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Protest gegen die deutsche Asylpolitik auf dem Roten Teppich der 74. Berlinale.

© imago/K. M. Krause

Kolumne „Mehrwert“, Folge 37 : Schützt die „brave spaces“

Menschenrechte? Redefreiheit? Ideal und Wirklichkeit liegen oft weit auseinander. Was können Kunst und Kultur gegen deren zunehmende Gefährdung ausrichten?

Christiane Peitz
Eine Kolumne von Christiane Peitz

Stand:

Über das Ideal der Menschenrechte lässt sich in der demokratischen Welt schnell Einigkeit erzielen. Aber je mehr die Demokratien durch Autokraten ausgehöhlt werden und Gesellschaften sich spalten, desto mehr bröckelt diese Einigkeit. Der Publizist Michel Friedman wird Anfang Februar über den oft schwierigen Weg vom Ideal zur Realität eine Rede halten, in der Berliner Philharmonie.

Ja, ausgerechnet in der Philharmonie, im Rahmen der „Orchester für die Demokratie“-Kampagne, bei einem Konzert des Deutschen Symphonie-Orchesters mit dem verwegen-utopischen Titel „Friede auf Erden“ (1. und 2.2.). Klassische Werke wechseln mit verbalen Reflexionen; Iris Berben wird Strauss’ sinfonische Dichtung „Also sprach Zarathustra“ mit Nietzsche-Befragungen unterbrechen.

Spannendes Experiment. Gleichzeitig müssen die Künste keineswegs immer kritisch konterkariert werden, setzen sie doch selber genügend Widerhaken. Dennoch, was können sie ausrichten, wenn etwa zu befürchten ist, dass mit der Amtseinführung Donald Trumps sogar die USA zunehmend auf die Menschenrechte pfeifen? In einem Land, in dem bereits jetzt Millionen Frauen wegen neuer Abtreibungsverbote nicht selbst über ihren Körper bestimmen können, in dem Bücher über Sexualität und Queerness aus den Schulbibliotheken verschwinden und Migranten um ihre Grundrechte kämpfen.

Auch zum Menschenrecht der Redefreiheit haben Trump, Musk und Co. ja ein bigottes Verhältnis, indem sie die Medien schikanieren oder endgültig von der Leine lassen. Je nachdem, ob sie liberale Meinungen oder Extrem-Speech verbreiten.  

Die Kultur, klar, hält Räume offen, für Kontroversen und Differenzierung. „Brave spaces“ statt „safe spaces“, es sagt sich leicht und ist unendlich schwer, für Festivals, Biennalen, Hochschulen. Vorschriften seitens der Politik, Stichwort Antisemitismusklausel, helfen da nicht weiter.

Die neue Leitung des Kurzfilmfests Oberhausen hat zur Frage, wie viel Schutz die „brave spaces“ brauchen, ein kluges Statement veröffentlicht. Es gelte, die Kultur vor ideologischen Zugriffen zu schützen, in beide Richtungen. Diskriminierungen werden genauso wenig geduldet wie Einschränkungen durch Boykotte und Störungen.

Die Politik sollte die Kultur darin unterstützen. Auch die Öffentlichkeit kann dazu beitragen. Indem sie etwa bei der Berlinale ab 13. Februar weniger auf mögliche AfD-Gäste oder „Free Palestine“-Rufer starrt als auf die Leinwände. Aktivismus bei der Bären-Gala? Vielleicht einfach aushalten, im Zweifel kurz gegenhalten. Und dann geht es um die Kinobilder, die unser Weltbild zum Glück oft genug irritieren.

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