
© Writers’ Thursday
10 Jahre „Writers’ Thursday“ im Borchardt: Lesen und zuhören, reden und rumstehen
Seit zehn Jahren lädt Rainer Schmidt zum Pop- und Literatursalon „Writers’ Thursday“ ins Borchardt Restaurant. Am Donnerstag gibt es die große Jubiläumslesung im Haus der Visionäre.
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Was war es doch für ein großes Hallo vor zehn Jahren in den Kaminräumen des Borchardts, als Rainer Schmidt das erste Mal zu seinem „Writers’ Thursday“ lud. „Drogen, Abenteuer, Nachtleben“ lautete das Motto des Leseabends, unter anderem lasen Alexa Hennig von Lange, Adriano Sack, Ingo Niermann und Rainer Schmidt selbst, ein Hauch der nicht mehr ganz so vitalen Popliteratur schwebte über dem Ganzen, und vor allem erinnerte der ganze Abend an ein Neunziger-Nuller-Jahre-Klassentreffen.
„Lange nicht gesehen“, „Was machst du so?“, „Alles ein bisschen schwieriger geworden in den Medien“, ja, schon damals, „weißt du noch, die Galerie berlintokyo, die Sniper Bar, das Init?“ – so plauderte man sich durch den Abend in den Kamin- und Salonräumen in der ersten Etage über dem Mitte-Restaurant, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass dieser „Writers´ Thursday“ zu einer so festen Einrichtung werden sollte.
Rainer Schmidt, „FAZ“-Journalist und unter anderem einstiger Chefredakteur des deutschen „Rolling Stone“ und des „Musikexpress“, hatte jedoch genau das von Beginn an vor: viermal im Jahr an einem Donnerstag im März, Juni, September und Dezember einen Salon zu veranstalten mit Lesungen, die schneller als üblich vonstatten gehen sollten, fünf, sechs an der Zahl, maximal zehn, zwölf Minuten, viele Jahre waren es auch zwei Runden am Abend.
Mischung aus Pop und Literatur
Die Autoren und Autorinnen, die Schmidt einlädt, hätte man einst vielfach in der Popliteratur verortet, sind in einem Umfeld aus Pop und Literatur zuhause: hier Sven Regener, der beides vielleicht am prominentesten vereint, dort Musiker und Musikerinnen, Schauspielerinnen und Schauspieler, die Romane, ihre Biografien oder andere Bücher veröffentlicht haben. Aber auch eine Lyrikerin wie Juliane Liebert, ein später Pop-Autor wie Eckhart Nickel, junge Autorinnen wie Cemile Sahin, Helene Hegemann, Ronya Othmann oder Margarete Stokowski. Also viel Gegenwartsliteratur, wenig bis gar keine Akademie-und Büchner-Preis-Literatur, dazu die Frank Spilkers und Campinos der Republik, Stefanie Sargnagel, Lady Bitch Ray und und und. Tempo, Tempo, Tempo, bloß nicht langweilen.
Was zu Beginn den Charakter eines Szene- und Klassentreffens in Form eines Salons hatte, nur mit Einladung und Gästeliste, unterstützt von wechselnden Sponsoren, entwickelte sich mit der Zeit ein bisschen zu einem Literaturbetriebs-Event, da gaben sich dann auch Verleger, Verlegerinnen und andere Verlagsleute die Klinke in die Hand, da kamen Literaturagenten und Leute, die sich gern in so einem Umfeld sehen ließen.
Schmidt hat es trotzdem geschafft, das Ganze einigermaßen überschaubar-privat, von der Gästestruktur heterogen und auch das Publikum an sich recht jung zu halten. Selbst eine gewisse Expansion hat nichts daran geändert.

© Writers’ Thursday
Das bisschen Expansion
Den „Writers’ Thursday“ gab es inzwischen nicht nur draußen auf dem Lande in der Scheune von Rammsteins Keyboarder Flake, sondern auch regelmäßig in Hamburg, in den vergangenen beiden Jahren als Spezial während der Frankfurter Buchmesse und außer der Reihe in Köln während der lit.cologne und in Berlin einmal auch im Theater des Westens. Die 10-Jahre-Jubliäumssause mit über 400 Gästen am Donnerstag im Haus der Visionäre passt in dieses Expansionsbild.
Am erstaunlichsten dabei: Die allermeisten Gäste kommen wirklich wegen der Lesungen und hören konzentriert zu. Wer zu spät kommt, hat es schwer, einen Sitzplatz im Vorlesesaal zu bekommen, und selbst die größte Hitze im Sommer hält niemand davon ab, nicht doch bis zum Ende zu bleiben. Natürlich sieht das der Zeremonienmeister Schmidt höchst gern, es geht schließlich primär um die Autoren und Autorinnen und deren Bücher.
Und trotzdem: Wer vielleicht doch lieber nur zum Plaudern, Rauchen und Trinken kommt, erhält ab und an zwar einen Rüffel, nicht unähnlich dem Gongschlag, mit dem Schmidt früher zur zweiten Lese-Runde läutete, ist dennoch gern gesehen.
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