit solle der „offensichtliche Versuch der Einflussnahme klar angeprangert“ werden, teilte der schwedische Außenminister Tobias Billström mit.
- Im Kampf um Bachmut haben ukrainische Truppen nach Einschätzung britischer Geheimdienste für Entlastung gesorgt. „Eine der wichtigen Errungenschaften der jüngsten ukrainischen Operationen bestand wahrscheinlich darin, die Kämpfer der russischen Wagner-Gruppe von der Straße 0506 zurückzudrängen“, teilte das britische Verteidigungsministerium mit.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lädt Chinas Staatschef Xi Jinping zu einem Besuch in seinem Land ein. „Wir sind bereit, ihn hier zu sehen“, sagt Selenskyj der Nachrichtenagentur AP.
- Russland beginnt Militärmanöver mit dem Interkontinentalraketen-System Yars. Die Übungen mit dem mobilen Yars-System werden in drei russischen Regionen durchgeführt, teilt das russische Verteidigungsministerium mit, ohne die Regionen zu benennen.
- Die stellvertretende ukrainische Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk appelliert an die russischen Bürger, keine Kinder aus der Ukraine zu adoptieren. „Ich empfehle russischen Bürgern dringend, keine ukrainischen Waisenkinder zu adoptieren, die illegal aus den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine verschleppt wurden“, sagt sie.
- Iran
- Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin
- Russland
- Silvester
- Spanien
- Ukraine
- Wagner-Gruppe
- Wladimir Putin
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