
© MuxFilmproduktion/Ralf Noack
Politsatire „Muxmäuschenstill X“: Loser aller Länder, vereinigt euch!
Wider den Neoliberalismus und reiche Eliten. Jan Henrik Stahlberg spielt gut zwanzig Jahre nach dem Erfolg der Satire „Muxmäuschenstill“ wieder den rabiaten Weltverbesserer Mux.
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Er ist wieder da. Mux, der militante Moralist, dessen schneidender Ruf „Sportsfreund, komm mal her“ ertappten Kinderschändern, Verkehrsrowdys und Schwimmbadpinklern in den Ohren schrillte. In der provokanten No-Budget-Satire „Muxmäuschenstill“, die Marcus Mittermeier und Jan Henrik Stahlberg 2004 nach Preisen beim Max-Ophüls-Festival zu einem Überraschungserfolg im Kino verhalf.
Im Sequel „Muxmäuschenstill X“ geht Mux, den der Regisseur und Autor Stahlberg in Personalunion spielt, professioneller zu Werke. Hier geht es nicht mehr darum, Individuen rabiat zu mehr Eigenverantwortung zu erziehen, sondern mit einer Underdog-Bewegung den Neoliberalismus niederzuringen und – wenn es bei unwilligen Millionären sein muss – mit vorgehaltener Waffe die Rückverteilung des Reichtums an diejenigen einzuleiten, die ihn erarbeitet haben.
Und wohin geht der eloquente Herr Mux, um aus armen und obdachlosen Losern „Muxisten“ zu machen? In die ostdeutsche Provinz, nach Elstertrebnitz, wo er bei einem kostenlosen Grillfest inklusive flammender Rede über den Armenhass des Mittelstands, die Besoffkis von den Bierbänken reißt.
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Dass Jan Henrik Stahlberg beim Filmstart am Tag der Arbeit und der dazugehörigen Kinotour von einer Institution wie dem Deutschen Gewerkschaftsbund unterstützt wird, ist trotz einer gewissen thematischen Nähe eine Überraschung. Stahlberg ist als Independent-Ultra bekannt, der Politsatiren, die mittels Förderung entstehen, schon mal als „rund gelutschte Filme, die jedem gefallen, von denen es wahrlich genug gibt“ bezeichnet.
Konsequenterweise ist „Muxmäuschenstill X“ genau wie seine erste schwarze Komödie und die folgenden „Bye bye, Berlusconi!“, „Short Cut to Hollywood“ und die verkrachte Geschlechtersatire „Fikkefuchs“ wieder mit kleinen Bordmitteln entstanden.

© MuxFilmproduktion/Ralf Noack
Die semidokumentarische Attitüde von „Muxmäuschenstill X“ unterstützen Handkamera, Handybilder, Lehr-Animationen und der mitunter fahle Look. Es ist Winter in Ostdeutschland, als Mux, der Wachkoma-Überlebende, dort eintrifft, um eine Revolte anzustiften. Genauso sieht es auch aus.
Erst Elstertrebnitz, dann Berlin
Jede Aktion in Elstertrebnitz und später in Berlin, wo die schnell populär gewordenen „Muxisten“ schon mächtig Quote im Fernsehen machen, wird von Karsten (Tilman Vellguth) mit dem Handy dokumentiert. Der Pfleger aus der Reha wurde vom bürgerlich wirkenden Psychopathen Mux zur rechten Hand befördert, weil er „wie Luft ist, er fällt nicht auf“. Auf die Frage, ob ihm das „Manifest des Muxismus“ gefällt, das Mux als Büchlein unter die Leute bringen will, lässt die Antwort des jungen Mannes allerdings eine bedauerliche generationstypische Abneigung für Druckerzeugnisse erkennen: „Ich bin noch nicht durch …“

© MuxFilmproduktion/Carolin Hauke
Dass im Jahre 2025 keine Bewegung ohne Social-Media-Clips auskommt, muss der notorische Schlaumeier Mux, dem aufgrund des Komas die letzten 21 Jahre fehlen, von der smarten PR-Frau Vera (Bettina Hoppe) lernen. Bei den Provinzkids von Elstertrebnitz steht Harry Potter in der Allgemeinbildung deutlich weiter vorne als Mux‘ Idol Martin Luther.
Eine Erfahrung, die einen Entrüstungssturm bei ihm auslöst. „Wir in Europa sind die Nachfahren der Aufklärer, wir sind das Abendland, hört doch mal auf mit eurem infantilen Zauberer“, schnaubt der Missionar der klassischen Bildung, der zutiefst mit der Gegenwart fremdelt.

© MuxFilmproduktion/Philip Jestaedt
Stahlbergs knackige Politsatire, die mit Dialogwitz und einem originell gezeichneten Typenkabinett nur am lauen Ende schwächelt, fällt im Jahr 2025 noch schärfer als am Jahrtausendanfang aus, der vor 9/11 vergleichsweise friedlich war.
In Zeiten, in denen in der Politik teilweise wieder das Faustrecht regiert, die Arm-Reich-Schere krass auseinanderklafft und rechte Rattenfänger angesichts verschlafener Politiker der Mitte und ebenso verschlafener Bürger wie von selbst Zulauf verbuchen, kommt der „Muxismus“, den die „Anonymous“-Maskenträger mit einem M drauf unters Volk bringen, gerade recht.
Solidarjobs, Anstand, Umverteilung, Ideale, Aufklärung, Europa – bei diesen Bewegungszielen ist nicht nur für den DGB was dabei. Stahlberg sticht in gesellschaftliche Leerstellen. Nur kurz die Augen bei seinen autoritären Methoden zugedrückt und schwupps, schon geht Mux als der europäische Erneuerer des 21. Jahrhunderts durch.
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