
© AFP/JOHN MACDOUGALL
Zentralrat und Bundesregierung „fassungslos“: Regisseur skandiert verbotenen Spruch auf Berlinale-Bühne
Wieder gibt es einen antisemitischen Vorfall auf der Berlinale. Der Staatsschutz ermittelt. Der Zentralrat der Juden in Deutschland zeigt sich fassungslos. Jetzt hat sich auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner auf X geäußert.
Stand:
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat mit scharfer Kritik auf Israel-feindliche Äußerungen auf der Berlinale reagiert. „Dass zu Hamas-Parolen Beifall aufbraust, macht fassungslos“, schrieb der Zentralrat im Kurznachrichtendienst X. Nach Medienberichten ermittelt inzwischen der Staatsschutz nach einem Vortrag des chinesischen Regisseurs Jun Li am Samstagabend in der Berliner Urania.
In dem Statement des iranischen Hauptdarstellers Erfan Shekarriz hieß es unter anderem, Millionen von Palästinensern erstickten unter Israels brutalem Siedlerkolonialstaat. Deutschland und seinen Kulturinstitutionen wurde vorgeworfen, einen „Genozid“ an den Palästinensern zu unterstützen. Zu hören war in dem Beitrag auch die umstrittene propalästinensische Parole „From the river to the sea“. Berlinale-Intendantin Tricia Tuttle hat den Vorfall laut Medienberichten bedauert, der sich unter anderem über soziale Netzwerke verbreitet hatte.
Der Zentralrat der Juden schrieb auf X, vor der Berlinale sei das Gespräch mit den Veranstaltern gesucht worden. „Wir waren uns einig, wie mit diesem klaren Israelhass und israelbezogenen Antisemitismus umzugehen ist.“ Es werde davon ausgegangen, „dass ein solches Verhalten entsprechend sanktioniert wird“.
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Das Forum der Berlinale für massive israelfeindliche Hetze sowie indiskutable Anwürfe gegenüber Deutschland und seinen Kultureinrichtungen zu missbrauchen, verletzt nicht nur das Gastrecht, sondern ist aus meiner Sicht auch strafbar.
Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus
Auch der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Dr. Felix Klein, hat in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel die antisemitischen Äußerungen „auf das Schärfste“ verurteilt: „Das Forum der Berlinale für massive israelfeindliche Hetze sowie indiskutable Anwürfe gegenüber Deutschland und seinen Kultureinrichtungen zu missbrauchen, verletzt nicht nur das Gastrecht, sondern ist aus meiner Sicht auch strafbar“, so Klein.
Er begrüße es, dass die Strafverfolgungsbehörden entsprechende Ermittlungen eingeleitet haben. Berlinale Leiterin Tricia Tuttle habe ihm gegenüber deutlich gemacht, dass alle Mitwirkenden auf die Strafbarkeit gewisser Aussagen in Deutschland aufmerksam gemacht worden seien: „Es ist daher von einem mutwilligen Verhalten des Regisseurs auszugehen. Hervorheben möchte ich die Reaktion des Publikums, das dem Vernehmen nach durchaus auch Widerspruch entgegnete.“
Berlinale-Intendantin Tricia Tuttle erklärte am Montag ihr Bedauern über den Vorfall: „Wir haben unsere Gäste im Vorfeld darauf hingewiesen, welche politischen Äußerungen besonders sensibel und welche möglicherweise strafbar sind. Wir möchten betonen, dass wir an diesem Abend auch auf der Bühne noch einmal sehr deutlich gemacht haben, dass auf der Berlinale kein Platz für Diskriminierung, Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus ist. Wir haben auch unser Mitgefühl mit denjenigen im Publikum ausgedrückt, die sich durch die getroffenen Äußerungen verletzt fühlten.“
Wir haben unsere Gäste im Vorfeld darauf hingewiesen, welche politischen Äußerungen besonders sensibel und welche möglicherweise strafbar sind.
Tricia Tuttle, Berlinale-Intendantin
Zumindest der Ausschnitt des Videos, der auf Instagram gepostet wurde, bestätigt diese Aussage jedoch nicht. Der Moderator steht neben dem Regisseur auf der Bühne und versucht zweimal, dem Redner ins Wort zu fallen, unterbricht das Statement aber nicht.
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Laut „Bild“ ist inzwischen auch das LKA eingeschaltet und ermittelt wegen des Verdachts auf Antisemitismus. Es war bereits der zweite Zwischenfall auf dem Festival, nachdem die diesjährige Ehrenbär-Preisträgerin Tilda Swinton sich am Freitag in der Pressekonferenz als Unterstützerin der anti-israelischen Kampage Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) bezeichnet hatte. Auch diese Bewegung steht unter Antisemitismusverdacht.
Am Dienstag hat sich auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner auf X zu Wort gemeldet und die Äußerungen verurteilt – ohne dieses Mal aber das Festival zu kritisieren. „Die Berlinale ist ein für Berlin bedeutsames Filmfestival und unter der neuen Leitung von Tricia Tuttle auf dem richtigen Weg. Es ist aber unerträglich, dass es dort erneut zu antisemitischen Vorfällen gekommen ist, die einen Schatten auf das Filmfestival insgesamt werfen. Für mich ist das inakzeptabel. Antisemitismus und Israelfeindlichkeit dürfen auch auf der Berlinale keinen Platz haben.“ Wegner saß vor einem Jahr ebenfalls in der Abschlussgala, bei der mehrere Preisträger und Laudatoren einseitig Kritik an Israel geübt und der Regierung „Apartheid“ und „Völkermord“ vorgeworfen hatten.
Der Zwischenfall zeigt erneut, wie schmal der Grat ist, auf dem sich deutsche Kulturfestivals mit einer internationalen Ausrichtung seit dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 bewegen.
Den Versuch, die Kunstfreiheit mit der Drohung der Streichung von Fördergeldern einzuschränken, hatte bereits vor gut einem Jahr der Verfassungsrechtler Christoph Möllers in einem von Claudia Roth beauftragten Gutachten als juristisch kompliziert bezeichnet. Aber wie die Berlinale erneut zeigt, stößt auch die Selbstverpflichtung bei Kultureinrichtungen in ihre Grenzen.
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