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In den vergangenen Wochen fanden mehrere pro-palästinensische Demonstrationen in Jordanien statt, wie hier in Amman.

© Reuters/Alaa Al Sukhni

Waffenschmuggel, Proteste, Radikalisierung: Welchen Einfluss der Krieg in Gaza auf Jordanien hat

Gerade hat Jordanien ein neues Parlament gewählt. Doch der Gaza-Krieg bringt viel Unruhe ins Land. Dabei geht es auch um die USA und ein Nato-Büro.

Von Serena Bilanceri

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Es war Ende Juni, als zwei laute Knalle Marka, ein Wohngebiet im Nordosten der jordanischen Hauptstadt Amman, wachrüttelten. Beim ersten sollen Waffenschmuggler versucht haben, improvisierte Sprengsätze zu bauen. Beim zweiten sollen Polizeieinheiten in eine Wohnung voller Sprengstoff eingerückt sein, den sie schließlich detonieren ließen.

Wer das explosive Material dort gehortet hatte und zu welchem Zweck, war zunächst unklar. Zwei Tage später sperrten Sicherheitskräfte ein Geschäft im Südosten Ammans ab, Militäringenieure ließen wieder Sprengstoff hochgehen. Diesmal lag er versteckt in einem Lagerhaus.

Offenbar steckte hinter beiden Vorfällen dieselbe Gruppe. Ob und wie das Material in Jordanien benutzt werden sollte, ist unklar. Immer wieder geht es in jordanischen Medien um Schmuggelversuche. Meistens handelt es sich dabei um Drogen aus Syrien, Captagon etwa.

Doch zunehmend geht es auch um Waffen. An der nördlichen Grenze des Landes hat das Militär bereits Katyusha-Raketen, Claymore-Minen und AK47-Gewehre beschlagnahmt. Waffenschmuggel aus Syrien, das hat es in Jordanien schon länger gegeben. Seit dem Konflikt im Gazastreifen richtet sich jedoch die Aufmerksamkeit verstärkt darauf. Nicht zuletzt wegen der Gefahr, dass sie im Westjordanland landen. Oder Jordanien selbst destabilisieren.

Es ist nicht leicht, Waffen nach Jordanien zu schmuggeln – zumindest nicht in einem Ausmaß, das die jordanisch-israelischen Beziehungen verändern könnte.

Alex Vatanka, der Direktor des Iran-Programms am Middle East Institute in Washington.

Mitte März waren mehrere Jordanier verhaftet worden, die angeblich Waffen von Iran-nahen Milizen aus Syrien ins Land bringen wollten. Laut der Nachrichtenagentur Reuters wollten diese „Sabotageakte“ durchführen. Der Iran bestreitet, eine Rolle beim Schmuggel zu spielen. Auch die Hamas hat mehrfach verneint, das Land im Visier zu haben.

„Iran hat gewiss solche Absichten“, sagt allerdings Alex Vatanka, Iran-Experte vom Middle East Institute in Washington, mit Bezug auf den illegalen Waffenhandel für pro-palästinensische Gruppen. Absicht und Fähigkeit seien aber zwei verschiedene Dinge. „Es ist nicht leicht, Waffen nach Jordanien zu schmuggeln – zumindest nicht in einem Ausmaß, das die jordanisch-israelischen Beziehungen verändern könnte.“

Seit Monaten sorgen sich Experten in Jordanien um einen möglichen Einfluss des Konflikts in Gaza auf die heimische Politik und die Radikalisierung jünger Menschen. Nicht zuletzt, weil viele hier palästinensischer Abstammung sind, inklusive 2,3 Millionen Geflüchtete, und Jordanien als Partner der USA und des Westens in der Region gilt.

Eine radikal-schiitische Gruppe aus dem Irak, Kataib Hisbollah, drohte im April 12.000 jordanische Kämpfer gegen Israel zu bewaffnen. Doch Vatanka bleibt gelassen. „Die Stabilität Jordaniens kann derzeit nicht durch Irans Politik infrage gestellt werden“, sagt er. Gefährlicher wäre hingegen, wenn die Behörden im Königreich die Wut der Massen über den andauernden Krieg nicht mehr kontrollieren könnten.

Pro-Hamas-Parolen sind vielfach Standard

Bei vielen Jordaniern sind in der Tat Pro-Hamas-Parolen inzwischen bei Protesten Standard. Am Ende schätzen sie aber auch den Frieden im eigenen Land. Was Krieg bedeutet, weiß vor allem noch die Generation, die den Schwarzen September 1970, den jordanischen Bürgerkrieg, erlebt hat.

Der Konflikt in Gaza hat indes für Zuspitzung gesorgt. Erst kürzlich hat ein jordanischer Mann aus dem Dorf Udhruh am Grenzübergang Allenby Bridge drei Israelis getötet. Er selbst wurde dann erschossen. Daraufhin gingen in Amman hunderte Menschen zu seinem Gedenken auf die Straße. Verschiedene Parteien, säkular wie islamisch, demokratisch wie konservativ, sprachen von einem „Märtyrer“ oder gar einem „Held“. Bei der Parlamentswahl am Dienstag gewann die Islamische Aktionsfront, der politische Arm der Muslimbrüder, dreimal so viele Parlamentssitze wie noch 2020.

Zudem sorgte eine Ankündigung aus dem Juli für Protest: Die Nato will ein Büro in Amman eröffnen. Wann genau, ist noch unklar. Kurz nach der Ankündigung allerdings zog ein Protestzug durch Amman. „Lasst die Allianz mit Amerika kippen“, wurde skandiert. Bei dem Protest ging es also nicht nur um Israel – sondern auch um die USA.

Die Nato schreibt auf Nachfrage, das Büro werde „den politischen Dialog, die praktische Kooperation und das gemeinsame Verständnis verbessern“. Es soll Trainingsprogramme etwa bei Notfällen, Krisen und Cybersicherheit entwickeln. Die Idee habe es bereits vor dem Krieg in Gaza gegeben, sagen Experten. Truppen aus den USA und aus Deutschland sind bereits seit Jahren an einigen Militärbasen stationiert, Kooperationen im Militärbereich und gegen den Terror bestehen schon länger. Die aktuellen Entwicklungen könnten die Entscheidung jedoch beschleunigt haben.

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