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Benjamin Ferencz – hier 2018 – wurde 1920 im damals ungarischen Siebenbürgen als Sohn orthodoxer Juden geboren und wanderte als Kind mit seinen Eltern in die USA aus.

© AFP/Saul Loeb

US-Jurist Benjamin Ferencz: Letzter Chefankläger in Nürnberger Prozessen stirbt mit 103 Jahren

Er war der letzte Ankläger der Kriegsverbrecher-Prozesse und trug zur Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs bei. Nun ist Benjamin Ferencz tot.

Der Chefankläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen, Benjamin Ferencz, ist tot. Er starb am Freitag in einer Betreuungseinrichtung in Florida, wie US-Medien am Samstag (Ortszeit) unter Berufung auf seinen Sohn Don Ferencz berichteten.

Der letzte noch überlebende Ankläger der Prozesse wurde 103 Jahre alt. „Die Welt hat einen Anführer im Kampf für die Gerechtigkeit für Opfer von Genozid und damit verbundenen Verbrechen verloren“, schrieb das US-Holocaust-Museum bei Twitter.

Ferencz wurde 1920 im damals ungarischen Siebenbürgen als Sohn orthodoxer Juden geboren und wanderte als Kind mit seinen Eltern in die USA aus. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen in New York auf und studierte dank eines Stipendiums später an der Elite-Universität Harvard. Der Jurist war nicht einmal 30 Jahre alt, als er Nazi-Kriegsverbrechern in Nürnberg den Prozess machte.

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Vom 20. November 1945 an mussten sich in Nürnberg führende Nationalsozialisten und damit erstmals in der Geschichte Vertreter eines Unrechtsregimes vor Gericht verantworten.

Die alliierten Siegermächte stellten 21 ranghohe Kriegsverbrecher wie Adolf Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß und Reichsmarschall Hermann Göring vor ein internationales Gericht. Der Prozess endete nach fast einem Jahr mit zwölf Todesurteilen.

Ferencz war Chefankläger in einem der zwölf sogenannten Nachfolgeprozesse, die von 1946 bis 1949 auf das Verfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher folgten. 24 führende SS-Leute klagte er unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen an.

Alle Angeklagten werden verurteilt, 14 davon zum Tode – obwohl Ferencz deren Hinrichtung gar nicht gewollt hatte. „Ich habe nicht die Todesstrafe gefordert, weil ich nicht glaubte, dass sie angemessen war, die Leben von 24 Massenmördern aufzuwiegen gegen die von einer Million Menschen, die von ihnen umgebracht worden waren. Es gab keinen Weg, eine gerechte Balance zu finden“, sagte er vor fünf Jahren in einem „Bild“-Interview.

Vor den Prozessen war er als US-Soldat bei der Befreiung mehrerer Konzentrationslager dabei. „Ich werde nie den tödlichen Anblick der Krematorien vergessen können (. . . .) und die ausgemergelten Körper, die wie Brennholz aufgestapelt waren“, schrieb er in einem 1988 veröffentlichten Buch.

„Soweit ich weiß, war ich der Erste in der amerikanischen Armee, der sich mit Kriegsverbrechen beschäftigte“, heißt es in seinen Erinnerungen.

Der Jurist reist durch das zerbombte Deutschland, sieht die Leichenberge im Konzentrationslager Buchenwald und durchforstet tausende Seiten Dokumente der Nazis, in denen sie von ihren Morden an Juden, Roma, Kriegsgefangenen, Frauen und Kindern berichten.

Auf einer kleinen Rechenmaschine addierte ich die Zahl derer, die ermordet wurden. Als ich eine Million erreichte, hörte ich auf zu zählen“, so Ferencz. Die Sühnung der deutschen Kriegsverbrechen wurde zu seinem großen Lebensthema.

Die historische Rolle des Juristen geht aber über die Bedeutung der damaligen Kriegsverbrecherprozesse hinaus. Denn Ferencz fügte nicht nur den Begriff „Genozid“ in die Gerichtspraxis ein, er gilt auch als einer der Geburtshelfer des Internationalen Strafgerichtshofs. Mit fast 90 Jahren eröffnete er 2009 symbolisch das erste Plädoyer der Anklage des Gerichts in Den Haag.

„Bens beständiges Streben nach einer friedlicheren und gerechteren Welt umspannte fast acht Jahrzehnte und hat die Art, wie wir auf die schlimmsten Verbrechen der Menschheit reagieren, für immer bestimmt“, sagte die Direktorin des US-Holocaust-Museums. „Er hat in Nürnberg Geschichte geschrieben und tat dies auch weiterhin während seines außerordentlichen Lebens.“ (dpa, AFP, Tsp)

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