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Queere Liebe. Der Film "Neubau" zeigt den trans Mann Markus und Autotechniker Duc.

© Smina Bluth/Schuldenberg

Max Ophüls Festival setzt auf Diversität: Hauptpreis für queere Geschichte aus der Uckermark

In Hollywood dominieren immer noch die Männer. Das Max Ophüls Festival in Saarbrücken fördert Regisseurinnen und zeigt gesellschaftsrelevantes Nachwuchskino.

Im Filmbetrieb tobt ein Geschlechterkampf. Unter dem Hashtag #OscarsSoMale verschafft sich der Ärger über die anhaltende männliche Dominanz in Hollywood Gehör. In den Spielfilmwettbewerben der fünf wichtigsten Festivals weltweit, darunter die Berlinale, lag der Anteil an Regisseurinnen in den vergangenen drei Jahren bei nur 25 Prozent.

Angesichts dessen durfte man beim 41. Max Ophüls Preis in Saarbrücken staunen. Im Wettbewerb des Festivals für den jungen deutschsprachigen Film waren mehr als zwei Drittel der Spielfilme unter weiblicher Regie entstanden, bei den Dokumentarfilmen über die Hälfte.

Den Hauptpreis für den besten Spielfilm gewann mit Johannes Maria Schmits „Neubau“ das Debüt eines männlichen Regisseurs, zugleich der einzige dezidiert queere Beitrag im Wettbewerb.

Der Performancekünstler Tucké Royale, studierter Puppenspieler und Ensemblemitglied des Maxim Gorki Theaters, erhielt für sein Drehbuch sowie die Hauptrolle zudem den „Preis für den gesellschaftlich relevanten Film“.

Der von ihm verkörperte trans Mann Markus lebt in der Uckermark, wo er auf einer Straußenfarm arbeitet, sich um seine demente Großmutter und deren Partnerin kümmert und ihm in Tagträumen urban-queere Zauberwesen erscheinen. Auf der Heckscheibe seines alten Golfs prangt in rosa Fraktur das Wort „Stonewall“. Just als er nach Berlin ziehen will, verliebt sich Markus in den Fernsehtechniker Duc.

Kino der leisen Töne

Dass mit diesem selbsternannten Heimatfilm einer der vordergründig unspektakulärsten Beiträge des Jahrgangs zwei der wichtigsten Auszeichnungen erhielt, mochte überraschen, darf aber als klares Bekenntnis der Jury zu einem Kino der leisen, zärtlichen, gar spröden Töne verstanden werden.

Jurymitglied Susanne Heinrich, deren eigensinnige Depressionskomödie „Das melancholische Mädchen“ im vergangenen Jahr reüssiert hatte, betonte vor der Preisverleihung, mit „kunsthandwerklich gut gemachten Fernsehfilmen“ wenig anfangen zu können.

Umso erstaunlicher, dass der Preis für die beste Regie an Johanna Moder und ihre bekömmlich konsumierbare Satire „Waren einmal Revoluzzer“ ging. Darin laden zwei wohlsituierte Paare einen in Russland verfolgten Freund nach Wien ein.

Als der mit Frau und Kind anreist und bleiben möchte, wird es den vermeintlichen Wohltätern schnell zu viel; ein Film zum Nimby-Prinzip („Not in my backyard“), getreu dem Motto: Ich helfe gern, aber bitte ohne persönliche Nachteile.

Regisseurinnen mit diverser Biografie

Dass der Publikumspreis an einen Film über zwei tschetschenische Flüchtlingskinder in Österreich ging, die von ihrer Mutter getrennt werden und die Abschiebung fürchten müssen, verblüffte Regisseur Arash T. Riahi sichtlich. Doch die verspielte Perspektive von Oskar (8) und Lilli (13) in „Ein bisschen bleiben wir noch“ verleiht dem Film eine erfrischende Tonalität.

So divers die Biografien der Filmemacherinnen mit iranischen, schwedisch-türkischen oder mexikanischen Wurzeln, so vielfältig präsentierten sich die Themen ihrer Werke, aber auch deren Form. Düsterer Sozialrealismus neben dystopischem Genre, griffige Unterhaltung neben sperrigem Arthouse: Die Bandbreite war so gewaltig wie erfreulich.

Gesellschaftliche Relevanz im Vordergrund

Schwerpunkte ließen sich trotzdem ausmachen. Allein drei der 16 Wettbewerbsbeiträge behandelten das Thema Suizid, in fünf Filmen ging es um Flucht und Migration. Etwa in Süheyla Schwenks „Jiyan“, wo ein aus Syrien geflohenes Paar in der Fremde anzukommen versucht. Lohn für das eindringliche Kammerspiel, das kaum seine Berliner Wohnung verlässt, war der Preis der ökumenischen Jury.

Gesellschaftliche Relevanz stand bei den Auszeichnungen im Vordergrund. So auch beim Dokumentarfilm, wo der Hauptpreis an „Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit“ von Yulia Lokshina ging.

Ihr Film bietet zwei Erzählstränge: Einer beleuchtet die erbarmungswürdige Situation osteuropäischer Leiharbeiter in einem deutschen Schweineschlachtbetrieb, im anderen probt und diskutiert eine Schulklasse Brechts Drama „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“.

Bei der Preisverleihung am Samstagabend betonten mehrere Redner, dass der Mut zur eigenen Handschrift vor dem Blick auf eine Marktverträglichkeit stehen sollte, auch wenn er das Risiko des Scheiterns berge. „Machen, machen, machen“, lautet wiederum das Mantra, das Rosa von Praunheim seinen Filmstudenten seit jeher vermittelt.

Insofern darf die Auszeichnung des 77-jährigen LGBTQ-Aktivisten, dessen neuer Film „Darkroom“ den Ophüls Preis eröffnet hatte, mit dem Ehrenpreis des Festivals als Botschaft an den Nachwuchs verstanden werden. Was den Willen zur Avantgarde betrifft, kann von Praunheim noch immer als leuchtendes Beispiel dienen.

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