
© Kamome Shirahama / Kodansha Ltd.
Manga-Star Kamome Shirahama: „Einen Vergnügungspark zu zeichnen, wäre mein absoluter Horror“
Mangazeichnerin Kamome Shirahama wird mit ihrer Serie „Atelier of Witch Hat“ international gefeiert. Im Tagesspiegel-Fragebogen gibt die Japanerin Einblicke in ihre Arbeit.
Stand:
Wer hat Sie künstlerisch geprägt? Welche Werke von Kolleginnen und Kollegen gefallen Ihnen besonders? Was empfehlen Sie Comic-Einsteigern? Im Tagesspiegel-Fragebogen geben Zeichnerinnen und Zeichner Einblicke in ihre Arbeit und in ihre Leidenschaft für die Kunstform. Heute: die international populäre Mangazeichnerin Kamome Shirahama („Atelier of Witch Hat“), die kürzlich auf der Leipziger Buchmesse und der parallel sattfindenden Manga-Comic-Con als Ehrengast zu Besuch war. Dort hat sie auch den Tagesspiegel-Fragebogen beantwortet.
1. Was kommt bei Ihrer Arbeit zuerst: Worte oder Bilder?
Zuerst überlege ich mir, was und wie die Charaktere an welchen Stellen etwas sagen würden, danach überlege ich mir den Panelaufbau. Also erst die Worte, dann die Bilder.
2. Hören Sie beim Zeichnen Musik, und wie beeinflusst Sie das?
Ich höre sehr viel Musik und singe auch sehr viel dazu.
3. Was essen oder trinken Sie am liebsten bei der Arbeit?
Bevor ich mit der Arbeit beginne, trinke ich einen Kaffee, das ist mittlerweile zu einer Routine geworden. Während der Arbeit trinke ich einen speziellen chinesischen Tee, den Lapsang Souchong. Agatha Christie hat wohl diesen Tee auch beim Schreiben getrunken, das hat mich irgendwie inspiriert und seitdem trinke ich beim Arbeiten den Lapsang Souchong.
4. Angenommen Ihre Wohnung brennt: Welche Comics würden Sie auf jeden Fall aus Ihrem Regal retten?
Zuerst würde ich natürlich alle wichtigen Akten retten und später dann die Manuskripte zu meinen Manga, damit diese sicher sind. Aber auch die neue Edition von „Atelier of Witch Hat“, die gerade zur Buchmsse erschienen ist, die ich heute zum ersten Mal in den Händen halte. Sie ist so schön geworden, dass sie auf jeden Fall gerettet werden muss.
5. Welche Zeichner/innen und Autor/innen waren für Ihre eigene Entwicklung die prägendsten?
Ich beziehe Inspiration von sehr vielen Künstlerinnen und Künstlern, deshalb ist es sehr schwer mich, mich da auf eine oder zwei festzulegen. Wenn ich aber gezwungen wäre mich zu entscheiden, würde ich mich auf Ōtomo Katsuhiro, den Schöpfer von „Akira“, den französischen Comickünstler Moebius oder auch Hagio Moto festlegen.
Mangaka Kamome Shirahama zeichnet live auf der Leipziger Buchmesse 2025:
6. Welchen Comic würden Sie jemandem empfehlen, der sonst eigentlich keine Comics liest?
Ich würde allen empfehlen, sich mindestens einmal das Shojo-Genre und die Werke von Hagio Moto anzuschauen!
7. Glauben Sie, dass der Comic aktuell die Aufmerksamkeit hat, die er verdient?
In den letzten Jahren hat eine große Entwicklung stattgefunden. Ich habe den Eindruck, dass sowohl Comics als auch Manga immer mehr Menschen anziehen. Es bekommen auch deutlich mehr Manga eine Anime-Umsetzung, was dazu führt, dass sie noch von mehr Fans gefeiert und wahrgenommen werden. Besonders in Japan habe ich den Eindruck, dass eine sehr große Anziehung und Beliebtheit vorhanden sind.

© Kamome Shirahama / Kodansha Ltd.
8. Welche zeitgenössischen Comiczeichner/ innen verdienten mehr Aufmerksamkeit, als sie sie im Moment haben?
Eine sehr schwierige Frage, weil es so viele gibt, dass ich mich kaum festlegen kann! Im Prinzip ist jedes Werk, das von Künstlern geschaffen wird, ein Meisterwerk und sollte entsprechend gewürdigt werden. Wenn man sich für bestimmte Genres interessiert, wäre es schön, wenn sich alle in dieses Werk hineinversetzen und würdigen könnten.
9. Wenn Sie einen hoch dotierten Preis für das Comic-Lebenswerk zu vergeben hätten, wer würde ihn bekommen?
Diejenigen, die in der Sparte Comic und Manga ihr ganzes Leben lang großes geleistet haben, haben meistens schon durch ihre Verkäufe relativ viel Geld. Deshalb würde ich vorschlagen, diesen Preis und dieses Geld den Assistierenden und Mitarbeitenden verleihen, die sich so viel Mühe gegeben haben, dass diese Werke so ein großer Erfolg sind!
10. Wie würden Sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an Ihren Comics ist?
Meine Geschichten werden hauptsächlich auch durch ihre Bilder entwickelt, deshalb kann es schwierig sein, auch für Menschen mit Behinderung, einen Zugang dazu zu finden im Vergleich zu Filmen. Denn dort gäbe es ja noch die Geräuschkulisse und so kann man einen Teil der Atmosphäre erfassen. Deswegen könnte es natürlich sein, dass eine blinde Person weniger Freude an meinem Manga hat. Allerdings versuche ich immer in den Sprechblasen, den Verlauf der Story zu erklären, also nicht nur durch die Bilder. Die Charaktere beschreiben so nochmal selbst, in welcher Situation sie gerade sind. Gerade bei Kinder-Manga ist es eben oft so, dass nicht nur Bilder vorhanden sind, sondern eben auch in Sprechblasen textlich untermalt wird, was passiert. So eignet sich der Manga auch zum Vorlesen und Bilder können in der Fantasie entstehen. Auch in Zukunft möchte ich darauf achten, dass sich viele Menschen an meinen Manga erfreuen können.
11. Woran arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade Fragebogen ausfüllen?
Wenn ich nicht gerade Fragebögen ausfülle oder Manga und Illustrationen zeichne, kümmere ich mich sehr viel um meine Hunde.

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12. Wieso würden Sie einem jungen Menschen raten, Comic-Autor/in zu werden - und wieso würden Sie ihm oder ihr davon abraten?
Wer durch Manga eine eigene Botschaft vermitteln möchte, das eigene Denken verwirklichen möchte, dem würde ich empfehlen diesen Weg zu beschreiten und Mangaka zu werden.
Wer allerdings keine Botschaft hat, sondern einfach um des Mangaka-Seins Willen Mangaka werden möchte, für diese Person würde sich vielleicht eher ein anderer Weg anbieten. Sonst muss er oder sie in bestimmten Situationen mit sehr viel Schwierigkeiten rechnen und kann Probleme, die auftreten, nicht so leicht überwinden.
13. Wie fühlt es sich für Sie an, Ihre Zeichnungen als gedruckte Bücher in der Hand zu halten?
Die eigenen Werke im Prozess zu beobachten ist sehr schön, aber dann in der fertigen Version in den Händen zu halten ist einfach wundervoll und macht mich sehr glücklich. Allerdings ist es auch immer so, dass wenn man eine fertige Version in den Händen hält, einem auch plötzlich Fehler auffallen und man sich sehr ärgert, wenn man vielleicht doch etwas lieber anders gezeichnet hätte. Das muss man auf jeden Fall dazu sagen!
14. Welche Noten hatten Sie im Kunstunterricht?
Ich war in einer auf Kunst spezialisierten Schule. Es gab hier nicht nur den normalen Kunstunterricht, sondern sehr unterschiedliche Fächer, in Ausrichtung dahin, dass die Menschen später in den Kunstbereich gehen werden. Es gab also sehr unterschiedlichen Unterricht. Was das Zeichnen angeht, hatte ich sehr gute Zensuren, aber zum Beispiel gab es auch Computerunterricht, der fiel mir eher nicht so leicht!
15. Was können Sie überhaupt nicht zeichnen?
Ich zeichne sehr gerne Naturbilder, das fällt mir sehr leicht, weil ich große Freude daran habe. Im Gegenzug fällt es mir nicht so leicht, alles Technische zu zeichnen. Auch moderne Dinge wie Autos, Hochhäuser und Fahrräder gehen mir nicht so leicht von der Hand. Ich möchte auf gar keinen Fall ein Riesenrad zeichnen! (Lacht.) Ein Vergnügungspark wäre mein absoluter Horror zu zeichnen. (Lacht weiter.)
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