
© Grandfilm/Ulrich Seidl Filmproduktion
„Veni Vidi Vici“ im Kino: Eine eiskalte Satire auf die Welt der Superreichen
Ein Milliardär kennt keine Moral. Das österreichische Regieduo Daniel Hoesl und Julia Niemann erzeugt mit „Veni Vidi Vici“ ein Maximum an Unbehaglichkeit über gesellschaftliche Lethargie.
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Ich kam, ich sah, ich siegte – das Zitat von Julius Caesar als Filmtitel fasst Amon Maynards Leben treffend zusammen. Maynard (Laurence Rupp) ist der König Midas unter den Investoren. Alles, was er anpackt – ob eine Firmenübernahme oder den Bau der größten Batteriefabrik Europas mitten auf grüner Wiese im Naturschutzgebiet –, gelingt.
Sein Instinkt für die Zukunft und die hohe Risikotoleranz machen ihn überdies zum Lieblingspartner der Politik. Einer in „Veni Vidi Vici“ eher unterbemittelten Kaste, deren Ignoranz so groß ist wie ihre Skrupellosigkeit.
Ein Familienmensch ist der jungenhaft auftretende Maynard auch noch. Gattin Viktoria (Ursina Lardi) ist er ergeben, obwohl es mit ihrer Fortpflanzungsfähigkeit zeitweise eher mau aussieht.
Bei jeder Gelegenheit tollt Maynard mit den kleinen, auserlesen multiethnischen Adoptivtöchtern Coco und Bella durch den mit wenigen Designermöbeln veredelten Palast. Die Älteste, Polo-Champ Paula, die in „Veni Vidi Vici“ als Erzählerin aus dem Off fungiert, wird in liebevollem Laissez-faire zur Nachfolgerin geformt. Auch am Gewehr.
Die Jagd ist Maynards große Leidenschaft. Die auf Menschen wohlgemerkt. Assistiert von Butler Alfred nietet er sie in Gestalt von Radlern, Liebespaaren oder Joggern im Wald um. Zusehends verzweifelt staunt er darüber, dass ihn trotz der Offensichtlichkeit seines Tuns niemand dafür zur Rechenschaft zieht.
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Genau das ist der Punkt, den das österreichische Regieduo Daniel Hoesl und Julia Niemann in seiner bitterbösen Satire macht. Die Privilegierten sind die Unantastbaren. Sie stehen über dem Gesetz. Sie sind mächtiger als die Politik. Man muss sich nur Figuren wie Musk, Trump, Bezos oder Zuckerberg anschauen, um diese ironische Überzeichnung erschreckend einleuchtend zu finden.
Amoralische Wohlstandsverwahrlosung
Produziert hat „Veni Vidi Vici“ Ulrich Seidl, der Großmeister im Beobachten und Darstellen asozialer Dekadenz im bürgerlichen Gewand, dem Hoesl früher assistiert hat. Mit Filmen wie der Investmentbanking-Satire „WinWin“ und „Davos“, einem Dokumentarfilm über das World Economic Forum, haben Daniel Hoesl und Julia Niemann sich in der filmischen Aufarbeitung der Welt des Geldes etabliert.
Anders als Ruben Östlunds auf Luxus-Schauwerte und Ekeleffekte setzende Groteske „Triangle of Sadness“ (2022) und David Schalkos auf Exzentrik getrimmtes Milliardärssittenbild „Altes Geld“ (2015) geht es in „Veni Vidi Vici“ gefühlt zwanzig Grad kühler zu.
Die amoralische Wohlstandsverwahrlosung der Familie Maynard ist verpackt in das Unschuldslämmerweiß der Kleidung, der Wände, des Porsches. Und in Phrasen wie „Ehrlich währt am längsten“ und „Leistung muss sich schließlich lohnen“, die Anwältin Viktoria und Schülerin Paula mit Unschuldsmienen aufsagen. Blutiger Zynismus rein wie Schnee.

© Grandfilm/Ulrich Seidl Filmproduktion
Wären da nicht die Toten, könnte man das Familienidyll, das meist hyperrealistisch in distanzierten Totalen inszeniert ist (Kamera: Gerald Kerkletz), fast für echt halten. Doch auch wenn „Familie ist alles“ Amon Maynards Credo ist, ahnt man schnell, dass es in dieser soziopathischen Welt pervertierter Individualisten jederzeit möglich ist, in Ungnade zu fallen.
Immerhin erfahren die Kinder ein Maximum an erzieherischer Toleranz. „Ladendiebstahl? Das ist doch würdelos, streng dich ein bisschen an, Paula“, weist Viktoria die von der Polizei ertappte Teenager-Tochter zurecht, die mit ihrer Rich-Kid-Clique in einem Laden geklaut hat. Kurzerhand wird der migrantische Ladenbesitzer entschädigt, der seine Anzeige eilfertig zurückzieht.

© Grandfilm/Ulrich Seidl Filmproduktion
Paula lernt schnell, als ihr Butler und Waffenmeister Alfred in der hauseigenen Feuerwaffenkammer zeigt, wie man ein Gewehr zusammenbaut. Alfred war früher Journalist, erzählt sie aus dem Off. So wie Volker Carlotta, der Maynard längst als Todesschützen erkannt hat. Nur, dass seine Recherche niemanden interessiert. Der rechtsfreie Raum, von dem Law-and-Order-Politiker immer in Bezug auf Straßenkriminalität schwadronieren, der existiert in der Investmentwelt der Superreichen, für die keinerlei Regeln existieren.
Dass „Veni Vidi Vici“ erklärtermaßen ein Aufruf ist, deren Treiben zu stoppen, funktioniert nur bedingt. Auch wenn Daniel Hoesl und Julie Niemann das empathiefreie Wesen ihrer Protagonisten mit scharfem Skalpell sezieren, ändert das nichts daran, dass der Lebensstil der Milliardäre stärker fasziniert als ein Normalverdienerleben. Mag er auch moralisch verwerflich und mit verbrecherischen Methoden erworben sein. Ein Leben als König der kapitalistischen Nahrungskette ist allemal mehr sexy, als an deren Ende zu stehen.
Trotzdem versteht es „Veni Vidi Vici“ fies und gekonnt, ein – durchaus in die Realität übertragbares – Maximum an Unbehaglichkeit über die Lethargie von Politik, Polizei, Presse und Plebs zu erzeugen.
„Wer wird mich stoppen?“, lautet das Zitat, das der Satire voransteht. Tja, wer? Amon Maynard ist gut beraten, die liebe Paula genau im Auge zu behalten.
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