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Luz, hier auf einem Foto von 2023, wurde durch „Charlie Hebdo“ weit über die Comicszene hinaus bekannt.

© AFP/JOEL SAGET

Auszeichnung für historisches Kunst-Drama: Comicfestival von Angoulême ehrt früheren „Charlie Hebdo“-Zeichner Luz

Das französische Festival hat den prominenten Comiczeichner Luz für sein neues Buch ausgezeichnet, ebenso ein Magazin aus Berlin. Manche Siegertitel erscheinen demnächst auf Deutsch.

Stand:

Der frühere Chefredakteur der religionskritischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“, Rénald Luzier alias Luz, ist am Wochenende für sein neues Buch mit dem wichtigsten Comicpreis Frankreichs ausgezeichnet worden. Er bekam auf dem 52. Comicfestival von Angoulême den Fauve d’or, den Preis für die beste Veröffentlichung des Jahres für das historische Kunst-Drama „Deux filles nues“.

Die Graphic Novel, die im Mai unter dem Titel „Zwei weibliche Halbakte“ im Berliner Reprodukt-Verlag auch auf Deutsch erscheint, erzählt anhand eines Gemäldes vom Aufstieg der Nationalsozialisten in Deutschland.

Das Besondere dabei: Die gesamte Handlung wird aus Sicht von Otto Muellers expressionistischem Bild „Zwei weibliche Halbakte“ erzählt, das so zur Hauptfigur der Geschichte wird.

Eine Seite aus der deutschen Ausgabe von Luz’ neuem Buch „Zwei weibliche Halbakte“, die im Mai im Reprodukt-Verlag erscheint (Übersetzung: Lilian Pithan).

© Reprodukt

„Zwei weibliche Halbakte“ war 1919 entstanden und war nach der Machtübernahme Hitlers eines der Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten als „kulturbolschewistische Darstellung pornographischen Charakters“ diffamiert und 1937 in der Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt wurden.

Da wurden Kunstwerke buchstäblich zu Feindbildern gemacht. Darin sehe ich eine Parallele zu meinen eigenen Erfahrungen.

Zeichner Luz über die Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937

Für sein Buch hat sich Luz viel mit dieser Ausstellung beschäftigt. „Da wurden Kunstwerke buchstäblich zu Feindbildern gemacht“, zitiert sein Verlag den 53-Jährigen. „Darin sehe ich eine Parallele zu meinen eigenen Erfahrungen.“ Luz hatte den islamistischen Anschlag auf „Charlie Hebdo“ am 7. Januar 2015 nur durch Zufall überlebt.

Luz war international als Zeichner des ersten „Charlie Hebdo“-Titelbildes nach dem Anschlag bekanntgeworden und übernahm nach der Ermordung von acht seiner Kollegen vor zehn Jahren für einige Monate die Leitung der Comic- und Satirezeitschrift.

Das Festival in Angoulême zieht im comicaffinen Frankreich jedes Jahr Hunderttausende Besucherinnen und Besucher an.

© AFP/ROMAIN PERROCHEAU

Im Oktober 2015 verließ er die Redaktion und hat seitdem mehrere längere Comicerzählungen veröffentlicht. Neben autobiografischen Graphic Novels wie „Katharsis“ und „Wir waren Charlie“ über die Zeit vor und nach dem Attentat ist zuletzt auf Deutsch auch der zweite Band seiner Literaturadaption „Vernon Subutex“ erschienen.

Ich wollte ein historisches Buch machen und habe ein aktuelles Buch gemacht.

Luz

„Zwei weibliche Halbakte“ hat vor der Ehrung in Angoulême, das als das wichtigste europäische Comicfestival gilt, bereits zwei weitere Kritikerpreise in Frankreich bekommen. „Ich wollte ein historisches Buch machen und habe ein aktuelles Buch gemacht...“, sagte Luz am Samstagabend bei der Vergabe des Fauve d’or in Anspielung auf den wachsenden Zuspruch für autoritäre und rechtsextreme Parteien in vielen Ländern.

Ehrungen auch für Anouk Ricard und John Romita Jr.

Weitere Preise in Angoulême gingen in diesem Jahr unter anderem an die französische Comiczeichnerin Anouk Ricard (Großer Preis der Stadt Angoulême), von der auf Deutsch das Buch „Die Experten (für alles)“ bei Edition Moderne erschienen ist sowie an den US-Comiczeichner John Romita Jr., der mit einem Ehrenpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Er hat sich in den vergangenen 40 Jahren als Zeichner für Serie wie „The Amazing Spider-Man“ und „Daredevil“ ebenso einen Namen gemacht wie mit neuen Reihen wie „Kick-Ass“.

Die französische Comicautorin Anouk Ricard wurde für ihr Werk mit dem Grand Prix von Angoulême ausgezeichnet.

© AFP/ROMAIN PERROCHEAU

Den Preis für den besten Comic für junge Leserinnen und Leser gab es für ein weiteres Werk, das demnächst auf Deutsch erscheint: das nach der Katastrophe von Fukushima in Japan spielende Drama „Retour à Tomioka“ („Rückkehr nach Tomioka“) von Szenarist Laurent Galandon und Zeichner Michaël Crouzat. Die deutsche Übersetzung ist für Anfang Mai im Bielefelder Splitter-Verlag angekündigt.

„Rückkehr nach Tomioka“ soll im Mai beim Splitter-Verlag auf Deutsch erscheinen, hier das Cover.

© Splitter

Weitere Auszeichnungen erhielten in Angoulême unter anderem der belgische Zeichner Romain Renard („Revoir Comanche“), von dem auf Deutsch bislang nur der Zweiteiler „Melvile“ (Splitter) vorliegt sowie die Belgierin Alix Garin („Impénétrable“), von der hierzulande bislang nur das Buch „Vergiss mich nicht“ übersetzt wurde, das ebenfalls bei Splitter erschienen ist.

Mit dem Fauve de la Bande Dessinée Alternative ausgezeichnet: Das in Berlin herausgegebene „Hairspray Magazine“.

© Hairspray Magazine

Der Preis für den besten alternativen Comic des Jahres ging in diesem Jahr an ein internationales Gruppenprojekt, das seine Wurzeln in Deutschland hat: Das von der in Berlin lebenden dänischen Künstlerin Karla Paloma herausgegebene „Hairspray Magazine“ wurde mit dem Fauve de la Bande Dessinée Alternative ausgezeichnet. Es enthält neben Comics der Herausgeberin Arbeiten von Elsa Klee, Rikke Villadsen, Martina Sarritzu, Vera Bekema, Noémie Barsolle, Juliette Collet, Simone f. Baumann, Esther Samuels-Davis und Jo Rüßmann.

Keine Auszeichnungen gab es für die vier weitere deutschen Zeichnerinnen, die in diesem Jahr auf der Auswahlliste des Festivals standen. Anke Feuchtenberger, Jennifer Daniel, Marijpol Tanja Esch waren in der „Sélections Officielles 2025“ mit den französischen Übersetzungen ihrer aktuellen Bücher nominiert worden – was bereits als große Ehrung für die deutsche Comicszene angesehen werden kann. Einen Preis bekam aber keine der vier Autorinnen.

Eine vollständige Liste aller Auszeichnungen beim Festival International de la Bande Dessinée d’Angoulême gibt es auf der Website des Festivals.

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