zum Hauptinhalt
Thilo Mischke

© obs/Marc Rehbeck

Der Fall Thilo Mischke: Lieber Hintern erkennen als Fehler einsehen

Eigentlich sollte Thilo Mischke Moderator der ARD-Kultursendung „Titel, Thesen, Temperamente“ werden. Nun gibt es wegen eines Sex-Reisebuchs eine Debatte darüber, ob er dafür geeignet ist.

Stand:

Wenig besinnlich dürfte es die Weihnachtstage bei TV-Journalist Thilo Mischke zugegangen sein. Der Berliner soll ab Mitte Februar 2025 die ARD-Kultursendung „Titel, Thesen, Temperamente“ („ttt“) moderieren und damit das langjährige Gesicht der Show, Max Moor, ablösen. An Mischkes Seite soll die bisherige Co-Moderatorin Siham El Maimouni bleiben.

Einen Namen machte sich Thilo Mischke mit seinen Reportagen für die ProSieben-Sendung „Uncovered“, unter anderem 2020 mit einer über die rechtsradikale Szene in Deutschland, „Rechts. Deutsch. Radikal“, die hohe Einschaltquoten erlangte. Kurz vor Weihnachten teilte er auf seinem Instagram-Account mit, was sein Kulturbegriff ist, nämlich „ein sehr unterkomplexer. Ich möchte, dass jeder Mensch in der Lage ist, Kultur zu konsumieren. Ich bin Kind zweier Buchhändler und groß geworden mit dem Verkaufen von Büchern, also dem Verkaufen von Kultur.“

Doch nun gibt es im Internet und unter Medienschaffenden eine Debatte darüber, ob Mischke wirklich der Geeignete ist, die Kultursendung der ARD zu moderieren. 2010 hat er das Buch „In 80 Frauen um die Welt“ veröffentlicht, in dem er über seinen Versuch schreibt, auf einer Weltreise mit möglichst vielen Frauen zu schlafen – und so eine Wette mit seinen Kumpels zu gewinnen.

Mischke behauptet, Vergewaltigung sei etwas „urmännliches“

Das Buch beginnt mit den Worten „Ich erkenne ihren Hintern überall“, und es hält auch im Rest nicht mit sexistischen, misogynen und rassistischen Beschreibungen und Fantasien zurück. „Ich wollte Fingerabdrücke nehmen, heimlich Nacktfotos machen, Tonbandaufnahmen vom Sex“, heißt es an einer Stelle.

Ganz offensichtlich handelt es sich hier nicht um ein lyrisches Ich. Das Buch ist als „Reisebericht“ ausgewiesen; Thilo Mischke ziert mit Zigarette im Mundwinkel das Cover. Der Autor hat sich mittlerweile zwar vom Titel seines Buchs distanziert und eine Neuauflage verhindert. Den Inhalt sieht er jedoch offenbar nicht ganz so kritisch. In seinem Podcast „Alles muss raus“ sagte er im März 2021: „Das Buch selber ist kein Fehler.“

Auch hat Mischke ein weiteres Buch geschrieben mit dem Titel „Die Frau fürs Leben braucht keinen großen Busen“, zudem eine Kolumne für das Männermagazin „GQ“ übers Frauenaufreißen. Außerdem laviert er in einer Folge seines Podcasts darüber, dass Vergewaltigung etwas „urmännliches“ sei, das dem modernen Mann nur aberzogen wurde.

Im Netz losgetreten haben die Debatte um Mischke die Journalistinnen Annika Brockschmidt, Rebekka Endler und Anja Rützel. In der Folge „Die Causa TTThilo Mischke“ des Podcasts „Feminist Shelf Control“ sprechen sie mit anderen Medienleuten darüber, warum sie Mischke nicht für einen geeigneten Moderator für eine der wichtigsten Kultursendungen Deutschlands und seine Besetzung für „beschämend“ halten.

Mischke, sagen sie, habe vielfach bewiesen, dass er nicht geeignet sei, über sensible Themen wie sexualisierte Gewalt zu sprechen – ein Thema, das in einer Kultursendung zwangsläufig auftauchen wird.

Und sie argumentieren, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich wegen einer, aus ihrer Sicht, geringeren Verfehlung von einer Frau getrennt habe: 2021 musste die Journalistin Nemi El-Hassan „Quarks“ verlassen, weil sie sieben Jahre zuvor an einer Demonstration teilgenommen hatte, auf der andere Teilnehmer israelfeindliche Aussagen tätigten.

Fairerweise muss man erwähnen, dass sich der RBB in diesem Jahr auch von Radiomoderator Sebastian Hotz getrennt hat, nachdem dieser einen Witz über den Anschlag auf Donald Trump im Juli 2024 gemacht hatte.

Thilo Mischke hat bislang zu der Debatte geschwiegen. Der Sender dagegen hat die Kritik zur Kenntnis genommen und auf dem „ttt“-Instagram-Account ein Statement veröffentlicht. Man verstehe „ttt“ als Marke, „die sich konsequent mit Themen wie Sexismus und toxischer Männlichkeit auseinandersetzt“. Feministische Perspektiven würden die Arbeit prägen und diese Werte seien „nicht verhandelbar“.

„Wir nehmen eure Kritik ernst. Deswegen gibt es bereits seit Tagen intensive Gespräche, um die Vorwürfe zu prüfen“, so der Sender: „Wir sitzen das nicht aus“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })