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Einsamer Karnevalist auf der Kölner Domplatte.

© Oliver Berg/dpa

Köln ohne Karneval: Nur der Rhein gurgelt wie immer gen Nordsee

Eine traurige Angelegenheit: Wo sonst die Massen feierten, in der Altstadt, rund um den Dom, lässt sich keiner blicken.

Die bekannteste Oper von Erich Wolfgang Korngold heißt „Die tote Stadt“ und meint Brügge. Doch Brügge ist langsam gestorben, über Jahrhunderte. Wer jetzt am Kölner Hauptbahnhof aussteigt, hat das Gefühl, der Exitus kam schlagartig. Alle Städte sind im Lockdown schockgefroren, doch Köln scheint in ein besonders tiefes Koma gefallen zu sein. Vielleicht fällt es auch nur so auf, weil man es natürlich anders kennt.

Weil doch immer ein Hauch römisch-mediterraner Lebensfreude vom Rhein her durch diese Gassen wehte, eine gelassene Unbekümmertheit, die einem als Bayer oder Berliner zwar auch gehörig auf den Zeiger gehen kann, deren Zauber einen in guten Momenten aber durchaus erreicht.

Jenes Gemisch eben, dass Karneval überhaupt erst möglich macht. Ja genau, die seltsame „fünfte Jahreszeit“, mit der man den Berlinern nicht zu kommen braucht. Nicht wenige Expats sind wegen ihr an die Spree geflohen. Und doch: Dass Karneval dieses Jahr komplett ausfällt, dass er von dem schwarzen Loch geschluckt wird, das schon so vieles andere verschlungen hat, macht doch betroffen.

Keiner zu sehen, Karneval in Köln ist eine einsame Sache

Silbrig schält sich das steinerne Domgebirge aus der frostigen Nacht. Ich bin der einzige Mensch auf der Domplatte. Die Schritte der anderen, so es sie gibt, sind auf 200, 300 Meter Entfernung zu hören. Machtvoll gurgelt sich der Rhein seinen Weg zur Nordsee, doch er tut es in aller Einsamkeit, ohne Zuschauer.

Ohne 1945 dabei gewesen zu sein: In den Ruinen muss mehr Leben geherrscht haben als im Februar 2021 in der Altstadt. Einige versprengte Grüppchen widerständiger Narren stolpern um die Ecke, in ihrem Kichern schwingt Trotz mit. Schön, dass sie ein bisschen Spaß haben, doch merken sie, dass sie die Tristesse nur vergrößern? Der Funke, er springt nicht über, und darum geht es doch eigentlich.

Alkoholverkauf an den großen Plätzen ist verboten, zur Sicherheit

Alter Markt, Heumarkt, Orte, an denen in einer früheren Realität Menschenmassen wogten, liegen verwaist da. Alkoholverkauf direkt an den Plätzen ist verboten. Der Kiosk 50 Meter weiter die Straße runter darf Kölsch anbieten, immerhin. Es scheint, als wüssten sie, was der Karneval 2020 angerichtet hat, Stichwort Heinsberg. Dass er eine der Einfallspforten für das Virus war. Das soll nicht nochmal passieren.

Austreibung der bösen Geister? Vielleicht gibt es sowieso nichts auszutreiben. Vielleicht sind wir selbst der böse Geist, der Regenwälder rodet für Palmöl, damit wir Nutella essen können. Der den Tieren keinen Platz zum Leben lässt und jetzt den Preis dafür bezahlt. Weil Erreger quasi einen Logenplatz zum Sprung auf den Menschen bekommen. Vielleicht sind das aber auch viel zu trübe Gedanken in einer sowieso schon trüben Zeit.

Brings und De Höhner geben wenigstens Autokonzerte

So ganz lassen sie sich den Karneval auch nicht nehmen. Mundart-Bands wie Brings und De Höhner geben Autokonzerte. Um mal was Positives zu sagen: So schnell, wie hier das Licht ausgeknipst wurde, geht es auch wieder an. Hoffen wir mal. Dieser Rosenmontag allerdings ist in Köln ein ganz normaler Arbeitstag. Ein Freund erklärt, man müsse dringend unterscheiden zwischen denen, die einfach feiern wollen, und den echten Karnevalisten, deren Herzblut daran hängt und die sich das ganze Jahr vorbereiten. „Für die einen“, sagt er, „ist Corona Scheiße. Für die anderen ist es eine Katastrophe.“

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