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Neue Gesichter. Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian.

© AFP

Keine Begeisterungsstürme ausgelöst: Wie die erste Berlinale unter neuer Leitung weltweit ankam

Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian haben eigene Akzente gesetzt, unter anderem mit einem neuen Wettbewerb. Die Reaktionen fallen aber eher verhalten aus.

Die erste Berlinale unter der Leitung von Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian wird national wie international mit verhaltener Zustimmung aufgenommen. Von der „taz“ – „ein guter Auftakt“ – über „Zeit online“, die „einige leuchtende Höhepunkte“ im Wettbewerb vermerkt, bis zum britischen „Guardian“, der den Wettbewerb als „gemischt wie immer, aber auch erfreulich“ bewertet: Die Reaktionen sind positiv, aber nicht enthusiastisch.

In den Schlusskommentaren überwiegt die Beobachtung, dass der Goldene Bär für „There is No Evil“ aus dem Iran die Tradition der politischen Berlinale fortsetzt. Die neue Doppelspitze wird dafür gewürdigt, dass sie die Vielzahl der kurzfristigen Herausforderungen zu meistern wusste.

Der „Hollywood Reporter“ erinnert zum Finale an das „holprige Rennen“, angefangen mit der Kritik an früheren homophoben und Anti-Abtreibungs-Äußerungen von Jurypräsident Jeremy Irons über das Bekanntwerden der NS-Vergangenheit des Gründungsdirektors Alfred Bauer und den ausländerfeindlichen Anschlag in Hanau am Tag der Eröffnung bis zum Corona-Virus.

„Die Berlinale hatte Glück mit dem Timing“, schreibt die „New York Times“. Hätte der Start des Festivals zwei Wochen später gelegen, wäre es womöglich komplett abgesagt worden.

Ansonsten enthält sich das Blatt einer eigenen Wertung und zitiert den Kritikerseufzer „business as usual“ .

Engere Zusammenarbeit mit Sundance

Die positivste Bilanz findet sich auf IndieWire. Die renommierte Internetplattform bescheinigt Carlo Chatrian und seinem Auswahlgremium ein deutlich verbessertes Programm, ja eine kuratorische Vision.

Die Justierung des Festivals gelinge auch deshalb, weil es die eigenen Grenzen anerkenne. IndieWire zitiert Chatrian: Er verstehe, warum Cannes für bestimmte hochkarätige Filmproduktionen die Nummer Eins sei.

Auch strebe er eine engere Zusammenarbeit mit dem Independent-Festival Sundance an. Zwei der diesjährigen Wettbewerbsfilme waren zuvor bereits auf US-Festivals gelaufen – und ein halbes Dutzend weiterer Beiträge in Sundance.

Deutsche Presse reagiert mit gemischten Gefühlen

„Le Monde“ aus Paris schreibt von einem reichen, vielfältigen, allerdings unentschiedenen Wettbewerb mit seiner Mischung aus jungen Autorenfilmern und bewährten Regisseuren.

Die „Libération“ findet, Rissenbeek und Chatrian hätten die in sie gestellten Erwartungen erfüllt, vermisst aber Preise für die herausragenden Autorenwerke von Kelly Reichardt („First Cow“) und Tsai Ming-liang („Days“).

Die deutsche Presse reagiert mit gemischten Gefühlen. „Spiegel online“ sah im Wettbewerb zu viele „Beiträge verdienter Filmschaffender jenseits ihrer Topform“.

Die „FAZ“ spricht von einem Festival des Übergangs, die neue Wettbewerbsreihe „Encounters“ habe sich nicht bewährt.

Die „Welt“ kann den dritten Weg zwischen Cannes als Autorenfilm-Eldorado und Venedig als Oscar-Startrampe „höchstens schemenhaft“ ausmachen. Laut der „Süddeutschen“ ist „ein Bemühen um Filme mit sehr eigenen künstlerischen Handschriften durchaus sichtbar“. Aber da es weltweit nicht gut um das Arthouse-Kino bestellt ist, könne Berlin sich nicht schlagartig in Cannes verwandeln.

Und das Publikum? Schätzt die Berlinale weiterhin als Arthouse-Festival: Zur Halbzeit lag die Zahl der verkauften Tickets über der von 2019. Die Schlusszahlen werden für Dienstag erwartet.

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