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„Verstörend“, „Kapitulationsplan“, „inakzeptabel“: Das sind die wichtigsten Reaktionen auf den Ukraine-Friedensplan
Die USA haben offenbar mit Russland Vorschläge für eine Beendigung des Kriegs ausgearbeitet – ohne die Partner einzubinden. Die Bundesregierung nennt die bisher bekannten Details „nicht akzeptabel“.
Stand:
Die Regierungen in Washington und Moskau sollen geheime Gespräche über einen Friedensplan für die von Russland angegriffene Ukraine führen. Dies berichten internationale Medien. Die Regierung in Kiew und die europäischen Partner einschließlich der Bundesregierung sind demnach bisher nicht eingebunden worden. Es soll sich dem US-Portal „Axios“ zufolge um einen 28-Punkte-Plan handeln, der von Präsident Donald Trumps Friedensabkommen für Gaza inspiriert sein soll.
Wie ein ranghoher ukrainischer Vertreter am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP sagte, sieht der Plan unter anderem eine Abtretung der von Russland kontrollierten Gebiete, darunter die Krim, eine deutliche Verkleinerung der ukrainischen Armee und Russisch als Staatssprache vor. Die Frontlinie im Süden soll weitgehend eingefroren werden.
Der Entwurf soll weitgehend den bisher bekannten Forderungen des russischen Machthabers Wladimir Putin entsprechen, schreibt die „Financial Times“. Die ukrainische Regierung bestätigte am Donnerstagabend den Erhalt des Plans und erklärte sich bereit, konstruktiv mit der US-Regierung zusammenzuarbeiten, um ein „würdiges Ende des Krieges zu sichern“, erklärte das Büro von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Selenskyj wolle „in den kommenden Tagen“ mit Trump über den Vorschlag sprechen.
Ein ukrainischer Offizieller erklärte gegenüber der „New York Times“, dass der Plan für Kiew „inakzeptabel“ sei. Ein weiterer ukrainischer Beamter sagte: „Dieser Plan würde eine komplette Kapitulation der Ukraine bedeuten und Selenskyj ist nicht gewillt, dem zuzustimmen.“
Es mutet an, als ob Putin damit Kriegsziele erreichen könnte, die er auf dem Schlachtfeld nicht erreicht hat.
Thorsten Frei, Kanzleramtschef (CDU)
Ein Sprecher des Weißen Hauses sagte dem Sender NBC News: „Der Plan zielt darauf ab, beiden Seiten Sicherheitsgarantien zu geben, um einen dauerhaften Frieden zu sichern. Er enthält das, was die Ukraine will und benötigt, um einen dauerhaften Frieden zu erreichen.“
Rubio verlangt Zugeständnisse von der Ukraine und Russland
US-Außenminister Marco Rubio rief beide Kriegsparteien zu Zugeständnissen auf. „Um einen komplexen und tödlichen Krieg wie den in der Ukraine zu beenden, ist ein umfassender Austausch ernsthafter und realistischer Ideen erforderlich“, schrieb Rubio in seinem persönlichen Account bei X. Er bestätigte dabei nicht, dass es einen fertigen Plan gebe, sondern sprach lediglich von einer „Liste möglicher Ideen“.
Ein dauerhafter Frieden verlange von beiden Seiten – also Russland und der Ukraine –, dass sie „schwierigen, aber notwendigen Konzessionen zustimmen“, schrieb Rubio in dem Post, den er nicht auf den offiziellen Accounts der Regierung veröffentlichte. „Deshalb erstellen wir derzeit eine Liste mit möglichen Ideen zur Beendigung dieses Krieges, die auf Beiträgen beider Konfliktparteien basiert, und werden diese Liste auch weiterentwickeln“, schreibt der Außenminister weiter.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte in einer ersten Reaktion lediglich, es gebe in der Sache nichts Neues zu verkünden.
Union und SPD kritisieren US-Friedensplan für Ukraine
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) zeigte sich irritiert über den neuen Vorschlag der USA. „Die ersten Nachrichten, die man dazu sieht, die sind durchaus verstörend“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag bei RTL und ntv. „Es mutet etwas an, als ob Putin damit Kriegsziele erreichen könnte, die er auf dem Schlachtfeld nicht erreicht hat. Und das wäre sicherlich ein Ergebnis, das nicht akzeptabel wäre“, sagte der Vertraute von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Der Bundesregierung sei der Friedensplan nicht bekannt gewesen, sagte Frei – „also mir persönlich jedenfalls nicht“.
Außenminister Johann Wadephul begrüßt jede Initiative, die zu einer Waffenruhe in der Ukraine und anschließenden Friedensverhandlungen führen könnte. Voraussetzung dafür sei aber die Einbeziehung der Regierung in Kiew und auch der Europäer insgesamt, sagte der CDU-Politiker bei seiner Ankunft zu einem Ministertreffen in Brüssel. „Nur so kann ein belastbarer Frieden erreicht werden.“
Auch die außenpolitischen Sprecher von Union und SPD äußerten sich überwiegend negativ. CDU-Politiker Jürgen Hardt kündigte an, dass die Bundesregierung ein Mitspracherecht fordern werde. „Soweit die 28 Punkte bislang bekannt sind, scheint ein Ungleichgewicht zulasten der Ukraine zu herrschen“, sagte Hardt den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“.
Ähnlich äußerte sich auch sein SPD-Kollege Adis Ahmetovic. Den Zeitungen der „Mediengruppe Bayern“ sagte er: „Wichtig ist, dass es am Ende nur einen nachhaltigen Frieden in Europa geben kann, der von der Ukraine und der EU mitgetragen wird. Das setzt voraus, dass beide ihre Positionen mit in die Verhandlungen einbringen können.“
Scharfe Kritik an Trump-Plan aus Brüssel und Warschau
Auch die EU pochte auf eine Einbeziehung der Europäer und Ukrainer. „Damit ein Plan funktioniert, müssen natürlich die Ukrainer und die Europäer mit an Bord sein“, sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in Brüssel.
Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski forderte ebenfalls, Europa müsse bei Friedensbemühungen konsultiert werden. „Ich hoffe, dass nicht dem Opfer Beschränkungen seiner Verteidigungsfähigkeit auferlegt werden, sondern dem Aggressor“, sagt er. Der französische Außenminister Jean-Noel Barrot warnte, ein Friedensplan dürfe nicht auf eine „Kapitulation“ vor Putin hinauslaufen.
Kiesewetter fordert Lieferung von Taurus an Kiew
Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter reagierte mit scharfen Worten: „Das ist ein Kapitulationsplan, der den Aggressor belohnen und de facto das Recht des Stärkeren in Europa etablieren würde. Damit käme es zu mehr russischen Verbrechen, mehr Flucht und einer Ausweitung des Kriegs durch Russland“, sagte Kiesewetter den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Europa solle sich auf höchster Ebene zu einer Ablehnung des Plans verständigen. „Die Ukraine braucht vor allem einen Siegesplan.“
Das ist ein Kapitulationsplan, der den Aggressor belohnen würde.
Roderich Kiesewetter, CDU-Verteidigungspolitiker
Europa müsse endlich mehr unterstützen. „Dazu gehören die Lieferung von Taurus, die Übernahme der Flugabwehr über der Westukraine durch eine Koalition der Willigen und die Integration der ukrainischen Luftverteidigung sowie eine Erhöhung der militärischen und finanziellen Unterstützung, insbesondere aus Deutschland.“
SPD-Fraktionsvize Siemtje Möller nannte die Berichterstattung zum sogenannten Friedensplan im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe „besorgniserregend“. Es sei alarmierend, dass sich amerikanische Verhandler den Berichten zufolge auf Forderungen eingelassen hätten, „die nahezu an russische Maximalforderungen heranreichen“.
Kriegsanalysten: Ukraine-Plan kommt Kapitulation gleich
Auch nach Einschätzung des Instituts for the Study of War (ISW) würde der Plan eine vollständige Kapitulation der Ukraine bedeuten und der Regierung in Kiew die entscheidenden Fähigkeiten nehmen, die sie zum Schutz vor künftigen Angriffen der russischen Armee benötigt. Nach Ansicht der ISW-Analysten wären zudem die Übergabe der noch nicht besetzten Gebiete der Region Donezk an Russland und das Einfrieren der Frontlinie im Süden der Ukraine „unverhältnismäßig“.
Dem Portal „Axios“ zufolge ist Trumps Gesandter Steve Witkoff verantwortlich für die Ausarbeitung. Er soll den Plan bereits ausführlich mit dem russischen Gesandten Kirill Dmitriev besprochen haben, wie ein US-Beamter dem US-Portal mitteilte. Beteiligt an der Ausarbeitung waren zudem US-Vize Vance, Außenminister Marco Rubio und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner.
Dmitriev sagte „Axios“, der Plan setze vor allem die Vorschläge um, auf die sich Trump und Putin im August in Alaska geeinigt hätten. Es gehe darum, den Ukraine-Konflikt zu lösen, aber auch darum, die Beziehungen zwischen den USA und Russland wiederherzustellen,
Die Wiederannäherung zwischen Washington und Moskau trifft die Ukraine in einem doppelt ungünstigen Moment. An der Front im Osten ist der Fall der lange umkämpften Stadt Pokrowsk nur noch eine Frage der Zeit. Auch weiter südlich hat die ukrainische Armee Stellungen räumen müssen.
Innenpolitisch steht Selenskyj unter Druck wegen eines Korruptionsskandals, der bis in sein Umfeld reicht. (mit Agenturen)
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