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Peter Limbourg ist seit 2013 Intendant der Deutschen
Welle mit den Standorten Berlin und Bonn.

© Deutsche Welle / M. Müller/M. Müller

Interview mit Deutsche-Welle-Intendant Peter Limbourg: „Wir können doch schlecht sagen, wir lassen alles beim Alten“

Die Deutsche Welle rutscht 2024 ins Defizit - wenn nicht gegengesteuert wird. Ein Gespräch mit Intendant Limbourg über Einschnitte, Entlassungen, Erfolge und Rumoren in der Belegschaft.

Stand:

Lieber Herr Limbourg, die Deutsche Welle muss nach eigenen Berechnungen 2024 mit roten Zahlen rechnen. Wer ist verantwortlich, die Geschäftsleitung, die Bunderegierung, die Mitarbeitenden, die Zeitläufte?
Die roten Zahlen wollen wir ja gerade vermeiden. Ich schiebe hier niemand die Schuld zu. Es liegt an den Umständen, die keiner von denen, die Sie genannt haben, allein in der Hand hat. Wir hatten folgende Ausgangslage vor anderthalb Jahren: Im Koalitionsvertrag wurde ein weiterer Ausbau der Deutschen Welle vereinbart. Wir haben unsere Planungen gemacht – und dann kam der russische Angriffskrieg. Er hat alles verändert, auf Seiten unserer Ausgaben, aber auch auf Seiten der Haushaltsplanung des Bundes. In dieser Gemengelage haben wir unseren Etat für 2024 so vorbereitet, dass er trägt.  

Erstaunlich dabei ist: Der Bundeszuschuss zur Welle steigt in diesem Jahr auf die nie dagewesene Höhe von 406 Millionen Euro. Ist dieser Zuschuss wirklich zu niedrig oder übertreibt es der Sender schlichtweg bei seinen Aufgaben?
Die Aufgaben fliegen uns ja geradezu zu. Wir können doch schlecht sagen, wir lassen alles beim Alten, gerade wenn wir sehen, dass unsere Programme in Russland stark nachgefragt sind oder trotz Zensur im Iran die Nutzung steigt. Die Situation in und um die Ukraine herum, der Iran, in der Türkei – da können wir nicht einfach business as usual machen. Gleichzeitig müssen wir zur langfristigen Absicherung unsere digitale Transformation fortsetzen, das ist eine Priorität nicht nur für die DW, sondern für Medienhäuser insgesamt.

Seit Ihrem Amtsantritt 2013 hat der Etat einen Aufwuchs von 120 Millionen Euro erlebt. Hat sich der Sender zu sehr an diesen stetig steigenden Geldfluss gewöhnt? Motto: Was immer wir machen, der Steuerzahler wird es schon bezahlen.
Wir sind jedes Jahr im Gespräch mit den Mittelgebern, immer vor dem Hintergrund unserer Aufgabenplanung. Und die sieht weiteres Wachstum und verstärkte digitale Transformation vor. Ermöglicht der Bundeszuschuss diesen Weg nicht, wie wir ihn geplant haben, müssen wir Abstriche machen. In den vergangenen Jahren ist es meinem Team und mir gelungen, eine Steigerung der zugewiesenen Mittel zu erreichen. Wir haben auch Gelder intern umgeschichtet und für die Stärkung der Digitalisierung und Regionalisierung verwendet. Staatsministerin Claudia Roth hat erfreulicherweise auch betont, dass dies auch aktuell der Fall sein sollte. Das begrüße ich sehr. Einen Automatismus haben wir nie verlangt. Die DW hat es in ihren 70 Jahren immer geschafft, mit den verfügbaren Mitteln guten Journalismus zu machen. Wir erleben nun aber eine außergewöhnliche geopolitische Konstellation, in wir die Relevanz der DW im internationalen Medienangebot mindestens erhalten, möglichst aber noch steigern möchten.

Ich bekomme auch viel Zuspruch aus der Belegschaft.

Peter Limbourg

Klingt aber so, dass Sie einen Zuschlag zu den schon genehmigten 406 Millionen Euro erwarten.
Bis der Haushalt verabschiedet ist, müssen wir von 400 Millionen ausgehen, weil die sechs Millionen einmalig für 2023 gelten. Wir hoffen natürlich auf weitere Zuwächse zur Erfüllung unserer Aufgaben, die wir ja nicht nur deswegen machen, weil wir Lust dazu haben, sondern weil wir in dieser hybriden Kriegssituation, in dieser geopolitischen Lage einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Aber weil die Haushaltssituation des Bundes ist, wie sie ist, müssen wir vorausschauend planen und handeln, Akzente verschieben, einsparen, und digital vorankommen.

Ist das Verfahren noch zeitgemäß, den Haushalt der Welle Jahr für Jahr neu festzusetzen?
Diese Diskussion kann man zu einem anderen Zeitpunkt führen. Wenn die Zeiten wieder ruhiger werden, könnte man sich dieses Verfahren gemeinsam mit der Politik nochmals anschauen.

Ist aktuelle Bundesregierung aus SPD, Grünen und Linke knauseriger als die vorherige aus CDU und SPD? Immerhin fordert die oppositionelle Union bereits eine Erhöhung des Zuschusses.
Es geht nicht um einen Schönheitswettbewerb zwischen verschiedenen Koalitionen. Ich bin mit der ehemaligen Bundesregierung gut gefahren und tue das auch mit der aktuellen sehr gut. Beide Regierungen haben für Zuwächse gesorgt. Sicherlich haben wir für unseren Haushalt 2023 auf mehr Geld gehofft, denn wir haben ja wegen der vermehrten Aufgaben auch mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt. Das war für die Entwicklung neuer Formate in vielen Sendesprachen nötig und wir sehen den Erfolg. In einzelnen Sendesprachen haben wir durch die Regionalisierung von Angeboten enorm hohe Steigerung in der Nutzung. Und ein wichtiger Aspekt sind dabei unsere Auslandsstandorte. Es zeigt sich ganz klar, dass die Berichterstattung von vor Ort sich auszahlt. In der Nutzung und damit auch in der Relevanz der DW weltweit.

Haben Sie irgendwo Reserven gebunkert?
Wir haben keine Reserven mehr. Aber keine Sorge, wir sind noch liquide.

Mit der vom Rundfunkrat gebilligten Aufgabenplanung 2022 bis 2025 werden mindestens 100 Stellen bei den Freien abgebaut. Das ist heftig. Der Sender gibt 75 Prozent für das Personal aus, davon werden wiederum 38 Prozent als Honorare bezahlt. Dies vor Augen: Wer macht künftig das Programm der Welle, wenn so viele freie Beschäftigte gehen müssen?
Daran ist nicht die Aufgabenplanung schuld. Wir verfolgen strategische Ziele, wie die digitale Transformation, um die DW zukunftssicher zu machen. Wir wissen, dass wir unsere Nutzung nur so halten und ausbauen können. Betroffen von den jetzt vorsorglich eingeleiteten Kürzungsplänen sind vor allem zwei Redaktionen, nämlich Sport und Kultur. Aber das wird kein Kahlschlag, so schmerzlich die Maßnahmen auch für die Betroffenen sind. Neben den vielen festangestellten Kolleginnen und Kollegen werden auch weiterhin viele freie Mitarbeitende das Programm machen. Wir werden jetzt versuchen, in den noch verbleibenden Monaten in diesem Jahr, für möglichst viele Betroffene eine Lösung zu finden, wir schauen, ob sie oder er vielleicht in eine andere Abteilung wechseln und eine andere Aufgabe übernehmen kann. Es gibt auch noch offene Stellen, die wir zunächst mit Mitarbeitenden zu besetzen versuchen, die schon in der DW sind. Wir können nicht allen helfen, aber wir versuchen es für jeden Einzelnen.

Bleibt die Deutsche Welle ein Vollprogramm? Bei Wirtschaft, Kultur und Sport entfaltet sich ja die ganze Wucht der Einsparungen.
Steile These. Wir werden weiterhin ein starkes Kulturbudget haben, auch nach der geplanten Kürzung von 17,8 auf 15,1 Millionen Euro, da ist weiterhin eine Menge an qualifizierter wie zielgerichteter Kulturberichterstattung möglich. Der Sport wird im Programm künftig strategisch weniger wichtig sein, aber Beiträge und Artikel zur gesellschaftlichen Relevanz von Sport bleiben weiterhin Teil unseres Angebots. Hier sind die geplanten Kürzungen übrigens über drei Jahre projektiert und nicht über Nacht. Wir müssen jetzt mit unseren Angeboten vordinglich dort sein, wo Informationen zensiert und unterdrückt werden.

Wenn es zu den Budget-Umschichtungen und zum Personalabbau kommt: Muss die Welle ihre Programmschwerpunkte neu justieren?
Wir befinden uns im digitalen Wandel, wir geben weniger Geld für lineare und mehr Geld für On-demand-Programme aus. Wir erreichen mehr Menschen mit unseren digitalen Angeboten als mit unseren linearen Fernsehprogrammen. Aber natürlich werden wir nicht alles einreißen, was wir aufgebaut haben. Eine Kürzung bei den Sprachangeboten wäre nicht sinnvoll, denn wir erreichen die Menschen am besten in ihren Muttersprachen. In Lateinamerika hat das lineare, spanischsprachige Fernsehen einen unverändert hohen Stellenwert. Auch unser TV-Programm für den arabischsprachigen Raum hat beeindruckende Nutzerzahlen in einem sehr starken Umfeld von lokalen Sendern. Und wir haben mit dem englischsprachigen Kanal einen festen Platz im internationalen Angebot. Wir müssen flexibel reagieren, damit wir erfolgreich sind.

Wenn plötzlich ein großer Sack Geld vor die Türen des Senders gestellt würde, wo würden Sie investieren?
In digitale Angebote für unsere Zielregionen im östlichen Europa zum Beispiel. Auf dem Westbalkan müssten wir noch mehr investieren. Und als Grundlage für all das muss der faktenbasierte Journalismus weltweit noch mehr Unterstützung erfahren. Als Gegengewicht zu staatlicher Propaganda.

Was aber kann eine Deutsche Welle wie auch andere Sender beispielsweise gegen das russische Staatsfernsehen in der Bevölkerung im Putin-Land ausrichten?
Wir haben nicht die Ambition, irgendwo staatlich gelenkte Medien zu ersetzen. Sondern wir bieten eine unabhängige Alternative und sind für die da, die uns brauchen. Aber ich will Ihnen eine Anekdote erzählen: Am Anfang meiner Intendanz habe ich in Polen Lech Walesa getroffen. Er hat mir gesagt: „Ohne Euch hätten wir, die Solidarnosc, es nicht geschafft.“ Er meinte BBC, Voice of America und Deutsche Welle. Wir müssen für die da sein, die für unsere Werte einstehen.

Viel erreicht

Bei allem Positivem, bei allem Optimismus:  Es rumort heftig in der Belegschaft. Die Kritik richtet sich auch an Sie. Was davon nehmen Sie an?
Zunächst einmal, ich bekomme auch viel Zuspruch aus der Belegschaft. Ich habe mit dafür gesorgt, dass das Budget massiv angestiegen ist, dass die DW in vielen Märkten sehr erfolgreich arbeitet. Natürlich gibt es Menschen, die mit mir oder meiner Arbeit nicht einverstanden sind. Damit muss ich leben. Was ich gelernt habe in meiner Intendanz: noch mehr öffnen für Kommunikation, mehr zuhören. Vielleicht ist das in den vergangenen Jahren gelegentlich zu kurz gekommen. Trotzdem: Mein Team und ich haben gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen sehr viel erreicht. 

Das Interview führte Joachim Huber.

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