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Ein Bauer drischt zehn Kilometer von der Frontlinie entfernt in der Region Dnipropetrowsk in der Ukraine den Weizen auf seinem Feld.

© dpa/Efrem Lukatsky

Update

Vereinbarung sollte bis Montagabend gelten: Russland stoppt Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide

Die Vereinbarung mit Russland und der Ukraine war mehrfach verlängert worden und sollte um Mitternacht auslaufen. Moskau macht die Fortführung von Bedingungen abhängig.

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Russland hat das Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer gestoppt. Sobald alle Forderungen für die Ausfuhr russischen Getreides erfüllt seien, kehre Moskau wieder zur Erfüllung der Vereinbarung zurück, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge.

Das Abkommen mit Russland und der Ukraine hatte nach mehreren Verlängerungen offiziell bis zum späten Montagabend (23 Uhr MESZ) gegolten.

Peskow dementierte, dass die Attacke auf die Krim-Brücke vom Montag Auswirkungen auf die Zukunft des Getreideabkommens habe. „Das sind zwei nicht miteinander verbundene Ereignisse. Sie wissen, dass noch vor dem Terroranschlag die Position von Präsident Putin geäußert wurde“, sagte er am Montag. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte erklärt, dass die Grundlagen fehlten für eine Verlängerung der Vereinbarung.

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Damit kommt der Transport von Millionen Tonnen von ukrainischem Getreide, vor allem Mais und Weizen, über den Seeweg zum Erliegen, obwohl die Ausfuhren vor allem für ärmere Länder wichtig sind.

Moskau sieht Versprechen nicht erfüllt

Kremlchef Putin hatte sich bis zuletzt gegen eine Verlängerung gesperrt. Aus seiner Sicht wurden Versprechen, die Russland im Zuge der Vereinbarung gemacht wurden, nicht erfüllt. Am Donnerstag hatte Putin von der Möglichkeit gesprochen, die Beteiligung Russlands an dem Abkommen so lange auszusetzen, bis die Zusagen erfüllt seien.

Als Gegenleistung forderte Moskau Erleichterungen bei den Sanktionen für seine Dünge- und Lebensmittelexporte, etwa bei Versicherungen, Fracht und auch der Finanzierung. Konkret hatte Russland gefordert, dass seine staatliche Landwirtschaftsbank von den Sanktionen des Westens befreit wird, um Geschäfte abwickeln zu können.

Ein mit Getreide beladenes Frachtschiff in der Türkei.

© dpa/Khalil Hamra

Russland hatte nach Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine auch die Seehäfen des Nachbarlands blockiert. Da die Ukraine ein wichtiger Agrarexporteur ist, wuchs weltweit die Sorge vor steigenden Lebensmittelpreisen und Hungerkrisen in den ärmsten Ländern.

Im vergangenen Sommer wurde dann unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei das sogenannte Getreideabkommen ausgehandelt. Das ermöglichte der Ukraine eine Ausfuhr über das Schwarze Meer, allerdings nur in beschränktem Umfang. Vertreter der UN, Russlands, der Ukraine und der Türkei kontrollierten die Schiffsladungen in Istanbul. Das Abkommen wurde mehrfach verlängert, zuletzt Mitte Mai um zwei Monate.

Erdogan rechnet mit Verlängerung des Getreideabkommens

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan geht von einer Verlängerung des Abkommens aus. „Ich denke, dass der russische Präsident (Wladimir) Putin trotz der heutigen Mitteilung für eine Fortsetzung dieser humanitären Brücke ist“, sagte Erdogan am Montag vor Journalisten. Er kündigte Gespräche mit Putin an.

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, geht von einer Verlängerung des Getreideabkommens aus.

© dpa/Pavel Golovkin

Eine Verlängerung des Abkommens könne noch vor dem für August geplanten Besuch des russischen Präsidenten in der Türkei möglich sein, sagte Erdogan weiter. Verhandlungen diesbezüglich seien bereits im Gange.

UN-Chef zeigt sich schwer enttäuscht von Russlands Ausstieg

UN-Generalsekretär António Guterres hat sich zutiefst enttäuscht über den russischen Ausstieg aus dem Getreideabkommen gezeigt. Das Abkommen sei eine „Rettungsleine für die globale Ernährungssicherheit und ein Leuchtturm der Hoffnung in einer aufgewühlten Welt“ gewesen, sagte Guterres am Montag vor Journalisten in New York. „Man hat die Wahl, an solchen Abkommen teilzunehmen. Aber leidende Menschen überall und Entwicklungsländer haben keine Wahl. Hunderte Millionen Menschen sind vom Hunger bedroht und Konsumenten von einer globalen Krise der Lebenshaltungskosten.“

UN-Generalsekretär António Guterres.

© IMAGO/Photo News/IMAGO/Didier Lebrun

Guterres hatte Russlands Präsidenten Wladimir Putin in der vergangenen Woche noch einen Brief mit Vorschlägen geschrieben, um das Abkommen zu retten. „Ich bin zutiefst enttäuscht, dass meine Vorschläge unbeachtet blieben“, sagte er dazu. Trotzdem würden sich die Vereinten Nationen weiter in dieser Hinsicht einsetzen, sagte Guterres weiter. „Unser Ziel muss es bleiben, die Ernährungssicherheit und die globale Preisstabilität voranzutreiben.“

Deutschland macht sich für das Getreideabkommen stark

Deutschland hat Russland unterdessen dazu aufgerufen, an dem Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide festzuhalten. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann appellierte am Montag in Berlin an den Kreml, „eine weitere Verlängerung des Getreideabkommens möglich zu machen und diese Auseinandersetzung nicht auf dem Rücken der Ärmsten dieses Planeten auszutragen“.

Darüber hinaus warb sie dafür, derartige Vereinbarungen künftig nicht mehr auf einen kurzen Zeitraum zu beschränken, sondern der Ukraine einen langfristigen Getreideexport zu ermöglichen.

Baerbock verlangt sofortige Wiederaufnahme des Abkommens

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat vom russischen Präsidenten Wladimir Putin verlangt, das Getreideabkommen mit der Ukraine sofort wieder in Kraft zu setzen. Sie forderte Putin „auf, dass er es unterlässt, erneut Hunger als Waffe in diesem brutalen Angriffskrieg einzusetzen. Im Sinne des Friedens in der Ukraine, aber im Sinne des Friedens in der Welt“, sagte die Grünen-Politikerin am Montag am Rande eines Besuches in der UN-Zentrale in New York. Putins Vorgehen mache deutlich, dass der russische Präsident „weltweit auf die Schwächsten keine Rücksicht nimmt“, sagte die Bundesaußenministerin.

Annalena Baerbock, Bundesaußenministerin, verlangt, dass das Getreideabkommen sofort wieder in Kraft gesetzt wird.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Sie sei dankbar, dass trotz der wiederholten Unterbrechungen die Vereinten Nationen und auch die Türkei „nicht aufgeben, dieses Getreideabkommen immer wieder am Leben zu erhalten“, ergänzte Baerbock. Zugleich zeige das Vorgehen Putins, wie wichtig es gewesen sei, dass die Europäische Union nicht nur auf Putin vertraut, sondern dafür gesorgt habe, dass das Getreide auch über den Landweg per Zug aus der Ukraine heraus transportiert werden könne. „Daran müssen wir weiter arbeiten, dass wir einen zweiten Weg haben, gerade über die Europäische Union, dass das Getreide in die Welt kommt.“

Von Anfang an habe man deutlich gemacht, dass die Sanktionen gegen Russland Lebensmittel und wichtige Medikamente ausnähmen, sagte Baerbock. „Dass der russische Präsident das jedes Mal erneut auf den Kopf stellt und Getreide als Waffe einsetzt, macht deutlich, mit welcher Brutalität er diesen Krieg führt.“

Bundesentwicklungsministerin fordert mehr Unabhängigkeit von Russland

Nach dem russischen Stopp des Getreideabkommens mit der Ukraine hat Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze mehr Unabhängigkeit von Russland angemahnt. „Für die Zukunft gilt: Wo Russland Weizen als Waffe einsetzen kann, wird es das tun. Die Lehre aus dieser Ungewissheit ist, dass man sich unabhängiger machen muss von Putins Willkür“, sagte die SPD-Politikerin am Montag laut Mitteilung mit Blick auf die Entscheidung des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Schulze sagte weiter, das ukrainische Getreide könnte helfen, die Weltmarktpreise zu dämpfen und so den Hunger zu bekämpfen. „Das gelingt, wenn Entwicklungsländer wieder mehr selber anbauen statt sich auf Weltmarkt-Weizen zu verlassen.“

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze hat mehr Unabhängigkeit von Russland angemahnt.

© picture alliance / photothek/Janine Schmitz

Bauernverband sieht keine akuten Getreide-Engpässe in Europa

Der Bauernverband sieht vorerst keine Engpässe auf dem deutschen und europäischen Markt. Der stellvertretende Generalsekretär Udo Hemmerling sagte der Deutschen Presse-Agentur am Montag: „Sollte es eine längere Unterbrechung der Schwarzmeerroute für Getreide, Ölsaaten und Düngemittel geben, könnte es erneut zu Versorgungsengpässen und Preissteigerungen im globalen Agrarhandel kommen.“ Das ginge vor allem zu Lasten von Importeuren von Brotgetreide in Arabien, Afrika und Asien. „In Mitteleuropa ist hingegen nicht mit Versorgungsengpässen zu rechnen, da hier die eigene Ernte zur Verfügung steht.“

Hemmerling sprach mit Blick auf die aktuelle Lage von einem „politischen Poker Russlands“ zu Lasten der Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern. „Tatsächlich hat Russland erhebliche Eigeninteressen, den globalen Marktzugang für seine Getreideexporte nicht zu verlieren.“ Für den Bauernverband sei klar, dass der Handel mit Lebensmitteln auch im Krieg nicht blockiert werden dürfe.

Die Ukraine und Russland sind wichtige Lieferanten von Weizen, Gerste, Sonnenblumenöl und anderen Nahrungsmitteln für Länder in Afrika, im Nahen Osten und in Teilen Asiens. Vor Kriegsbeginn im Februar 2022 lieferten sie fast ein Viertel der Getreideexporte weltweit. Russland war außerdem der weltweit größte Exporteur von Düngemitteln.

2022 konnte die Ukraine trotz des Krieges auch dank des Getreidedeals mehr als 38 Millionen Tonnen Getreide exportieren und dabei Erlöse von umgerechnet über 8 Milliarden Euro erzielen. Die Einnahmen sind wichtig für den Staatshaushalt des Landes, das sich gegen den russischen Angriffskrieg zur Wehr setzt. Knapp 75 Prozent der Exporte gingen über die Häfen am Schwarzen Meer und der Donau ins Ausland. Gegenüber 2021 ging der Seeexport damit um etwa 23 Prozent zurück. (dpa)

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