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„Power 100“ der Kunstwelt: Galeriensterben und die Macht arabischer Royals
Das britische Magazin „Art Review“ hat die einflussreichsten Personen und Institutionen der Kunstwelt benannt und singt den Abgesang auf ein altes Modell.
Stand:
Die britische Zeitschrift „Art Review“ hat wie jedes Jahr im Dezember ihre Bestenliste der „Power100“ veröffentlicht. Die Trends, die es darin abbildet: Das Kunstsystem aus Sammlern, Galerien und Museen in den alten, westlichen Kunst-Hotspots verliert mehr und mehr an Kraft und Einfluss, die Macht verschiebt sich in Richtung Herrschergeld aus den arabischen Golfstaaten.
Auf Platz zwei der Liste stehen Scheicha al-Mayassa bint Hamad Al Thani, eine Schwester des katarischen Emirs, Mitglied der königlichen Familie und seit vielen Jahren wichtigste Kulturmäzenin des Landes mit internationalem Netzwerk.
Auf Platz drei wurde Sheika Hoor Al Qasimi aus dem arabischen Emirat Schardscha gewählt, Tochter des Emirs. Al Qasimi ist Kuratorin der nächsten Sydney Biennale, sitzt in zahlreichen Gremien internationaler Kunsthäuser und ist die Direktorin der hochgelobten Schardscha Kunstbiennale, die 1993 ihr Vater ins Leben gerufen hat und die von der Familienstiftung finanziert wird.
Golfstaaten an der Spitze dieser Liste
Auf Platz 21 liegt Badr bin Abdullah Al Saud, 40 Jahre alter Geschäftsmann, Kulturminister Saudi-Arabiens, auch er ein Mitglied der Königsfamilie. Al Saud ist in letzter Zeit besonders durch seine Bemühungen um die Wüstenoase AlUla hervorgetreten, die mit Millionensummen zum neuen Ziel für Kulturtouristen ausgebaut wird. Regelmäßig gibt es ein „Arts Festival“, zu dem internationale Künstler eingeladen sind.
Das britische Magazin möchte mit seinem Ranking explizit die Strippenzieher der Kunstwelt benennen: Personen, die Dinge bewegen, Kraft ihrer Funktion, ihres Einfallsreichtums oder ihres Geldes. Die Liste ziele nicht darauf ab, die Kunstwelt so darzustellen, wie man sie sich wünsche, sondern so, wie sie sei, erklärt das Magazin auf seiner Webseite.
Während die europäischen Institutionen mit Kulturkürzungen kämpfen, sitzen die Ermöglicher zunehmend in den arabischen Königshäusern. Diese geben gerne Geld für Kultur aus, wissen sie doch um den Imagegewinn für ihre autokratisch regierten, oft konservativen Länder.
Selbstorganisierte, unabhängige Strukturen
Das ist natürlich keine ganz neue Entwicklung, auch die britische Liste bildete das in vorherigen Ausgaben ab. Al Qasimi, die jetzige Nummer drei, war vor einem Jahr die Nummer eins der „Power 100“. Und Scheicha al-Majasa bint Hamad Al Thani stand vor zehn Jahren schon mal in den oberen Rängen, auch in der Forbes-Power-Women-List tauchte sie schon auf.
Mäzene wie sie bieten der internationalen Künstlerschaft das, was sie von Institutionen im Westen immer weniger bekommt: ordentliche Budgets, schicke, neue Museen, Festivals, die weit weg von den Kulturkämpfen agieren, mit denen sich die Szene in London, Berlin oder New York auseinandersetzen muss.
Ein weiterer Trend: Seit 2024 schließen vermehrt anerkannte mittelständische Galerien. Tim Blum (früher Blum & Poe) schloss seine Räume in Los Angeles und Tokio, Tanya Bonakdar beendet 2025 ihre Dependance in Los Angeles, in London schloss Vilma Gold. Und etliche internationale Großgalerien beklagten dramatische Geschäftseinbrüche, so „ArtReview“. So mancher Großkonzern gebe sein Budget lieber direkt an die Künstler, statt Mittlerfirmen einzuschalten.
Auf Platz eins hebt „ArtReview“ den ghanaischen Künstler Ibrahim Mahama, der bei der Documenta in Kassel 2017 große Aufmerksamkeit mit seiner Installation aus Jutesäcken erntete. Mahama, scharfer Kapitalismuskritiker, der häufig die Kreisläufe von Rohstoffen und Ressourcen in seiner Kunst thematisiert, schiebt das Geld, das er auf dem Kunstmarkt verdient, in Residencies oder eigenständige Kunsteinrichtungen in Ghana, die lokale Künstlerinnen und Künstler unterstützen. Dass er eigene Strukturen aufbaue, sei der Grund, warum er auf dem ersten Platz der „Power 100“ gelandet sei.
33 Künstler stehen insgesamt auf der Liste (neben Kuratoren, Galeristen, Denkern, Künstlerkollektiven …) und viele davon machen mehr als nur Kunst, betont „ArtReview“. Etwa der ägyptische Künstler Wael Shawky auf Platz vier, der eine Kunstmesse kuratiert, oder der singapurische Videokünstler Ho Tzu Nyen auf Platz fünf, der die Gwangju Biennale 2026 in Südkorea kuratiert. Oder auch der deutsche Fotograf Wolfgang Tillmans auf Platz zehn, der einen nichtkommerziellen Ausstellungsraum und eine Stiftung gegründet hat. Auch nicht ganz neu, dass Künstler in solchen Doppelrollen unterwegs sind.
Auffällig ist allerdings, wie stark „ArtReview“ den Abgesang auf die staatlich geförderten Kunstinstitutionen im Westen singt und nicht nur deren finanzielle Kraft, sondern auch deren Unabhängigkeit bröckeln sieht. Nur noch „scheinbar unabhängig“ von der Regierung seien die Institutionen in den USA, in Deutschland sehen sie eine „Krise der Meinungsfreiheit“ in Bezug auf den Israel-Gaza-Konflikt.
Es ist nicht so, dass europäische Künstler, Kuratoren und Museumsleiter in der Einfluss-Liste keine Rolle mehr spielen. 30 Power-Leute kommen aus Europa, rund 30 aus Asien, und ebenso viele aus Nordamerika. Und dennoch scheint man von Europa und dem bekannten System aus Galerien, Sammlern und Museen nicht mehr viel zu erwarten. Bei den Royals kommt dann alles aus einer Hand.
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