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Mona Lisa (Jeon Jong-seo) macht sich die Menschen mit Hypnose gefügig.

© Foto: Institution of Production

„Mona Lisa and the Blood Moon“ im Kino: Die Nacht der Jägerin

Auf der nach oben offenen Hipster-Skala: Das Fantasymärchen „Mona Lisa and the Blood Moon“ ist ein visuelles Fest mit einer verlorenen Heldin.

Wenn es brenzlig wird für Mona Lisa, senkt sie den Blick und starrt ihr Gegenüber an. Die Kamera rückt dann ganz nah an ihr Gesicht heran, der Hintergrund weicht in die Ferne und ein Geräusch ertönt, als würde eine Wölfin den Mond anheulen. Plötzlich wissen Mona Lisas Opfer nicht mehr, wie ihnen geschieht. Sie geraten unter die Kontrolle der so harmlos wirkenden Frau (Jeon Jong-seo).

Im Laufe von „Mona Lisa and the Blood Moon“ werden sich die Bewohnerinnen und Bewohner von New Orleans unter ihrem Kommando selbst schlagen, stechen und anschießen, mit Eiern bewerfen und ihr den Inhalt ihrer Portemonnaies übergeben. Interessanterweise will es Regisseurin Ana Lily Amirpour, dass diese Mona Lisa dennoch nicht die Bedrohung, sondern die Heldin ihres Filmes ist.

Stilisierte Optik, offensive Soundtracks

Das zieht sich durch das Werk der Amerikanerin, die 1976 in England als Kind iranischer Eltern zur Welt kam. Amirpour erzählt Geschichten von Außenseiterinnen. Ihr Debüt „A Girl Walks Home Alone at Night“ (2014), ein Horror-Drama in Schwarz-weiß, handelte von einer Skateboard-fahrenden Vampirin in einer iranischen Geisterstadt, im Endzeitfilm „The Bad Batch“ (2016) rächt sich eine verstümmelte Frau an einer Gruppe Bodybuilder-Kannibalen und verliebt sich letzten Endes in deren Anführer.

Die Regisseurin, die ihre Drehbücher selbst schreibt, hat ein Händchen für provokante Genre-Mixturen, in denen sie ihre Vorliebe für eine stilisierte Optik und offensive Soundtracks auslebt. Die Coolness dringt ihnen aus jeder Pore, auch in „Mona Lisa and the Blood Moon“.

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Amirpours Protagonistin findet sich nach Jahren des Wachkomas in einem Sanatorium wieder. Draußen die Sümpfe Louisianas, drinnen die speckig-rosigen Wände der Gummizelle: Durch Überblendungen morphen beide Welten ineinander, Unbehagen macht sich breit, auch weil Kameramann Pawel Pogorzelski („Midsommar“) mit Fischaugen-Optik sehr nah an die Figuren herangeht. Wenn sich Mona Lisa ihrer sadistischen Wärterin (Lauren Bowles) bemächtigt und diese sich mit einer Nagelschere selbst malträtiert, fühlt man sich wie in einem unguten Rausch.

Doch danach geht es für Amirpour-Verhältnisse erst mal gemäßigt zu. Nach der Flucht durch die Sümpfe streift Mona Lisa in New Orleans durch die Nacht, von Pogorzelski atmosphärisch eingefangen. Mal leuchtet der Blutmond durch die Mangroven, dann spiegelt er sich mit den Neonlichtern der Stadt auf den nassen Straßen, in denen sie einem Panoptikum skurriler Figuren begegnet.

Mona Lisa (Jeon Jong-seo) durchstreift im Schein des Blutmonds die Straßen von New Orleans.
Mona Lisa (Jeon Jong-seo) durchstreift im Schein des Blutmonds die Straßen von New Orleans.

© Foto: Institution of Production

Etwa Fuzz (Ed Skrein), ein technoverrückter Drogendealer im Neunziger-Look, Harold (Craig Robinson), ein so rechtschaffener wie überforderter Polizist, sowie Bonnie (Kate Hudson), eine alleinerziehende Stripperin, die Mona Lisa unter ihre Fittiche nimmt. Bei keinem ist zunächst klar, ob sie Freund:in oder Feind:in sind. Es scheint zunächst aber auch zweitrangig.

Mona Lisas Bekanntschaften bieten Amirpour vor allem Gelegenheit, in wunderbar durchgestylte Subwelten abzutauchen: in den pink und blau leuchtenden Rauch des Striplokals „Panty Drop“ oder in die Wohnung von Fuzz, der der Flüchtigen ein Spiegelei brät, während das Schwarzlicht die psychedelischen Poster an den Wänden zum Glühen bringt. Dazu ein groovender House-Soundtrack. Mit „Mona Lisa and the Blood Moon“ platziert sich Amirpour wieder weit oben auf der Hipness-Skala.

Ihr Film ist dennoch nicht die reine Freude. Ab der Mitte wird spürbar, wie frei von Drive sich die Handlung voranschleppt; ganz wie Cop Harold, der sich auf Mona Lisas Geheiß selbst ins Bein schießt, aber nicht aufhören kann, sie zu jagen. Amirpour setzt immer wieder den gleichen Hypnose-Effekt ein. Dessen Reiz verfliegt zunehmend, auch weil einem das Schicksal der Figur recht egal bleibt.

(In elf Berliner Kinos, auch OV/OmU)

Ihren Hintergrund als Geflüchtete aus Nordkorea, die in den USA durch das soziale Netz gefallen ist, skizziert Amirpour in wenigen, hastigen Zügen. Gleichzeitig lässt sie Hauptdarstellerin Jeon Jong-seo, die derzeit in der südkoreanischen Neuauflage der Serie „Haus des Geldes“ zu sehen ist, kaum eine Miene verziehen. So taumelt Mona Lisa als wandelnde Leerstelle durch die Handlung.

Dabei versetzt Amirpour auch ihren dritten Film mit feministischen Untertönen. Doch wo diese ihrem Debüt „A Girl Walks Home Alone at Night“ noch einen schlüssigen Rahmen verliehen haben – die Vampirin ernährt sich mit Vorliebe von Männern, die sich an Frauen vergehen –, umspielen sie diesmal nur sporadisch das Geschehen. Mona Lisa, diese unwahrscheinliche Superheldin, entreißt ihren zumeist männlichen Antagonisten zwar die Kontrolle, weiß aber damit nicht mehr anzufangen, als ihre Haut zu retten.

Ein bisschen Spannung, ein bisschen Humor, ein bisschen Gender-Diskurs: Fast scheint es, als hätte sich Amirpour nicht entscheiden können, was für eine Geschichte sie erzählen will. So bleibt diese Nacht mit Mona Lisa unterm Blutmond vor allem eins: merkwürdig blutlos.

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