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Vorfälle in Kopenhagen, Oslo, Polen, Rumänien: Warum kann man Drohnen nicht einfach so abschießen?
In immer mehr Nato-Staaten häufen sich jüngst die Drohnensichtungen. Das lässt die Frage aufkommen, warum man die Objekte nicht einfach abschießen kann. Doch ganz so leicht ist es nicht.
Stand:
Am späten Montagabend werden an den Flughäfen in Kopenhagen und Oslo mehrere unbekannte Drohnen gesichtet. Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen spricht kurz danach vom „bislang schwersten Anschlag auf dänische kritische Infrastruktur“.
Eine russische Verantwortung will die Politikerin nicht gänzlich ausschließen. Frederiksen erklärt in dem Zusammenhang: „Es sagt etwas über die Zeit aus, in der wir leben, und darüber, worauf wir als Gesellschaft vorbereitet sein müssen.“
In den sozialen Medien kursieren derweil Videos vom Kopenhagener Flughafen. Darauf ist eine blinkende Drohne zu sehen, die im gemächlichen Tempo über Flugzeuge hinwegfliegt, die auf der Landebahn stehen. Fotos aus der Nacht von den großen Nachrichtenagenturen zeigen Polizeibeamte, die am Flughafenzaun stehend in den Himmel schauen – ein Beamter telefoniert mit seinem Handy.
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Solche Aufnahmen lassen die Frage aufkommen, warum man unbekannte Drohnen nicht einfach abschießen kann und wie gut die Nato den Luftraum schützt. Auch die Frage, inwieweit etwa deutsche Flughäfen auf solche Bedrohungen vorbereitet sind und ob die Bundeswehr in dem Fall eingreifen könnte, wird aktuell diskutiert.
Drohnenabschuss in Deutschland: Eine Frage der Zuständigkeit
Ende August berichtete die „New York Times“ unter Berufung auf westlichen Nachrichtendienste sowie auf eine Recherche der „Wirtschaftswoche“, dass russische Drohnen auch über Ostdeutschland hinwegfliegen sollen, um gezielt Militärtransportrouten in die Ukraine auszuspionieren.
Die Bundeswehr bestätigte die Berichte über Drohnenflüge später und räumte ein, dass die Zahl der Drohnenflüge seit Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine deutlich zugenommen habe. Daher habe man nun Dutzende sogenannte Netzwerkdrohnen bestellt, um Spionagedrohnen abfangen zu können, berichtete die „New York Times“ unter Berufung auf Angaben eines Insiders.
Es gibt aber nicht so furchtbar viel Handhabe dagegen.
Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister
Außerdem werde diskutiert, ob Bundeswehrsoldaten mit Gewehren beispielsweise Drohnen über militärischem Sperrgebiet abschießen dürfen, heißt es weiter. Das Problem sei allerdings, dass die Fluggeräte bei ihrem Absturz Schäden anrichten und eventuell sogar Wohngebiete treffen könnten. Und genau da liegt eines der Probleme: Denn in Deutschland dürfen unbemannte Luftfahrzeuge nicht abgeschossen werden, wenn dadurch Unschuldige in Gefahr geraten könnten. Das kann man allerdings nicht so leicht garantieren.
Nach dem Bericht der „New York Times“ zeigte sich Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius allerdings überrascht von den Angaben des Insiders. Immerhin sei die Bundeswehr – was Drohnen angehe – nicht zuständig für die Überwachung von zivilem Territorium oder Straßenverbindungen in Deutschland. Womit sich eine weitere Problematik ergibt: Die Frage der Zuständigkeit. Denn ja nach Einsatzort können Dutzende Behörden für einen Vorfall zuständig sein. Auf offener Straße etwa müsste sich die Polizei darum kümmern, ein Drohnenflug über einer Kaserne wäre der Verantwortlichkeitsbereich der Bundeswehr.
Kurz nach dem Medienbericht räumte Pistorius in Berlin außerdem ein: „Aber ja, dass Drohnen auch irgendwo über den Häfen, über den Eisenbahnanlagen unterwegs sind, dürfte niemanden überraschen. Es gibt aber nicht so furchtbar viel Handhabe dagegen.“
Kann die Nato die Drohnen nicht einfach abschießen?
Nach den jüngsten Drohnensichtungen über den Flughäfen in Kopenhagen und Oslo äußerte sich der Nato-Generalsekretär Mark Rutte zu einem möglichen Drohnenabschuss. Demnach sei die Nato jederzeit bereit und willens, jeden Zentimeter des Bündnisgebiets zu verteidigen.

© dpa/STEVEN KNAP
Nach Beratungen der 32 Bündnisstaaten am Dienstag hatten die Nato-Verbündeten Russland unter Androhung von Gewalt eindringlich vor weiteren Luftraumverletzungen gewarnt.
Aus der gemeinsamen Stellungnahme geht hervor, dass man „im Einklang mit dem Völkerrecht alle notwendigen militärischen und nichtmilitärischen Mittel einsetzen“ wolle, um sich zu verteidigen. Sollten also Drohnen oder gar russische Flugzeuge eine konkrete Bedrohung des Bündnisgebiets darstellen, könnte ein Abschuss angeordnet werden.
Die Sache ist jedoch komplizierter: Der Befehl zu einem Abschuss könnte eine direkte militärische Konfrontation zwischen der Nato und Russland zur Folge haben. Kremlchef Wladimir Putin könnte sich zu einer Verschärfung oder gar Eskalation des Konflikts berufen fühlen – bislang fehlt ihm die Legitimation dafür.
Möglicher Drohnenabschuss: Die Krux mit der Absicht
Heikel dürfte die Lage für die Nato vor allem auch deswegen sein, weil sich in der Regel nur äußerst schwer nachweisen lässt, dass eine Luftraumverletzung absichtlich erfolgte. So bestreitet Russland im Fall der Vorwürfe seitens Estlands sogar, dass es überhaupt zu einer Luftraumverletzung gekommen ist.
Daher dürfte es wahrscheinlich erst dann zu einem Abschuss eines Flugzeugs kommen, wenn dieses zuvor von der Flugroute her ganz klar eine Bedrohung für die Nato dargestellt hat.
Wie schützt die Nato den Luftraum?
Das unterscheidet sich je nach Zuständigkeitsgebiet. Sobald in Deutschland ein verdächtiges Flugzeug bemerkt wird, steigen hierzulande Alarmrotten zu einem Alarmstart (auch „alpha scramble“ genannt) auf. Dabei handelt es sich in der Regel um zwei Eurofighter, die nach Nato-Standard innerhalb von nur 15 Minuten in der Luft sein müssen. „Bei Alarmierung rennen zwei Piloten zu ihren Kampfflugzeugen“, schreibt die Bundeswehr dazu.
Wird eine Luftraumverletzung über den baltischen Staaten registriert, dann übernehmen Nato-Partner die Aufgabe in Rotation. Denn diese Länder haben keine eigenen Jagdflugzeuge.
Darüber hinaus halten die Nato-Verbündeten nach den jüngsten Zwischenfällen Verstärkung bereit. So stellt die Bundeswehr künftig vier statt nur zwei Kampfjets, um sich an bewaffneten Schutzflügen über Polen zu beteiligen. Sie sind auf dem Fliegerhorst in Rostock-Laage stationiert. Frankreich stellt drei Rafale-Kampfjets für die Überwachung des Luftraums an der Ostflanke, Dänemark zwei F-16.
Deutschland „reaktionsfähig“, Polen abschussbereit
Außenminister Johann Wadephul warnte Russland indes vor weiteren Verletzungen des Luftraums von Nato-Partnern wie Polen oder Estland. „Jeder muss wissen: Wir sind jederzeit reaktionsfähig“, sagte der CDU-Politiker nach der Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats wegen der Verletzung des estnischen Luftraums durch russische Kampfjets. „Wir sind zu flexiblen Antworten jederzeit fähig und fordern Russland auf, von weiteren aggressiven Akten und insbesondere Rechtsverletzungen Abstand zu nehmen“, fügte er hinzu.
Polens Regierungschef Donald Tusk und Außenminister Radoslaw Sikorski betonten derweil, dass die polnische Regierung bereit sei, Flugzeuge und Raketen abzuschießen, die in ihr Territorium eindringen würden und eine Bedrohung darstellen könnten.
Hierzu äußerte sich Wadephul diplomatisch. Man stehe in Nato-Solidarität zusammen. Wie die Nato im Einzelnen militärisch auf Verletzungen ihres Gebietes reagiere, werde auf Ebene des Verteidigungsbündnisses entschieden. „Jedes souveräne Land verteidigt seinen Luftraum und Polen macht es in der Art und Weise, wie es das für richtig hält“, sagte er. (mit Agenturen)
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