
© dpa/Monika Skolimowska
Entwarnung beim Berliner Kultur-Spardrama: Die Planlosigkeit ist erschreckend
Keine Kürzungen für die Kinder- und Jugendtheater, aber für die Freie Szene bleibt es düster. Die korrigierte Sparliste zeigt, wie planlos der Senat bisher konsolidiert hat. Und was wird mit der Komischen Oper?

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Die gute Nachricht: Offenbar kommt doch nicht alles so schlimm wie befürchtet, und wie es verkündet war, auch von Kultursenator Joe Chialo.
Nach der korrigierten Konsolidierungsliste, über die zuerst der RBB berichtete und die auch dem Tagesspiegel vorliegt, entfallen etliche drastische Kürzungsvorgaben für Berlins Kultureinrichtungen. Oder sie werden spürbar reduziert. Die neue Liste sollte am Freitagabend von der Regierungskoalition auf den Weg gebracht werden, am kommenden Mittwoch steht sie in zweiter Lesung im Hauptausschuss auf der Agenda. Auch ist die „zentrale Tarifvorsorge“ wieder gesichert, die Häuser müssen die Tarifsteigerungen also nicht selbst ausgleichen.
Die schlechte Nachricht: Bei der freien Szene schlägt das weniger zu Buche als bei den großen Häusern. Natürlich ist zu begrüßen, wenn die Berliner Philharmoniker nun gar keinen Sparbeitrag leisten müssen, und vor allem die Kinder- und Jugendtheater nicht. Beim Grips und dem Theater an der Parkaue wurden die Kürzungen zurückgenommen, ebenso beim HAU und der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH. Beim publikumsnahen Konzerthaus, dem BE, der Schaubühne und dem Deutschen Theater wurden sie verringert, um 400.000 bis 1,4 Millionen Euro.
Von einem Happy-End kann trotzdem nicht die Rede sein: Es bleibt etwa beim Aus für die Berlin Mondiale oder die Kulturraum Berlin gGmbH, die erschwingliche Arbeitsräume für rund 3000 Künstler:innen aller Sparten bereitstellt – auch wenn es heißt, dass Mittelbindungen geprüft werden. Gemeint sind wohl die teils langfristigen Mietverträge. Zwar liest man mit Erleichterung, dass der Diversitätsfonds in Deutschlands diversester Stadt nun doch nicht abgeschafft wird, sondern lediglich von 500.000 auf 400.000 Euro schrumpft. Aber an den Einschnitten etwa für das Künstlerhaus Bethanien ändert sich nichts, auch nicht bei der Kürzung für die Lautten Compagney, das traditionsreiche und beim Publikum beliebte Alte-Musik-Ensemble.
Und was wird mit der Komischen Oper, dem gestrichenen Haushaltstitel 70105? Ohne die für 2025 geplanten 10 Millionen Euro ist das Bau- und Sanierungsvorhaben gestoppt, mit der Folge garantiert erheblicher Mehrkosten. Auf der Korrekturliste ist dazu nichts vermerkt. Es wäre eine Katastrophe, nämlich das Aus für das Stammhaus in der Behrenstraße, wenn es dabei bliebe.
In der Stadt kursieren allerdings Gerüchte über neue Finanzierungspläne, wie vor ein paar Tagen von der „B.Z.“ kolportiert, womöglich mithilfe des Verkaufs eines landeseigenen Grundstücks.
Dem Vernehmen nach wird noch eruiert, außerdem geht es derzeit vor allem darum, die „Migrationsmittel“ sicherzustellen, damit die Oper weiter im Schillertheater spielen kann. Die Dinge seien im Fluss, hatte Chialo vor zwei Wochen im Kulturausschuss gesagt. Offenbar handelt es sich um einen Fluss voller Strudel und Stromschnellen. Bis zur endgültigen Verabschiedung des Haushalts am 19. Dezember werden die betroffenen Einrichtungen und Kulturschaffenden wohl noch so manche Änderung aus der Presse erfahren.
Trotzdem ist die Erleichterung groß. Haben all die Proteste, Petitionen und Trauermärsche also doch etwas genutzt? Jein. Denn offenbar ist es keineswegs so, dass Joe Chialo die Haushälter doch noch mit gewichtigen Argumenten überzeugen und von der Verpflichtung der Kultur zu einer größeren Marktorientierung abbringen konnte. Sondern dass sich wohl erst jetzt herausstellte, welche Posten ohne jede Not eingespart werden können.
Der dickste Posten: Haushaltstitel 89110, „Zuschüsse für den Ausbau von Arbeitsräumen für Künstlerinnen und Künstler“ (nicht zu verwechseln mit den Zuschüssen für die Kulturraum gGmbH) in Höhe von 21,35 Millionen Euro. Hier werden statt zwei Millionen Euro ganze 18 Millionen Euro gekürzt, Geld, mit dem jetzt anderweitig Abhilfe geschaffen wird. Als Grund wird angegeben, dass diese Mittel bislang gar nicht abgerufen worden seien.
Wer hat das trotz monatelanger Erarbeitung der Sparliste nicht gesehen, oder nicht gewusst? Joe Chialo, der Finanzsenator, die Fraktionsspitzen? Ähnlich verhält es sich mit den Zuschüssen an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die laut ursprünglicher Liste nicht gekürzt werden sollten. Jetzt können plötzlich knapp sechs Millionen Euro eingespart werden, da die Berliner Zahlungen an die des Bundes geknüpft sind – und letztere 2025 entfallen. War das vor zwei Wochen keinem in der Kulturverwaltung bekannt?
Es bleibt bei den 130 Millionen Euro, die die Kultur zur Konsolidierung des Berliner Haushalts beitragen muss. Der Schaden durch die Kürzungen mag fürs Erste weniger gravierend sein. Aber der Schaden durch das chaotische Hü und Hott ist da. Berlins Kulturszene, um die uns die ganze Welt beneidet, weiß nun, dass man auf die Worte und Zahlen des zuständigen Senators wenig geben kann. Die Politik ist für die Kultur kein verlässlicher Partner.
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