
© AFP / AFP/Yuri Kadobnov
„Die Fabriken arbeiten rund um die Uhr“: Wie Russland bei der Rüstungsproduktion im Stillen die Nato-Länder überholt
Einem Medienbericht zufolge konnte Putin die Panzer- und Waffenproduktion zuletzt deutlich steigern. Auswertungen von Statistiken und Satellitenbildern relativieren die Bilanz allerdings.
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Russland hat seine Waffenproduktion in den vergangenen Jahren offenbar derart angekurbelt, dass die russische Rüstungsindustrie die Nato-Länder in puncto Kriegsgerät-Herstellung mittlerweile überholt hat. Zu dem Schluss kommt ein Bericht der „Zeit“, der sich auf Insider-Informationen von Militärexperten, Ökonomen und Analysten beruft.
Demnach seien die russischen Waffenarsenale derzeit gut gefüllt und die Panzerproduktion laufe auf Hochtouren. Der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur bestätigte der „Zeit“, dass Russlands Rüstungsindustrie weiter wachse. „Die Fabriken arbeiten rund um die Uhr“, sagte der Politiker der Wochenzeitung.
Eine Analyse des britischen Forschungsinstituts „Royal United Services Institute“ (RUSI) stützt Spekulationen, dass Putins Militäragenda sich allmählich auszahlt. Demnach habe Russlands Rüstungsindustrie vor allem in den Jahren zwischen 2022 und 2024 die Nato-Länder bei der Waffenproduktion überholt.
Die Leistungsfähigkeit der russischen Industrie darf keinesfalls unterschätzt werden.
Guntram Wolff, Professor für Wirtschaftswissenschaften
Wie konnte Russland seine Waffenproduktion derart erhöhen?
Einerseits hat Putin bereits im Juli 2022 neue Gesetze erlassen, die vor allem die Produktion im Rüstungssektor optimieren und steigern sollten. Das Paket umfasste unter anderem längere Arbeitszeiten im Sektor der Waffenherstellung und die Aussetzung langwieriger Ausschreibungsverfahren. Den Rüstungsunternehmen wurde es in dem Zuge beinahe unmöglich gemacht, staatliche Aufträge für die Kriegsgeräteherstellung auszuschlagen.
Im Vergleich zu westlichen Rüstungsherstellern könne Russland vor allem aus den niedrigeren Lohnkosten und günstigeren Rohstoffpreisen Kapital schlagen, berichtet der Ökonom Guntram Wolff der „Zeit“ auf Nachfrage. „Die durch Massenproduktion erreichten Skaleneffekte senken den Preis einiger russischer Systeme auf einen Bruchteil ihrer westlichen Gegenstücke“, so der Professor für Wirtschaftswissenschaften an der „Université libre de Bruxelles“. Er ergänzt: „Die Leistungsfähigkeit der russischen Industrie darf keinesfalls unterschätzt werden.“
Russland produziert wohl 130 Panzer im Monat
Im Rahmen einer Studie für das „Kieler Institut für Wirtschaft“ haben Ökonom Wolff und der Militärexperte Alexandr Burilkow in einem aufwendigen Verfahren errechnet, auf welche Produktionszahlen Moskau kommen muss, um die Fronttruppen auch weiterhin kampffähig zu halten. Die Analyse kommt zu dem Schluss, dass Russland aktuell mindestens 130 Panzer monatlich oder umgerechnet gut 1500 Stück im Jahr produziert.
Diese hohen Produktionszahlen werden unter anderem dadurch erreicht, dass Russland „vor allem auf alte sowjetische Bestände aus den Lagern zurückgreift“, erklärt Burilkow. Die Panzer werden demnach bei einer Generalüberholung mit neuen Motoren, Störsendern und modernen Zielvorrichtungen ausgestattet. Bis zu 80 Prozent der neu gelieferten Armeepanzer werden mithilfe dieser Optimierung aufgefrischt.
Analysen von Satellitenbildern alter Sowjetlager unter freiem Himmel zeigen, dass sich die Altbestände seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 sichtlich geleert haben. Der Vorrat an Sowjetpanzern ist um mindestens die Hälfte geschrumpft, zeigt die „Zeit“-Recherche.
Mit den schrumpfenden Depots dürfte in den nächsten Jahren auch die russische Panzerproduktion zurückgehen, vermutet Militäranalyst Burilkow. Damit ließen sich Materialverluste wie im vergangenen Jahr nicht mehr so leicht verschmerzen. Doch auch dann bliebe die russische Produktion immer noch in etwa vergleichbar mit der Panzerproduktion in der gesamten EU, prognostizieren die beiden Experten. (mira)
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