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Hissa Hilal und ihre Konkurrenten bei der TV-Show "Poet der Millionen".

© Brockhaus/Wolff Films

Doku „The Poetess“ über Hissa Hilal: Eine Dichterin kämpft gegen religiöse Extremisten

„The Poetess“: Ein Porträtfilm über die Dichterin Hissa Hilal, die sich in Saudi-Arabien gegen Islamismus und starre Vorschriften für Frauen einsetzt.

Eine schwarz verhüllte Frau nimmt Platz auf einem riesigen roten Sessel. Scheinwerfer strahlen sie an, während eine dreiköpfige männliche Jury sie stumm mustert. Um das nächste Thema anzusprechen, brauche es Mut, sagt Hissa Hilal mit zitternder Stimme. Dann trägt sie ein Gedicht vor, das um die Welt gehen wird. Vor dem riesigen Publikum der Fernsehshow „Poet der Millionen“ in Abu Dhabi kritisiert sie die Fatwas, islamische Rechtsgutachten. Es folgen Beiträge der „New York Times“ und BBC über ihr Gedicht und Morddrohungen religiöser Hardliner aus Hilals Heimat, Saudi-Arabien. „Wenn sie mich umbringen, werde ich als Märtyrerin für die Menschlichkeit sterben“, sagt sie.

Das war 2010. Die damals 42-jährige Hissa Hilal erreichte als erste Frau das Finale des beliebten arabischen Dichterwettbewerbs. Vollständig verhüllt im schwarzen Nikab und dem Überkleid Abaya kann sie keinen größeren Kontrast zu den weiß gekleideten, selbstbewusst in die Kamera blickenden Männern darstellen, die sich mit ihr um den Titel bewerben. Mit dem Dokumentarfilm „The Poetess“ haben Stefanie Brockhaus und Andreas Wolff der Dichterin jetzt ein eindrückliches Porträt gewidmet.

Die Frau hinter dem Schleier zeigen sie dabei nicht im Wortsinn, Hilal nimmt ihre Gesichtsbedeckung nie ab. Brockhaus und Wolff haben Hilals Interview im extremen Close-up gefilmt, der ihre Augen zeigt. Mit konventionellen Mitteln erzählen sie die Geschichte einer faszinierenden Frau. Ausschnitte aus der „Poet der Millionen“-Sendung wechseln mit Szenen aus Hilals Alltag mit ihren Töchtern sowie Gesprächen mit Hilal und ihrem Ehemann, einem Journalisten. Sie erzählt von der Geschichte Saudi-Arabiens, wie die Islamisten seit der blutigen Besetzung der Großen Moschee 1979 immer rigidere, absurdere Regeln durchsetzen konnten.

In der Wüste genossen Frauen Freiheit

Hilal ist leidenschaftliche Muslimin, sie liebt die reiche Geschichte des Islam. Könnte sie es sich aussuchen, würde sie den Schleier lieber nicht tragen. Aber sie sieht ihn auch nicht als Symbol einer hasserfüllten Ideologie, zu dem islamistische Extremisten ihn machen wollen. In der Wüste wäre die Gesichtsbedeckung für Frauen einfach praktisch gewesen, als Schutz gegen die Sonne und übergriffige Männer, erzählt sie.

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Überhaupt, die Wüste. Hilal stammt aus einer Beduinen-Familie. In der Wüste genossen die Frauen Freiheit, konnten tun und lassen, was sie wollten. Als Hilal ein Kind war, zog ihre Familie in die Stadt, verkaufte die Kamelherde. Und passte sich den strengen Regeln an. „Wenn man einen freien Vogel früh in einen Käfig sperrt, gewöhnt er sich nach und nach daran“, sagt Hilal über diese Zeit. In einer Schlüsselszene kämpft sie sich allein durch die Wüste, gegen den Sturm. Ihr schwarzes Gewand flattert im Wind.

Plädoyer für einen gemäßigten Islam

Hilal will sich nicht dem Klischee der muslimischen Frau als Opfer fügen. So weist sie in einer Archivaufnahme eine Journalistin in die Schranken, die fragt, wie sie in dem als besonders frauenfeindlich geltenden Saudi-Arabien leben könne. Sie glaube nicht, dass Frauen in Europa prinzipiell glücklicher seien als Frauen in Saudi-Arabien, antwortet Hilal. Sie selbst lebe gerne dort und kritisiere nicht ihr Land, sondern den Extremismus, die Rigidität und den Terror, der sich in der islamischen Welt verbreitet hat. Brockhaus und Wolff zeigen, dass unter einem Nikab keine unterdrückte, verschüchterte Frau stecken muss. Hilal ist intelligent, mutig und selbstbestimmt – auch wenn sie ihren Mann um Erlaubnis bitten musste, um an der Fernsehsendung teilzunehmen, die sie berühmt gemacht hat. So will es das Gesetz.

„The Poetess“ nimmt Hissa Hilals Überzeugungen an, der Film ist selbst ein Plädoyer für einen gemäßigten Islam. In Saudi-Arabien geht dank der Reformbemühungen des Kronprinzen Salman scheinbar einiges voran: Ein Kino hat eröffnet, Frauen dürfen Auto fahren, und sexuelle Belästigung soll unter Strafe gestellt werden. Doch wurden vor Kurzem überraschend mehrere prominente Frauenrechtlerinnen als angebliche Spioninnen verhaftet.

Wegen dieser Entwicklungen hat Hissa Hilal sich dagegen entschieden, an der deutschen Premierentour für den Film teilzunehmen. Es ist noch ein weiter Weg durch den Sturm für die Dichterin.

Läuft im fsk-Kino am Oranienplatz

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