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Der Berliner Künstler Gerold Miller hat seine Arbeiten mit Objekten des Bröhan-Museums kombiniert.

© MATTHIAS KOLB

Klare geometrische Verhältnisse: Gerold Miller mischt das Bröhan-Museum auf

Zum ersten Mal ermöglicht das Berliner Ausstellungshaus einen Dialog zwischen seiner Sammlung und den Arbeiten eines zeitgenössischen Künstlers.

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Die Oberfläche von „SET C22“ und die des „Sitzenden Affen“ aus der Sammlung des Bröhan-Museums sind ähnlich perfekt. Die Porzellanhaut des kleinen Tieres schimmert wie Elfenbein, das großformatige Kunstwerk von Gerold Miller schottet sich glänzend weiß nach außen ab. Bloß eine schwarze Ecke stört die vollkommene Harmonie der Form, der Affe wiederum beobachtet interessiert einen winzigen Käfer, der sich auf seiner Hand niedergelassen hat. Ein roter Akzent auf der 1904 entstandenen Skulptur.

„SET C22“ ist dagegen kein Jahr alt, das Format strikt rechteckig und sein Motiv ein Ergebnis klarer geometrischer Verhältnisse. Gerold Miller verwendet für seine Werke Autolack, glatter geht es kaum. Die Arbeit hängt an der Wand und will doch kein Bild sein, sondern ein Objekt, das in den Raum wirkt. „Intervention #1“ heißt die famose Ausstellung des in Berlin lebenden Künstlers im Bröhan-Museum, und dieser Eingriffe suggerierende Titel ist durchaus mehrdeutig zu verstehen.

Die Auswahl verblüfft

Miller selbst versucht, den „Raum bis auf das Äußerste zu belasten“, wie er sagt. Seine bildhauerischen Werke sind überwiegend groß dimensioniert und stets dreidimensional, eine Herausforderung für den Ort. In den zwei Ausstellungsräumen wirken sie dominant, selbst bescheidene Formate fangen dank intensivem Schwarz und Blau sofort die Aufmerksamkeit ein.

Dennoch verstellen sie nicht den Blick auf die Exponate des Museums für Angewandte Kunst, mit denen der Künstler seine Arbeiten zusammenbringt. „Intervention #1“ kombiniert Highlights der Sammlung mit Werken aus Millers Atelier. Manche stehen in ihren Transportkisten, andere verteilen sich im Raum. Eine freistehende Skulptur der Serie „Verstärker“, eine L-Form aus spiegelnd poliertem Aluminium, reiht sich zwischen die historischen Gegenstände – ein Tablett aus gegossenem Zinn von Hugo Leven und eine Bodenvase von KPM, die Adolf Flad 1914 mit üppigem Dekor und Fasanen versah.

Das klingt herausfordernd, und auch Museumsdirektor Tobias Hoffmann reagiert noch immer etwas verblüfft auf die Auswahl. Er habe damit gerechnet, meint er, dass Gerold Miller sich für andere Objekte der Sammlung interessiere; für Geradliniges aus der Art-déco- oder der Bauhaus-Ära. Für solche jedenfalls, die die puristische Formensprache seiner zeitgenössischen Kunst unterstreichen.

Blick in die Ausstellung „Intervention #1“ im Bröhan-Museum.

© MATTHIAS KOLB

Stattdessen überwiegt das Ornament. Kurviges, Ausladendes wie jene „Tänzerin mit Kothurn“, die um 1901 in Paris aus feuervergoldeter Bronze gegossen wurde: mit einem Kleid, das in dekorativen Falten erstarrt ist und in der Hochphase des Jugendstils entstand. Ein Gemälde von Karl Hagemeister verheißt den „Blick aus dem Fenster auf Häuser in Paris“ um 1884. Zwei Jahrzehnte jünger ist die Vase aus der Manufacture Nationale de Porcelaine de Sèvres. Aber halt: Gibt es hier nicht die erste formale Anknüpfung?

Optische Impulse der Kunstgeschichte

Das schlichte Gefäß betört mit seiner schwarz-blauen Glasur – ein Doppel, das sich in einem „SET“-Duo von Miller wiederfindet. Ein kleiner Tisch nimmt die Kreisform seiner „Instant Vision 265“ von 2023 visuell wieder auf, der Fleck auf der Affenhand taucht tausendmal größer in dem alle Dimensionen des Museums sprengenden Werks „IV 31“ wieder auf: ein tiefroter Hintergrund mit einem schwarzen Kreis wie ein Auge.

Man beginnt zu ahnen, wie Gerold Miller sieht; wie die optischen Impulse der Kunstgeschichte ihren Weg in sein Werk finden. Zugespitzt, abstrahiert, allgemeingültig. In der Berliner Galerie Wentrup ist der Künstler parallel in einer Soloschau zu sehen, hier haben die Arbeiten ihren gewohnt coolen Auftritt, sind reines Konzept mit maximalen Farbkontrasten. Hoffmann ist seinerseits dankbar für die Auseinandersetzung zwischen Historie und Gegenwart: „Gerold Miller sieht die Objekte als Skulpturen. Sein Blick als Bildhauer ist darauf fokussiert, was die Objekte ausmacht und woraus sich ihre Schönheit ergibt.“

1200 Besucher am Wochenende

„Intervention #1“ ist ein Experiment, als Ausstellung aber auch das Kapital des Museums. Ob es eine Fortsetzung gibt, kann der Direktor dennoch nicht sagen. Obwohl er aus Erfahrung weiß, wie viel Einfluss wechselnde Projekte auf die Besucherzahlen nehmen. 1200 Gäste kamen Anfang Dezember zum letzten eintrittsfreien Sonntag, den der Senat ab 2025 als Sparmaßnahme streicht. Ähnlich voll wird es an Wochenenden, wenn das Bröhan-Museum attraktive Wechselschauen anbieten kann. Allerdings wird auch der Etat des Hauses gekürzt, aktuell geht es um 200.000 Euro.

Hoffmann steht im Zwiespalt: Soll er bei den Guides oder den Kunstschaffenden ansetzen, die in der Vermittlung arbeiten? Beides sei wichtig, eher setzt er den Ankaufsetat auf null und verzichtet auf Kataloge und prüft weitere Einsparungen. „Wenn es irgendwie geht, werde ich den Ausstellungsbetrieb bei den Kürzungen heraushalten“, lautet sein vorläufiges Fazit.

Auf Sponsorensuche, wie von Kultursenator Joe Chialo zur Kompensation empfohlen, ist er schon länger – durchaus erfolgreich wie im Fall der aufwändigen aktuellen Schau „Design für Kinder“, die von der Ikea-Stiftung unterstützt wird. Bis Ende 2022 gab es dank des Sponsorings der Deutsche Wohnen SE auch einen eintrittsfreien Tag im Monat. Allerdings seien potenzielle Partner in Berlin rar.

„In den vergangenen Jahren wurde viel aufgebaut wie der eintrittsfreie Musuemssonntag, eine bessere Bezahlung für die Guides oder ein kulturelles Monitoring, damit wir mehr über unsere Besucher erfahren. Nun wird das meiste einfach eingestampft und der Berliner Kulturszene mutwillig geschadet“, meint Hoffmann. „Ohne Sensibilität für das, was zur Kultur gehört.“

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