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Clubs, Games und Vertriebene: Das steht über Kultur im Koalitionsvertrag
Ende April soll die neue Bundesregierung stehen. Zum Thema Kultur gibt sie sich liberal und weltoffen. Der Bestand soll gesichert werden. Und es gibt ein paar Steckenpferde.
Stand:
Ganze fünf Seiten umfasst das Kapitel „Kultur und Medien“ im Koalitionsvertrag von Union und SPD, fünf Seiten von 144 unter dem Titel „Verantwortung für Deutschland“. Das kann man mager finden, es zeigt aber auch, dass die künftige Bundesregierung hier nicht unbedingt großen Regulierungsbedarf sieht. Und das lässt sich als positives Zeichen werten. Die Formulierungen im Ampel-Vertrag zur Kultur klangen übergriffiger.
Das jetzt präsentierte Papier wird in vielen Punkten geduldig sein müssen. Jeder Tag bringt eine neue weltpolitische Krise, so fühlt es sich an. Da lesen sich solche Sätze fast schon wieder beruhigend: „Kultur ist das Fundament unserer Freiheit. Kunst inspiriert, irritiert und eröffnet neue Perspektiven. Ohne freie und kraftvolle Kunst verkümmert, was jedem Fortschritt zugrunde liegt: die Fähigkeit, unser Leben zu reflektieren und uns ein besseres vorzustellen.“ Und weiter heißt es im Text der Koalitionäre: „Kulturpolitik ist gesellschaftsrelevant.“
KI kommt zu kurz
Das gilt über die eigenen Grenzen hinaus. „Internationale Kooperationen, Kulturaustausch, Kulturdiplomatie und Kulturtourismus“ sollen intensiviert werden. Beim Goethe-Institut und den anderen Mittlerorganisationen der Bundesrepublik wird das gut ankommen. Die Frage ist, ob sich das auch in den Zuwendungen niederschlägt. Bemerkenswert ist die Feststellung: „Unser Land soll ein Leuchtturm für freie Kunst und Kultur in der Welt sein“, eine Botschaft an die Trumps und Putins und Erdogans dieser Welt, eine starke Verpflichtung.
Natürlich müssen Zweifel angemeldet werden, ob und wie das alles bezahlt werden kann, wenn in der Vereinbarung steht: „Wir sind Kultureinrichtungen, Freier Szene und Breitenkultur ein verlässlicher Partner. (...) Sonderinvestitionen, an denen der Bund beteiligt ist, führen wir fort. (...) Wir stabilisieren die Finanzierung der Kulturstiftung des Bundes und aller acht Bundeskulturfonds. Wir berücksichtigen bei der Bundesförderung Mindestgagen und Honoraruntergrenzen.“ Etaterhöhungen kündigen sich da nicht unbedingt an, aber auch keine Kürzungen. Konsolidierung kostet Geld, bei steigenden Preisen und Inflation.
Ist genug Geld da?
Wenig Überraschendes findet sich zum Thema Erinnerungskultur und Gedenkstätten. Die „Aufarbeitung des Kolonialismus“ und der SED-Diktatur soll verstärkt werden, da wird die Politik der scheidenden Kulturstaatsministerin Claudia Roth von den Grünen im Prinzip weitergeführt. Allerdings wird jetzt dem „Kulturellen Erbe der Heimatvertriebenen“ ebenso viel Platz eingeräumt wie dem Komplex „Kultur & KI“ und Digitalisierung.

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In der Medienpolitik wird erst einmal festgestellt, was selbstverständlich ist und doch auch unter Druck steht: „Unabhängige und vielfältige Medien sichern eine freie öffentliche Debatte.“ Es könnte eine Abgabe für Online-Plattformen kommen, die Medieninhalte nutzen, die Erlöse sollen dem Medienstandort zugutekommen. Bemerkenswert die Formulierung über Print-Produkte: „Die Herausforderungen der Zustellung der Zeitungen werden wir mit den Verlagen erläutern“, was immer das heißen mag.
Durch den Koalitionsvertrag weht nur hier und dort Zukunftsmusik. Ein Novum: „Es braucht ,Kulturschutzgebiete’, in denen Bestandsschutz gilt und Clubs als Kulturorte durch die Baunutzungsverordnung anerkannt werden“. Auch „Games sind ein Kulturgut und Innovationstreiber“, da soll es „steuerliche Anreize und Förderprogramme“ geben. Und eine von Friedrich Merz geführte Bundesregierung setzt sich „für die Förderung der Musikwirtschaft und der Popkultur ein“.
Das ist O-Ton Joe Chialo. Berlins Kultursenator saß in der Arbeitsgruppe 14 in den Koalitionsverhandlungen. Die Club- und Popkultur interessiert ihn mehr als alles andere. Der CDU-Politiker ist nach wie vor als kommender Kulturstaatsminister im Gespräch, obwohl er in der Berliner Kulturpolitik nie angekommen ist und großes Durcheinander hinterlässt, sollte er zum Bund wechseln – was für viele in der CDU als ausgemacht gilt. Chialo sei dicht an Merz dran, heißt es.
Es muss nicht so kommen. Seinerzeit hat Olaf Scholz bei der Verteilung der Ämter in der Ampel im letzten Moment seinen Hamburger Parteifreund Carsten Brosda ausgebootet, die Grünen bekamen die Kultur im Kanzleramt. Brosda, der das Koalitionspapier jetzt auch mitverhandelt hat, wäre der Beste an dem Platz. Aber darum geht es nicht. Qualifikation und Kompetenz sind zweitrangig.
Als heiße Kandidatin wird auch die sächsische Bundestagsabgeordnete Christiane Schenderlein gehandelt. Ostdeutsche Herkunft könnte von Vorteil sein, wenn es um die Verteilung der Posten geht. Bis dahin sind es noch einige Wochen. Sicher ist indessen nur, dass die CDU das Amt des Staatsministers oder der Staatsministerin für Kultur und Medien im Kanzleramt besetzt. Das steht so im Koalitionsvertrag. Ein eigenständiges Ministerium für diesen Bereich, wie gelegentlich gefordert, wird es nicht geben.
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