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Die Oasis-Brüder Noel (links) und Liam Gallagher 2008 im Londoner Wembley-Stadion.

© dpa/Zak Hussein

Wiedervereinigung von Oasis: Himmlische Töne, höllischer Streit

Wenn diesen Freitag die Welttournee der Britpop-Helden Oasis beginnt, kommt wieder zusammen, was vielleicht gar nicht zusammengehört: die Gallaghers. Eine Würdigung des britischen Familienunternehmens.

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In der Pop-Musik läuft es am Ende doch wie im richtigen Leben. Bands trennen sich, wenn es einfach nicht mehr geht, die Beatles sind der berühmteste Fall. Supergroups gehen zum Entsetzen der Fans auseinander, wenn man sich nicht mehr riechen kann oder Riesen-Egos explodieren, wie einst bei Cream. Manchmal gilt auch die kirchliche Formel – bis dass der Tod euch scheidet.

Am 7. Juni 1980 spielten Led Zeppelin ihr letztes Konzert. Nur wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand, dass es das Ende war. Ort des historischen Geschehens war die Eissporthalle Jafféstraße in West-Berlin. Im September starb der Schlagzeuger John Bonham nach einem Alkoholexzess. Die Band löste sich auf.

Sag niemals nie – zu einem Comeback

Erst 27 Jahre später traten die drei verbliebenen Zeppeline – Robert Plant, Jimmy Page, John Paul Jones – unter dem alten Namen noch einmal gemeinsam auf. Keine Reunion: Es blieb ein einmaliges Konzert in London. 20 Millionen Fans hatten sich um Tickets beworben. Led Zeppelin gelten als die Pioniere des Stadion-Rock.

Oasis stehen auf bleiernen Schultern, wenn sie an diesem Freitag in Cardiff wieder gemeinsam auf die Bühne kommen, zum Auftakt der Welttournee durch die britische Heimat und andere europäische Orte, durch Asien, Australien, Süd- und Nordamerika. Sechzehn Jahre lang waren die Könige des Britpop fies und spektakulär getrennt, fast so lange, wie die 1991 gegründete Band aus Manchester mehr recht als schlecht zusammenhielt.

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Die Geschichte des Pop ist reich an Comebacks und Comeback-Versuchen, von Elvis zu Leonard Cohen, von Ozzy Osbourne zu Guns N’ Roses. Die Wiederkehr von Oasis folgt einer Planung, die dem Buckingham-Palast Ehre machen würde. So wurde bereits bekannt, dass Oasis bei den beiden Gigs in Wales je zwei Stunden und fünfzehn Minuten spielen wollen. Crew-Mitglieder sollen keine Freikarten bekommen, was Liam Gallagher gallig kommentierte, dass diese Leute sowieso keine Freunde hätten und ihre Partner froh seien, sie los zu sein.

Liam Gallagher ist 52, sein Bruder Noel 58: Frischlinge, wenn man an all die Siebzig- und Achtzigjährigen denkt, die immer weitermachen. Die Rolling Stones sind nicht die einzigen Urtiere in diesem Jugendzirkus, aber sie bilden eine Ausnahme. Trennung ist bei Mick Jagger und Keith Richards ein Fremdwort. Vielleicht gut, dass sie Brüder im Geiste sind, keine leiblichen Geschwister. Und auch keine Ex-Ehepartner, wie die Fabulous Four von Abba. Mit keinem Geld der Welt waren die Schwedinnen und Schweden zu einer Wiedervereinigung zu bewegen. Dafür schickten sie Avatare.

Bei den Gallaghers bestätigt sich der Satz von Tolstoi: „Alle glücklichen Familien gleichen einander. Jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“ Und da besitzen britische Royals ein ganz eigenes Talent. Die Prinzen William und Harry sind ebenso ein Gottesgeschenk für die Tabloids wie Liam und Noel. Es muss nicht gleich mit Mord und Totschlag enden wie bei Kain und Abel oder Romulus und Remus. Es geht auch nicht so heftig zu wie in der griechischen Mythologie, wo die Brüder Eteokles und Polyneikes sich im Kampf um die Königsherrschaft in Theben gegenseitig massakrierten. Aber es ist reichlich Oasis-Herzblut geflossen.

Da passten sie noch in ein Foto: Noel and Liam Gallagher bei einem Benefiz-Event 2003 in der Royal Albert Hall.

© Getty Images/Dave Hogan

Die Ausfälle und Beleidigungen nach Gallagher-Art genießen Kultstatus, sie waren stets so schmerzhaft oder ärgerlich wie unterhaltsam, und wenn man sich fragt „Who cares?“, musste man immer einräumen: Es interessiert viele. So viele haben auf die Rückkehr von Oasis gewartet und gehofft. Ob man schon von Versöhnung sprechen soll? 2011 soll Liam gesagt haben, er fresse lieber seine eigene Scheiße, als noch einmal mit seinem Bruder zu spielen...

Sehnsucht nach dem Vertrauten

Sie sind, wie gesagt, jung, und wahrscheinlich können sie das Geld gut gebrauchen. Rockstars müssen sich heute auf ein langes Leben einstellen. Ein entscheidender Faktor ist die Demografie. Auch die Fans werden immer älter. Im Sphere in Las Vegas, dem größten Kuppelbau der Welt, treten Dead & Company auf, einige versprengte Überlebende der Greatful Dead. Immersive High Tech-Projektionen erzeugen die Illusion ewiger Präsenz. Die Zombie-Show läuft unter dem ehrlichen Titel „Dead Forever“.

All das wirkt wie die andere Seite einer disruptiven Welt voll Krieg und Katastrophen. Versöhnung, Verzeihen, Frieden – gibt es eine stärkere Sehnsucht? Bei Oasis – wie auch bei dem zerstrittenen Familienunternehmen der Beach Boys – zeigt sich ein spannungsreicher Widerspruch. Denn die Musik der Gallaghers geht ins Harmonische, ruft zum Mitsingen auf, „Wonderwall“ reißt die Arme hoch. Hymnische Töne und höllischer Streit, eine göttliche Mixtur.

Man bekommt es ja nicht mehr aus dem Kopf, wenn es einmal drinsteckt: „Don’t Look Back in Anger“ feiert den Schmerz und die Lust des Jungseins, auch das sehr britisch. Noel Gallagher sagte über diesen Song, er liege irgendwo zwischen den Beatles und „All the Young Dudes“ von Mott the Hoople und David Bowie. „Wonderwall“ und „Don’t Look Back in Anger“ wurden bei Spotify eine Milliarde mal gestreamt.

Was wäre, wenn es Oasis nicht gegeben hätte? Das fragt sich der „Guardian“ angesichts der „Oasis Mania“ jetzt und kommt zu einer Antwort, die viele wohl nicht ganz zufriedenstellt. Die Gallaghers haben, heißt es da, die alternative Kultur endgültig zum Mainstream gemacht. Sie wollten die Massen erreichen, sie wollten den Erfolg und den Ruhm. Klare Sache: Football is coming home.

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