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Sylvie Zijlmans & Hewald Jongenelis, The Magnetic North: Amsterdamer Straßenperformance mit einer vermummten Gestalt namens „De Oplichter“.

© Zijlmans & Jongenelis/Reprorecht NL

Ausstellung „Lumen“ in Schloss Biesdorf  : Die Poesie des Lichts funktioniert auch ohne Tiefsinn

In der einstigen Sommerresidenz des Elektropioniers Werner von Siemens widmet sich eine Ausstellung dem Thema Licht. Und verliert sich hier und da.

Stand:

Der Kühlschrank ist rundum verglast und beleuchtet. Darin drängt eine helle Zentaurin ins Freie, stößt an die Glaswände. Aber sie muss drinnen bleiben in ihrem eisigen Gefängnis.

Sonja Alhäuser hat die Skulptur aus Speisefett modelliert. Zu viel pralles Sonnenlicht und sommerliche Wärme und die Figur würde dahinschmelzen. Insofern hat diese Arbeit auch etwas mit dem Ausstellungsthema Licht, lateinisch Lumen, zu tun. Sie wäre, wie jeder Gegenstand, natürlich ohne Licht auch unsichtbar.

Licht lässt uns das Plastische visuell erfahren. Aber das ist ein Allgemeinplatz. So wie manches in dieser Ausstellung, deren bunt gemixte Arbeiten sich nach Auskunft der Wandtexte mit vielschichtiger Bedeutung füllen. Licht, das kann alles und jedes versinnbildlichen, veranschaulichen, erhellen und ist in der bildenden Kunst sowieso unverzichtbar, immer vorhanden und mitgedacht.

Wie unschuldig ist der Regenbogen?

In allen möglichen Erscheinungsformen kommt es hier vor, elektrisch, natürlich, digital gesteuert, farbig durchdekliniert und klassisch auf Leinwand evoziert. Das buchstäblich schillernde Spektrum reicht von der neokubistisch gemalten Schreibtischlampe im Blow Up-Format bis zum Dokumentarvideo einer Amsterdamer Straßenperformance mit einer vermummten Gestalt namens „De Oplichter“. 30 Künstlerinnen und Künstler machen mit. Sie kommen aus den Niederlanden und Deutschland, das Königreich der Niederlande tritt als Mitfinanzier auf.

Ein früherer Bewohner des Schlösschens Biesdorf im Osten Berlins hatte auch mit Licht zu schaffen. Die herrschaftliche Sommerresidenz gehörte dem Industriellen und Elektropionier Werner von Siemens. Sein Unternehmen baute neben Telegrafen und Straßenbahnen auch die erste elektrische Straßenbeleuchtung Berlins.

Am Eingang zur Ausstellung steht eine Ampel. Stopp oder Go? Die Entscheidung muss jeder selbst treffen. Hier leuchten alle drei Lichter gleichzeitig. Das aus Pappe konstruierte Denkmodell „Traffic Light“ stammt von dem fürs Humorvoll-Hintergründige bekannten Rotterdamer Atelier van Lieshout.

Im Aluminiumgarten von Toshihiko Mitsuya mit seinen handgefalteten, polierten Oberflächen spiegelt sich das Licht.

© Shinya Kigure

Schlicht und eingängig geht es weiter. Nebenan sind die hohen Fensterscheiben der denkmalgeschützten Villa vollflächig mit Farbfolie beklebt. Man darf den rosarot oder gelb verfremdeten Ausblick genießen. Der in Berlin lebende Konzeptkünstler Marc Bijl will die politische Instrumentalisierung der unschuldigen Regenbogenfarben hinterfragen.

Bunt strahlt es auch bei Femke Schaap. Ihre Installation aus gestapelten Styroporkuben und hypnotisch rotierender Farbprojektion erinnert an einen fröhlichen Kirmeskiosk. Zwischen U- und E-Kultur changiert auch Gregor Hildebrandts Konzept: Präzis zurechtgeschnittene Schallplatten ergeben ein rotblaues Schachbrettmuster im Stil geometrischer Abstraktion. Die Rillen sind nur aus nächster Nähe zu sehen.

Was mit Neonröhren künstlerisch alles möglich ist, hat der Berliner Berglandschaftsspezialist Sven Drühl ausgereizt. Wie gezeichnete Linien formen seine Leuchtröhren in feinen Schnörkeln, Bögen und Konturen die Motive aus japanischen Holzschnitten nach. Daneben dudelt Tanzmusik zum Filmloop in einem Miniatur-Bordell von Tracey Snelling, das wie ein Bühnenmodell amerikanische Klischees kondensiert. Über dem Eingang leuchtet das Rotlichtlämpchen. „FUCK“ ruft eine Riesenleuchtschrift an der Wand. Licht kann Signal sein und sehr klare Botschaften aussprechen.

Als kuratorisches Team zeichnet das Malerduo Römer + Römer verantwortlich. Schon die vorige Ausstellung im Schloss Biesdorf hatte eine Künstlerin konzipiert, Andrea Pichl. Römer + Römer selbst steuern diesmal eine ihrer großen Leinwandmalereien bei. Die lichtschimmernde Mangrovenlandschaft auf der Sehnsuchtsinsel Mauritius ist nach Fotovorlage gemalt und wirkt wie ein Mix aus Neoimpressionismus und pixeligem Malen nach Zahlen. Licht ist drin. Aber auch die Assoziation an koloniale Vergangenheit.

Die von ihnen ausgewählten Arbeiten sind vielfältig, aber ohne rechten Zusammenhang. Mal wird das Licht von handgefalteten Alu-Pflanzen reflektiert. Mal scheint es durch farbig abstrakte Scherenschnitte, die auf digitale Bildstörungen zurückgehen. Natürlich darf auch die fotografische Technik als klassische Lichtzeichnung nicht fehlen. Elena Karakitsou fängt diffuses Schimmern im historischen Verfahren der Cyanotypie ein. Ihre tiefblauen Papierarbeiten halten sich zurück. So vage kann Licht sein und so poetisch, ganz ohne Tiefsinn.

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