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Ab dem kommenden Sonntag gilt die Winterzeit.

© dpa/Marijan Murat

Winterzeit ab Sonntag: Mini-Jetlag – nein, danke

Mag sein, dass die EU größere Probleme hat als die Frage, ob demnächst ewige Winterzeit gelten sollte. Aber die gesundheitlichen Folgen der regelmäßigen Umstellung sind nicht zu unterschätzen.

Albrecht Meier
Ein Kommentar von Albrecht Meier

Stand:

Ab Sonntag wird es morgens zu einer früheren Uhrzeit hell, dafür wird es abends eher dunkel. Die Veränderung, die mit der bevorstehenden Umstellung auf die Normalzeit (umgangssprachlich „Winterzeit“) einhergeht, bringt bei vielen Menschen den Biorhythmus durcheinander. Doch eine Abschaffung der halbjährlichen Zeitumstellung, die auf EU-Ebene erfolgen müsste, ist derzeit so unwahrscheinlich wie eine Verringerung der Brüsseler Kommissarsposten.

Worin der Zusammenhang besteht? Experten halten schon seit Langem sowohl die Zeitumstellung als auch die verschwenderisch hohe Zahl der Portfolios in der EU-Kommission für einen Fehler – im ersten Fall aus gesundheitlichen Gründen, im zweiten Fall aus Gründen der politischen Effizienz.

Braucht es tatsächlich eine Vertreterin für „Menschen, Kompetenzen und Vorsorge“, wie sie in der neuen, erneut von der Deutschen Ursula von der Leyen geführten Kommission vorgesehen ist?

Das Problem: Wenn man die Zahl der EU-Kommissare verkleinern und damit auf ein übliches Maß von Ministerposten bringen wollte, bräuchte man Einstimmigkeit unter den 27 EU-Ländern. Ähnlich verhält es sich bei der Abschaffung der leidigen Zeitumstellung, die alle halbe Jahre die innere Uhr der Menschen aus dem Gleichgewicht bringt. Hier müsste eine Mehrheit der Mitgliedstaaten zustimmen.

Die Zeitumstellung kann unruhigen Schlaf zur Folge haben.

© dpa/Christin Klose

Im Fall der Kommissarsposten lässt sich das Festhalten am Status quo ja politisch noch halbwegs nachvollziehen. Die EU ist nun einmal so angelegt, dass auch bevölkerungsstarke Mitgliedstaaten wie Deutschland die anderen Länder nicht so ohne Weiteres an den Rand drängen können.

Das führt zu einem austarierten Vorgehen: Ins Europaparlament schickt Malta zwar erheblich weniger Abgeordnete als Deutschland. Aber soll man den Inselstaat gleich ganz vom Brüsseler Kommissarstisch verbannen? Verständlich, dass die Malteser hier eine deutliche Meinung haben.

Kompliziert wird die Debatte unter den 27 EU-Staaten, wenn es um die Zeitumstellung geht. In Deutschland sprachen sich vor sechs Jahren 84 Prozent der Befragten für deren Abschaffung aus. Das ergab eine seinerzeit vom früheren EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker initiierte Online-Befragung.

Am kommenden Sonntag werden sich wieder etliche Menschen die Frage stellen: Wozu überhaupt der Mini-Jetlag?

Albrecht Meier

Gesundheitspolitiker wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Christos Pantazis halten es für sinnvoll, auf die Zeitumstellung zu verzichten und statt dessen eine dauerhafte Normalzeit („Winterzeit“) einzuführen. Der Vorteil: Anders als bei der dauerhaften Sommerzeit wird es im Winter zu einer früheren Uhrzeit hell – mit einem entsprechend geringerem gesundheitlichen Risiko von Depressionen oder Diabetes.

Beim Nachbarn Polen würde aber die dauerhafte Winterzeit im Osten des Landes wiederum zu ganz anderen Problemen führen – nämlich zu einem Sonnenaufgang mitten in der Nacht während des Sommers. Man ahnt, warum in Brüssel eine Mehrheitsfindung bei einem möglichen Abschied von der Zeitumstellung so schwierig ist.

Hinzu kommt: Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine und einer drohenden Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus hat die EU gerade Dringlicheres zu tun, als über Zeitzonen und Sonnenaufgangs-Zeiten zu diskutieren.

Trotzdem haben Politikerinnen und Politiker recht, wenn sie jetzt wieder – und halbjährlich grüßt das Murmeltier – einen erneuten politischen Anlauf auf EU-Ebene fordern. Die kommende polnische Ratspräsidentschaft müsse die Abschaffung der Zeitumstellung prioritär auf die Agenda setzen, fordern beispielsweise die Grünen-Europaabgeordneten Anna Cavazzini und Saskia Bricmont. Viele Menschen, so erklärten die beiden Abgeordneten, erlebten nach der Umstellung Schlafstörungen und eine erhöhte Anfälligkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Nicht zuletzt sei nach der Ansicht von Cavazzini und Bricmont das ursprüngliche Ziel der Zeitumstellung – nämlich die Einsparung von Energie – nicht erreicht worden. Von daher werden sich am kommenden Sonntag wieder etliche Menschen die Frage stellen: Wozu überhaupt der „Mini-Jetlag“?

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